Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorweggenommene Werbungskosten während des Bezugs von Arbeitslosengeld. notwendige Unterkunftskosten. Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen und Entfallen einer doppelten Haushaltsführung bei mehrjährigem Unterbleiben von Heimfahrten zum vermeintlichen Hauptwohnsitz. kein Werbungskostenabzug für umgekehrte Besuchsfahrten des anderen Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitet die Steuerpflichtige während des Bezugs von Arbeitslosengeld ohne Anstellungsvertrag und ohne Bezahlung an einem Forschungsprojekt in Räumlichkeiten einer Universität mit, an der die Steuerpflichtige eine Professur anstrebt, so handelt es bei den dafür entstandenen Aufwendungen um vorweggenommene Werbungskosten, für die die Abzugsbeschränkung des § 3c Abs. 1 EStG nicht gilt.
2. Unterkunftskosten am Beschäftigungsort sind notwendig i. S. v. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 1 EStG 2002/2007, wenn sie den Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten.
3. Hat sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Ehefrau an den auswärtigen Beschäftigungsort verlagert, z. B. weil die Ehefrau ihren vermeintlichen Hauptwohnsitz am Ort des bisherigen Lebensmittelpunkts aus freier eigener Entscheidung in einem Zeitraum von mehreren Jahren nicht mehr aufgesucht hat, so unterhält die Ehefrau keine doppelte Haushaltsführung mehr. In einem solchen Fall sind auch die Aufwendungen für die stattdessen durchgeführten Besuchsfahrten des anderen Ehemanns zum Beschäftigungsort der Ehefrau keine Werbungskosten.
4. Es ist zweifelhaft, ob der Rspr. der „umgekehrten Familienheimfahrten” noch gefolgt werden kann.
Normenkette
EStG 2002 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5 Sätze 1, 3, § 3c Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1
Tatbestand
Die Parteien streiten in den Kalenderjahren 06 – 09 über die Anerkennung von Werbungskosten der Klägerin aus Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung.
Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren 06-09 die Zusammenveranlagung gewählt hatten. Die Ehegatten waren in den Streitjahren Eigentümer eines Einfamilienhauses in A. Darüber hinaus hatten sie gemeinsam bis November 06 eine 86 m² große Wohnung in B. angemietet.
Der Kläger arbeitete als Rechtsanwalt in der Wirtschaftsberatungsgesellschaft A. sowie in der Rechtsanwaltssozietät B. Von 01 bis 06 war er Präsident des C. und von 01 bis Mai 10 Mitglied im Verwaltungsrat der D. Darüber hinaus war er Beirat E. Von Dezember 06 bis September 08 war er Mitglied …. Seit dem Kalenderjahr 08 war er Mitglied des Rates der J-Gemeinde in G. In den Kalenderjahren 10 und 11 war er Präsident eines Clubs in G. Im Oktober 09 schloss der Kläger mit der … einen Werkvertrag. Darüber hinaus bekleidete er die Stellung als Geschäftsführer der … Betriebsgesellschaft mbH.
Die Klägerin war bis zum 30. September 05 als …an der Universität in B. angestellt. Vom 1. Oktober 05 bis 31. Oktober 06 erhielt sie Leistungen der Agentur für Arbeit. Nach eigenen Angaben war sie bis Juni 06 im Rahmen des Forschungsprojektes „K” tätig (ohne Anstellungsvertrag und Bezahlung). Die Universität stellte ihr im Rahmen des Projekts eigene Räume zur Verfügung. Im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit vom 25. März 06 hatte die Klägerin als eigene „Bemühungen” angegeben, intensive Kontakte mit …pflegen zu wollen, um sich über das Projekt K. selbst einen Arbeitsplatz zu schaffen. Im September 06 bewarb sie sich …an der Universität in B. Am 4. November 06 begann sie ihre Tätigkeit im ….
Zum 1. Dezember 06 mieteten die Kläger anstelle der bisherigen Wohnung in B. ein Stadthaus in G. mit 134 m² an. Ab März 09 war die Klägerin bei der L-GmbH. bis zum Mai 10 beschäftigt.
Nach der Veräußerung des gemeinsamen Hauses in A. – und der Ummeldung beider Ehegatten im Mai 10 nach G. – zogen die Eheleute im August 10 in die M-straße in G.
Die Klägerin machte bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von …EUR (2009), … EUR (2010), … EUR (2011) und …EUR (2012) als Werbungskosten geltend. Die Werbungskosten setzten sich zusammen aus Fahrtkosten für Familienheimfahrten, Unterkunftskosten, Umzugskosten sowie die Abschreibung für Abnutzung auf neue Einrichtungsgegenstände.
In seinen Einkommensteuerbescheiden vom 12. Oktober 08 (für das Kalenderjahr 06), vom 25. März 11 (für die Kalenderjahre 07 und 08) sowie dem Einkommensteuerbescheid 09 vom 23. September 11 erkannte der Beklagte die geltend gemachten Werbungskosten der Ehefrau nicht an. Das Finanzamt argumentierte, dass die Klägerin mit dem Bezug der Wohnung in G. auch ihren Lebensmittelpunkt an den Beschäftigungsort (der Ehefrau) verlegt habe. Sie führe seither ihren Hausstand in G.
Gegen diese Bescheide legten die Kläger Einsprüche ein. Daraufhin erließ der Beklagte am 26. Februar 12 Änderungsbescheide für die Kalenderjahre 06 – 09, in denen er Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung der Klägerin beginnend ab November 06 bis September 08 teilweise aner...