Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 95
Der Gesetzgeber strebt den Ansatz des gemeinen Werts als Zielgröße bei allen Vermögensgegenständen an. Mit diesem Grundsatz reagiert der Gesetzgeber auf den Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006. Etwaige Begünstigungen dürfen erst auf einer zweiten Stufe realisiert werden, wobei derartige Begünstigungen verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sind.
Rz. 96
Bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer ist Grundbesitz mit dem Grundbesitzwert anzusetzen (§ 12 Abs. 3 ErbStG), der nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG festzustellen ist. Zum Grundbesitz gehören aufgrund des in § 12 Abs. 3 ErbStG enthaltenen Verweises auf § 19 BewG die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und die Grundstücke des Grundvermögens sowie für Betriebsgrundstücke i.S.d. § 99 BewG. Bei den Betriebsgrundstücken gilt für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2009 wegen des Wegfalls des § 99 Abs. 2 BewG nicht mehr das Alles-oder-nichts-Prinzip. Vielmehr muss bei der Veranlagung zur Erbschaft-/Schenkungsteuer oder bei der Feststellung des Werts eines betrieblichen Vermögens entschieden werden, zu welcher Vermögensart die einzelnen Grundstücksteile gehören. Wegen des Wegfalls der Einheitsbewertung zum 1.1.2025 und der deshalb erforderlichen Neufassung des § 157 BewG vgl. Rz. 9 bis 10.
Rz. 97
Mit der Regelung, dass Grundbesitzwerte festzustellen und anzusetzen sind, ist noch keine Aussage darüber getroffen, wie diese Grundbesitzwerte zu ermitteln sind. Dies ergibt sich aus § 157 Abs. 2 BewG für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und aus § 157 Abs. 3 BewG für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens.
Rz. 98
Für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 sind für die Ermittlung von Grundbesitzwerten folgende Vorschriften des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes maßgebend:
Rz. 99
Die seit dem 1.1.2009 anzusetzenden Grundbesitzwerte nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers dem gemeinen Wert entsprechen. Eine Untersuchung, ob diese Annahme zutrifft, ist bislang jedoch nicht erfolgt.
Rz. 100
Die Überlegungen, in welcher Weise die Grundsteuer reformiert werden könnte, um die Einheitsbewertung als Bemessungsgrundlage abzulösen, ist auf Bundesebene durch das Grundsteuer-Reformgesetz abgeschlossen. Das gilt jedoch noch nicht für die einzelnen Länder, die abweichende Regelungen aufgrund der vorgesehenen Länderöffnungsklausel realisieren können. Damit wird der Entscheidung des BVerfG vom 18.4.2018 Rechnung getragen, wonach die Einheitsbewertung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.
Rz. 101
Im Vorfeld des Grundsteuer-Reformgesetzes sind verschiedene Modellentwürfe gegeneinander abgewogen worden. Dazu hatte die Finanzverwaltung im Jahr 2012 eine sog. Verprobung durchgeführt. Dabei wurde untersucht, wie sich die bisherigen Bemessungsgrundlagen im Vergleich zu den neuen Grundsteuermodellen verhalten. Die Untersuchungsergebnisse sind jedoch nicht veröffentlicht worden.
Rz. 102
Über die nicht veröffentlichte Verprobung hinaus wäre es wünschenswert gewesen, ebenfalls zu untersuchen, in welchem Verhältnis die seit 2009 geltende Bewertung des Grundbesitzes nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes zum Verkehrswert steht. Somit liegen hierzu leider keinerlei Erkenntnisse vor.
Rz. 103
Deshalb dürfte offen sein, ob die ab 2009 geltende Bemessungsgrundlage für die Erbschaft-/Schenkungsteuer tatsächlich mit der vom Gesetzgeber angestrebten Zielgröße des gemeinen Werts übereinstimmt oder ob die Bewertungsergebnisse zumindest innerhalb einer akzeptablen Bandbreite um den gemeinen Wert liegen.
Rz. 104
Die Finanzverwaltung geht offenbar davon aus, dass die Bewertungsergebnisse nach dem Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes mit dem gemeinen Wert identisch sind. Dementsprechend hat die Finanzverwaltung die bisherige Ermittlung des Werts der Bereicherung im Falle einer gemischten Schenkung anhand einer Verhältnisrechnung aufgegeben. Dies ergibt sich aus den gleich lautenden Ländererlassen vom 20.5.2011 zur gemischten Schenkung. Die Finanzverwaltung hat diese Auffassung in die ErbStR 2011 und 2019 übernommen.
Rz. 105
Dennoch werden sich in der Praxis Differenzen zwischen dem tatsächlichen gemeinen Wert und den Werten ergeben, die nach dem Bewertungsgesetz unter Berücksichtigung von Typisierungen zu ermitteln sind.
Rz. 106– 110
Einstweilen frei.