Rz. 1
Diese Vorschrift prägt den Begriff der Solidargemeinschaft, auf der nach dem Willen des Gesetzgebers die gesetzliche Krankenversicherung beruht, d. h. die Leistungen der Krankenkassen an die Mitglieder sollen durch Beiträge finanziert werden, die von diesen Mitgliedern erhoben werden. Die Solidarität der sozialen Krankenversicherung wird durch das SGB V auf eine neue Grundlage gestellt ("wird neu bestimmt", Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. 11/3320 S. 11).
Rz. 2
Durch Art. 1 Nr. 1 des Präventionsgesetzes (PräVG) v. 17.7.2015 (BGBl. I S. 1368) wurde der heutige Satz 2 mit Wirkung zum 20.7.2015 eingefügt. Mit dieser Änderung betont der Gesetzgeber im Interesse der Solidargemeinschaft den Gesichtspunkt der Prävention. Dabei werden jedoch nicht allein die Versicherten, sondern gerade die Krankenkassen in die Pflicht genommen, die Eigenkompetenz ihrer Mitglieder zu fördern, um gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorzubeugen (vgl. hierzu exemplarisch § 11 Abs. 1 Nr. 2 bis 3).
Rz. 3
Zum ersten Mal wird auch die Mitwirkungspflicht der Versicherten über Satz 3 hervorgehoben, angefangen von der gesundheitsbewussten Lebensführung bis zur aktiven Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation. Ein Verstoß gegen diese Mitwirkungspflicht kann aber nicht geahndet werden, eine Maßregel (Leistungsentzug, Verwarnung, Bestrafung) ist für diesen Fall nicht vorgesehen (mit Ausnahme von § 52, der aber wohl nur in den seltensten Fällen zur Anwendung kommt). In der politischen Debatte treten zum Teil jedoch immer wieder Bestrebungen zutage, die Versicherten stärker in die Pflicht zu nehmen. So finden sich Ideen zu erhöhten Beitragspflichten oder eingeschränkten Leistungen etwa aufgrund Nikotin- und Alkoholkonsums oder bei unzureichender körperlicher Betätigung bzw. ungesunder Ernährung. Kurzzeitig hat der Gedanke einer stärkeren Ausprägung der Eigenverantwortung auch im Rahmen der Coronapandemie an Fahrt gewonnen, indem zum Teil etwa Leistungsausschlüsse oder nachrangige Behandlungsansprüche für Impfunwillige gefordert wurden. Ernsthafte Bestrebungen in diese Richtung hat der Gesetzgeber aber zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen.
Rz. 4
Schließlich stellt der Gesetzgeber selbst bei der Mitverantwortung für eine gesunde Lebensführung erneut über Satz 4 das Tätigwerden der Krankenkassen in den Vordergrund: Diese sollen durch Aufklärung und Beratung das Verantwortungsbewusstsein ihrer Mitglieder stärken. Als Beispiel für dieses Zusammenspiel wird auf § 51 Abs. 1 verwiesen, der den Krankenkassen das Recht einräumt, die Versicherten während des Krankengeldbezuges auffordern zu dürfen, Anträge auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen.
Durch Art. 3 Nr. 1 des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) hat der Gesetzgeber zudem mit Wirkung zum 10.6.2021 die Aufklärungs-, Beratungs- und Hilfeleistungen der Krankenkassen näher umschrieben. So sind dabei insbesondere die geschlechts-, alters- und behinderungsspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Zielsetzung ist ein individuelleres und einzelfallbezogeneres Tätigwerden der Krankenkassen, um einen größeren Behandlungserfolg zu erreichen.