Leitsatz

1. Der Körperschaftsteuerfestsetzung kommt gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 Abs. 9 Satz 8 Halbsatz 2 KStG Bindungswirkung zu. Auf § 8 Abs. 9 Satz 8 Halbsatz 1 KStG beruhende Feststellungsbescheide sind daher hinsichtlich der Höhe des verbleibenden negativen Gesamtbetrags der Einkünfte und dessen Zuordnung zu den Sparten im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 1 und 3 Halbsatz 1 KStG einer gerichtlichen Überprüfung auf ihre materielle Richtigkeit hin entzogen.

2. Die Gleichartigkeit im Sinne von § 8 Abs. 9 Satz 3 Halbsatz 1 KStG ist tätigkeitsbezogen auszulegen, so dass die Voraussetzungen von § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und 3 KStG ohne Bedeutung sind.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 3 Satz 2, Abs. 7, Abs. 9, § 4 Abs. 3, Abs. 6 Satz 1 KStG, § 40 Abs. 2 FGO, § 7 Satz 5, § 10a Satz 9 GewStG, § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Alleingesellschafterin der Klägerin, einer GmbH, ist eine Stadt. Die Klägerin war Organträgerin der A-GmbH, die nach ihrem Unternehmensgegenstand Personen und Gegenstände mit Kraftfahrzeugen und Bahnen beförderte. Zudem war die Klägerin mit über 50 % an der B-AG beteiligt, die im Bereich der Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wasser und Fernwärme tätig war. Weiter verpachtete die Klägerin Immobilien und hielt auch Beteiligungen. Zum Beginn des Jahres 2009 bildete die Klägerin eine Sparte 1 "Verkehr und Versorgung" und eine Sparte 2 "Immobilienwirtschaft". Mit Wirkung ab 1.1.2010 begründete die Klägerin durch den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft mit der B-AG. Das FA ging davon aus, dass im Jahr 2009 neben der Sparte 2 "Immobilienwirtschaft" die Sparte 1 "Verkehr" bestanden habe. Die Begründung der Organschaft zwischen der Klägerin und der B-AG im Jahr 2010 habe zur Bildung einer weiteren Sparte 3 "Verkehr und Versorgung" geführt. Die Klage zum FG hatte Erfolg (Hessisches FG, Gerichtsbescheid vom 6.4.2020, 4 K 1112/18, Haufe-Index 14099648).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab.

 

Hinweis

1. § 8 Abs. 9 KStG betrifft Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt, wobei ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen. Die Regelung ordnet in ihrem Satz 1 für diese Kapitalgesellschaften eine sog. Spartenrechnung an, wobei

  • Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen sind (Nr. 1),
  • Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht vorstehend bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen sind, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden, während
  • alle übrigen Tätigkeiten einer einheitlichen Sparte zuzuordnen sind,
  • für jede sich hiernach ergebende Sparte der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Satz 2 getrennt zu ermitteln ist, wobei die Aufnahme einer weiteren, nicht gleichartigen Tätigkeit nach Satz 3 zu einer neuen, gesonderten Sparte führt.

2. Fraglich war, unter welchen Voraussetzungen es nach § 8 Abs. 9 Satz 3 KStG zur Bildung einer neuen Sparte kommt. Dies richtet sich danach, wie der Begriff der "Aufnahme einer weiteren, nicht gleichartigen Tätigkeit" zu verstehen ist. Dabei kann die Gleichartigkeit entweder

Die enge Auslegung führt zur Spartenbildung nach Satz 3, die weite Auslegung steht ihr tendenziell entgegen. So würde die weite Auslegung z. B. dazu führen, dass bei einem bereits vorliegenden Verkehrsbetrieb die Aufnahme einer Versorgungstätigkeit gemäß § 8 Abs. 9 Satz 3 erster Halbs. nicht zur Bildung einer neuen Sparte führt, da diese Tätigkeiten nach § 4 Abs. 3 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 KStG zusammenfassbar sind.

3. Der BFH folgt der engen Auslegung und damit einer tätigkeitsbezogenen Betrachtungsweise, so dass die Aufnahme einer Versorgungstätigkeit bei einem bereits bestehenden Verkehrsbetrieb zur Bildung einer neuen Sparte führt. Er begründet dies ausführlich nach Maßgabe des Wortlauts, des Gesetzeszusammenhangs und einer aus Sicht des BFH mangels Regelungslücke fehlenden Ergänzungsbedürftigkeit der Vorschrift.

Die sich damit stellende Frage, ob Verkehrs- und Versorgungstätigkeiten als gleichartig zu betrachten sind, verneint der BFH im Hinblick auf die sich aus § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 KStG ergebende Unterscheidung.

4. Zu beachten ist, dass sich der BFH nicht zu der Frage äußert, wie die neue Sparte auszugestalten ist. Im Streitfall war das FA davon ausgegangen, dass es durch das Hinzutreten des Versorgungsbereichs zum bereits zuvor bestehenden ...

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