Rz. 333
Nach Ansicht des BFH stellte die Abfindung, die der weichende Erbprätendent aufgrund eines Prozessvergleichs vom zuletzt eingesetzten Alleinerben dafür erhält, dass er die Erbenstellung des Alleinerben nicht mehr bestreitet, kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG dar. Der Gesetzgeber hat 2017 auf diese Rechtsprechungsänderung des BFH durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz reagiert und die Besteuerungslücke für alle Erwerbe nach dem 24.6.2017 geschlossen (s. Rz. 22).
Rz. 334
Nach der Zielvorstellung des Gesetzgebers sollen sämtliche Abfindungen der Besteuerung unterliegen, die deshalb gewährt werden, weil zunächst behauptete Rechtsstellungen, Rechte oder Ansprüche, die zu einem Erwerb nach § 3 Abs. 1 ErbStG führen würden, nicht mehr oder nur noch teilweise geltend gemacht werden. Dadurch soll insb. eine Rechtsgrundlage für die Besteuerung der Abfindung geschaffen werden, die jemand dafür erhält, dass er die Erbenstellung eines anderen nicht mehr bestreitet. Im Ergebnis wird damit nach Ansicht des Gesetzgebers die ursprüngliche Rechtslage wiederhergestellt und Gestaltungspotential ausgeräumt. Die Besteuerung der Abfindung sei sachgerecht, da der Abfindungsberechtigte anlässlich eines Todesfalls eine Bereicherung erfahre, welche auf den Erblasser zurückzuführen ist. Um eine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten, sollen sämtliche Rechtsstellungen, Rechte oder Ansprüche einbezogen werden, die zu einem Erwerb nach § 3 Abs. 1 ErbStG führen. Korrespondierend wurde in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG klargestellt, dass die Steuer mit dem Zeitpunkt des Verzichts, der Ausschlagung, der Zurückweisung oder der Erklärung über das Nichtgeltendmachen entsteht.
Rz. 335
Trotz der im Zuge des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes vorgenommenen Novellierung des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG sind zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit der Besteuerung von an weichende Erbprätendenten geleisteten Abfindungen keineswegs mit der vom Gesetzgeber angestrebten Klarheit zu beantworten. Insbesondere die exakte Abgrenzung zwischen den beiden in Betracht kommenden Besteuerungsalternativen – § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG einerseits und § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG andererseits – sowie das Zusammenspiel mit der Frage nach einer Abziehbarkeit der gewährten Abfindung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG dürften auch künftig Gegenstand einer weiterhin kontroversen Diskussion sein.