Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Regress wegen Verordnung von Kontrazeptiva zur Behandlung dermatologischer Krankheitsbilder
Orientierungssatz
Für sämtliche Kontrazeptiva gilt, dass sie allein zur (hormonalen) Kontrazeption zugelassen sind. Damit scheidet zulassungsrechtlich eine Verordnung für die Behandlung bestimmter dermatologischer Krankheitsbilder auch nach den Grundsätzen des sog. "Off-Label-Use" zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aus.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist ein Regress wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln in den Quartalen I/05 und II/05.
Der Kläger ist Facharzt für Frauenheilkunde und war zur vertragsärztlichen Versorgung in F zugelassen. In den streitigen Quartalen verordnete er jeweils für Versicherte der Beigeladenen zu 1) Kontrazeptiva zu einem Betrag von 373,86 Euro bzw. 475,56 Euro.
Die Beigeladene zu 1) beanstandete die Verordnungen und beantragte unter dem 31.01.2006 (Quartal I/05) bzw. 13.04.2006 (Quartal II/05) die Feststellung eines sonstigen Schadens unter Hinweis auf § 24a SGB V.
Der Kläger machte hierzu geltend, dass die Beigeladene zu 1) sich weigere, medizinische Standards anzuerkennen. Dazu gehöre die Behandlung diverser katamenialer und dermatologischer Krankheitsbilder mit einem hormonalen Kontrazeptivum. Bei den entsprechenden Diagnosen sei dies eine Therapie der Wahl.
Der Prüfungsausschuss setzte mit Bescheid vom 15.08.2006 die Regresse antragsgemäß fest, gegen den der Kläger Widerspruch einlegte.
Diesen Bescheid hob der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 14.02.2007 wegen eines Schreibfehlers auf und setzte zugleich die beantragten Regresse erneut fest.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 30.07.2007 zurück. Fertigarzneimittel dürften grundsätzlich nur zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für das Anwendungsgebiet verordnet werden, auf das sich die Zulassung beziehe. Die beanstandeten Kontrazeptiva seien nur zur hormonalen Kontrazeption zugelassen, so dass eine Verordnung dieser Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei.
Der Kläger hat am 24.08.2007 Klage erhoben. Er beanstandet, dass der Beschwerdeausschuss nicht geprüft habe, ob eine Ausnahme von dem zitierten Grundsatz der Verordnung zugelassener Arzneimittel vorliege. Es bestehe seit langer Zeit ein Konsens der medizinischen Fachkreise darüber, bestimmte fest definierte Krankheitsbilder mit oralen Kontrazeptiva zu behandeln, weil so im Vergleich mit herkömmlichen Methoden eine sehr viel höhere Effektivität erzielt werde und dies zu wesentlich geringeren Kosten führe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 30.07.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist darauf hin, dass nach § 24a Abs. 2 SGB V die Verordnungsfähigkeit von Kontrazeptiva zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auf Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr beschränkt sei. Diese Altersgrenze sei in den Regressfällen überschritten. Soweit Kontrazeptiva für andere Zwecke als die Schwangerschaftsverhütung verordnet werden, bestehe eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur, wenn und soweit eine erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung gegeben sei. Diese bestehe für die vom Kläger geltend gemachten Anwendungsbereiche nicht. Darüber hinaus lägen weder die Voraussetzungen für einen sog. "Off-Label-Use" noch für ein Systemversagen der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vor.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen des Beklagten an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl für die Beigeladenen zu 1) bis 7) niemand zum Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Beigeladenen sind in den ihnen ordnungsgemäß bekannt gegebenen Terminsmitteilungen auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 30.07.2007 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig. Die Regressfestsetzung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Zunächst ist festzuhalten, dass Streitgegenstand allein der Bescheid des Beklagten und die darin enthaltenen Begründungen sind. Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung gem. § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird (vgl. BSG Urteil vom 20.09.1995 - 6 RKa 63/94 -).
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsüberprüfung und damit auch der Beklagte sind im Rahmen der ihnen in § 106 SGB V übertragenen Verpflichtun...