0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde zum 1.1.1989 durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz – GRG) v. 20.12.1988 eingeführt (BGBl. I S. 2477). Durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) v. 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) wurde sie mit Wirkung vom 21.12.1993 an redaktionell an die vertragsärztliche Versorgung angepasst. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) erhielt die Norm mit Wirkung vom 1.1.2004 an ihre aktuelle Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) trat an die Stelle des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift ist die Rechtsgrundlage für die Bewertung von neuen Heilmitteln in der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung. Der G-BA hat dabei sowohl das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1) als auch den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu beachten.
Rz. 1b
Der G-BA legt für Leistungserbringer, Krankenkassen und Versicherte fest, welche Heilmittel zum Leistungskatalog der Krankenversicherung gehören. Die Norm sichert die Qualität der Leistungserbringung bei der Einführung neuer Heilmittel (BSG, Urteil v. 28.6.2000, B 6 KA 26/99 R). Sie schützt Versicherte vor gesundheitlichen Risiken (BSG, Urteil v. 8.2.2000, B 1 KR 18/99 B) und die Versichertengemeinschaft vor unwirtschaftlichen Behandlungen (BSG, Urteil v. 30.1.2002, B 6 KA 73/00 R).
Rz. 1c
Die Vorschrift ergänzt § 135 Abs. 1. Sie korrespondiert mit § 92 Abs. 1 und 6, wonach der G-BA u. a. eine Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln beschließt. Darin sind insbesondere
- der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
- die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
- die Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen sowie
- Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer
zu regeln. Die aktuelle Richtlinie existiert i. d. F. v. 20.1.2011 und ist nach Änderungen am 1.1.2018 in Kraft getreten (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung – Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL). Der Heilmittelkatalog ist Bestandteil der Richtlinie.
2 Rechtspraxis
2.1 Anerkennung neuer Heilmittel
Rz. 2
Neue Heilmittel dürfen zulasten der Krankenkassen nur verordnet werden, wenn der G-BA zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt hat (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Dazu sind neue Heilmittel in die Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 aufzunehmen und Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abzugeben.
2.2 Adressat der Vorschrift
Rz. 3
Die Vorschrift bindet die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. Diese dürfen keine Verordnungen zulasten der Krankenkassen ausstellen, wenn ein Heilmittel nicht in der Heilmittel-Richtlinie aufgeführt ist. Der Versicherte kann in diesen Fällen keinen Leistungsanspruch geltend machen (BSG, Urteil v. 17.2.2010, B 1 KR 23/09 R).
2.3 Heilmittel-Richtlinie
Rz. 4
Die Heilmittel-Richtlinie enthält einen indikationsbezogenen Katalog verordnungsfähiger Heilmittel. Dieser regelt die
- Indikationen, bei denen Heilmittel verordnungsfähig sind,
- Art der verordnungsfähigen Heilmittel bei diesen Indikationen und
- Menge der verordnungsfähigen Heilmittel je Diagnosengruppe und die Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen (Folgeverordnungen).
2.4 Begriff "Neue Heilmittel"
Rz. 5
Heilmittel sind persönlich zu erbringende medizinische Leistungen (§ 32, § 2 Abs. 1 Satz 1 HeilM-RL). Sie sind ärztlich zu verordnen, dienen einem Heilzweck oder sichern einen Heilerfolg und werden nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht (BSG, Urteil v. 8.11.2011, B 1 KR 20/10 R). Hierzu zählen die in der Heilmittel-Richtlinie genannten einzelnen Maßnahmen der
- physikalischen Therapie,
- podologischen Therapie,
- Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie und
- Ergotherapie.
Rz. 6
Einneues Heilmittelist nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und bisher nicht in die Richtlinie über die Versorgung mit Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung einbezogen worden (BSG, Urteil v. 22.3.2012, B 8 SO 30/10 R). Neue Heilmittel sind auch solche, die für bestimmte Indikationen bereits nach der Heilmittel-Richtlinie verordnet werden können, deren Indikationsbereiche oder die Art ihrer Erbringung aber wesentlich geändert oder erweitert wurden (Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses i. d. F. v.18.12.2008, nach Änderungen in Kraft ab 5.7.2018).
2.5 Leistungen im Ausland
Rz. 7
Die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs sowie die Anerkennung durch den G-BA gelten auch, wenn die Leistung im Ausland in Anspruch genommen wird. Ein im Ausland entwickeltes Heilmittel unterliegt ebenfalls dem Erlaubnisvorbehalt der Vorschrift (BSG, Urteil v. 3.9.2003, B 1 KR 34/01 R).
2.6 Anerkennungsverfahren
Rz. 8
Die Anerkennung eines neuen Heilmittels ist durch den Leistungserbringer zu beantragen (BSG, Urteil v. 26.9.2006, B 1 KR 3/06 R). § 135 Abs. 1 Satz 1 ist entsprechend anzuwenden. Der G-BA entscheidet durch Beschluss. Der Antragste...