Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. regelmäßige Arbeitsstätte bei einer Vollzeitlehre im dualen System liegt im Ausbildungsbetrieb. Zimmer im elterlichen Haushalt ist bei ledigen Auszubildenden regeltmäßig kein eigener Hausstand. gesetzlicher Beklagtenwechsel
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer Vollzeitlehre im dualen System befindet sich die regelmäßige Arbeitsstätte des Kindes im Ausbildungsbetrieb. Die Werbungskosten für die Fahrten zur Berufsschule sind nach Dienstreisegrundsätzen zu ermitteln.
2. Ein eigener Hausstand wird nicht unterhalten, wenn der nicht verheiratete Arbeitnehmer als nicht die Haushaltsführung wesentlich bestimmender bzw. mitbestimmender Teil in einen Hausstand eingegliedert ist. Dies ist regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall, die – ggf. auch gegen Kostenbeteiligung – ihr Jugendzimmer im Haushalt ihrer Eltern bewohnen.
3. Ein gesetzlicher Beklagtenwechsel infolge eines Zuständigkeitswechsels aufgrund eines behördlichen Organisationsakts stellt weder eine Änderung des Streitgegenstandes noch eine Klageänderung dar. Der neue Beklagte rückt in das Verfahren ein, ohne dass entsprechende Erklärungen der Beteiligten erforderlich sind und ohne dass eine Klageänderung vorliegt.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5; FGO § 57 Nr. 2, § 67
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Grenzbetrag zum Bezug von Kindergeld überschritten wurde, insbesondere die Höhe der zu berücksichtigenden Werbungskosten.
Die Klägerin bezog für ihren am 05.09.1991 geborenen Sohn A Kindergeld. A befand sich nach seiner Schulzeit erstmals in einem Ausbildungsverhältnis, in dem er im Zeitraum vom 01.09.2008 bis 07.02.2012 eine vier Jahre dauernde Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik erhielt. Im Anschluss an die Ausbildung wurde er in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Während der Woche wohnte A am Ausbildungsort B in einer eigens angemieteten 36 qm großen 1-Zimmer-Werkswohnung in der Aufseßstr.1. Die monatliche Miete hierfür betrug einschließlich der Vorauszahlungen auf die Betriebskosten 354,19 EUR. An den Wochenenden bewohnte er sein Jugendzimmer mit einer Fläche von 4,3 m × 2,5 m im Haus seiner Eltern in C. Nach den Angaben verschiedener Routenplaner (Google Maps, Falk) beträgt die kürzeste Verbindung zwischen der Wohnung am Ausbildungsort und dem Ausbildungsbetrieb in der D-Str. 2 800 m und die zwischen den Wohnungen in C und B 153 km.
Ausweislich der Lohnsteuerbescheinigung (Blatt 113 der Kindergeldakte) für das Jahr 2011 erzielte A einen Bruttolohn in Höhe von 14.172 EUR. Hiervon behielt der Arbeitgeber u.a. Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 1410,19 EUR, Krankenversicherung in Höhe von 1.161,99 EUR, Pflegeversicherung in Höhe von 138,20 EUR und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 212,58 EUR ein. Im Bruttolohn war nach eigenen Angaben der Klägerin ein steuerpflichtiger Mietzuschuss des Arbeitgebers mit einem Jahresgesamtbetrag in Höhe von 1.560 EUR enthalten. Nach den von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen zahlte der Arbeitgeber ihres Sohnes für 82 Tage, an denen dieser zu Ausbildungszwecken von B nach E in die F Str. 2 delegiert war, Auslöse, Reise-, Fahrkosten und Auslagenersatz in Höhe von 1.967,55 EUR (Blatt 89 bis 101 der Kindergeldakte). Ein Betrag von 361 EUR entfiel davon nach der Lohnsteuerbescheinigung auf steuerfreie gezahlte Verpflegungszuschüsse bei Auswärtstätigkeit. Die kürzeste Verbindung zwischen der Wohnung am Ausbildungsort und der F Str. 2 beträgt nach den Angaben verschiedener Routenplaner (Google Maps, Falk) 22 km.
Da die Beklagte zunächst als Werbungskosten zwar 48 Familienheimfahrten (150 km einfache Strecke × 0,30 EUR = 2.160 EUR), aber keine Aufwendungen für die Wohnung in B gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) als beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung anerkannte, war der nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung maßgebliche Grenzbetrag von 8.004 EUR überschritten. Die Beklagte hob die Kindergeldgewährung deshalb mit Bescheid vom 05.12.2012 auf. Zugleich forderte sie das nach ihrer Ansicht für den Zeitraum Januar bis Dezember 2011 überzahlte Kindergeld in Höhe von 2.208 EUR zurück.
Demgegenüber machte die Klägerin in ihrem hiergegen gerichteten Einspruch weitere ihrem Sohn entstandene Werbungskosten in Höhe von 3.204,20 EUR geltend, die sie mit Schreiben vom 23.03.2012 (Blatt 77 der KiG-akte) bzw. vom 02.05.2012 (Blatt 84 der KiG-Akte) wie folgt bezifferte:
Fahrten Wohnung Arbeitsstätte am Ausbildungsort: |
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230 Arbeitstage × 3 km × 0,30 = |
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207,00 EUR |
Waschkosten Arbeitskleidung: |
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48 × 6 Kg × 0,41 EUR |
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118,08 EUR |
Familienheimfahrten: |
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48 Wochen × 153 Km × 0,30 EUR = |
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2.203,20 EUR |
Verpflegungsmehraufwand Dienstreisen: |
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