Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückgängigmachung einer Gewinnausschüttung durch Aufhebung des Gewinnverteilungsbeschlusses
Leitsatz (NV)
1. Eine mit dem Vermögensabfluß aufgrund eines Gewinnverteilungsbeschlusses eingetretene Gewinnausschüttung kann nicht durch Aufhebung des Gewinnverteilungsbeschlusses rückgängig gemacht werden. Dem Steuerrecht ist eine Rückbeziehung von Vorgängen fremd, soweit dies nicht gesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.
2. Die Wirkung des Vermögensabflusses tritt auch dann ein, wenn durch die Ausschüttung das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen gemindert wurde und damit ein Erstattungsanspruch der GmbH gegen die Gesellschafter gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG entstanden ist.
Normenkette
FGO § 69; KStG 1977 § 27 Abs. 3, § 28 Abs. 2, § 29 Abs. 2; GmbHG § 31 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin, Antragstellerin und Klägerin (Antragstellerin) hat ihre erklärten Handelsbilanzgewinne der Jahre 1978 bis 1980 aufgrund entsprechender Beschlüsse voll (für 1978 96 495 DM, für 1979 24 173 DM, für 1980 84 821 DM) und von dem erklärten Handelsbilanzgewinn 1981 in Höhe von 113 471 DM einen Betrag von 104 771 DM ausgeschüttet.
Nach einer Außenprüfung erkannte der Beschwerdeführer, Antragsgegner und Beklagte (das Finanzamt - FA -) bestimmte Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben an (1978: 20 465 DM, 1979: 189 660 DM, 1980: 215 062 DM, 1981: 267 384 DM). Das FA erließ entsprechend geänderte Feststellungsbescheide gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) zum 31. Dezember 1978, 1979 und 1980 und einen erstmaligen Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 1981.
Gegen die Feststellungsbescheide hat die Antragstellerin Einspruch eingelegt mit dem Begehren, für das Jahr 1978 eine Ausschüttung von lediglich 76 616 DM und für die Jahre 1979 bis 1981 keine Ausschüttungen zugrunde zu legen. Zur Begründung legte die Antragstellerin entsprechend geänderte Gewinnverteilungsbeschlüsse sowie geänderte Handelsbilanzen für die Jahre 1978 bis 1981 vor. Das FA änderte die Feststellungsbescheide aus anderen - hier nicht streitigen - Gesichtspunkten. Im übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Antragstellerin Klage erhoben und - nachdem das FA zuvor einen Aussetzungsantrag abgelehnt hat - beim Finanzgericht (FG) die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Feststellungsbescheide beantragt.
Das FG sah den Antrag als begründet an.
Mit der Beschwerde beantragt das FA, die Entscheidung des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Der Beschluß des FG war aufzuheben und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückzuweisen. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO) an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide, soweit in diesen davon ausgegangen wurde, daß die ursprünglich beschlossenen Gewinnausschüttungen mit dem verwendbaren Eigenkapital zu verrechnen sind.
Die Ausschüttung ist zwar noch nicht mit dem Gewinnverteilungsbeschluß bewirkt, sondern erst mit dem Vermögensabfluß aufgrund des Gewinnverteilungsbeschlusses (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Dezember 1987 I R 260/ 83, BFHE 151, 554). Der Vermögensabfluß ist bezüglich der strittigen Gewinnausschüttungen bereits eingetreten. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Beschluß des FG, jedoch aus den dem Senat vorliegenden Akten (vgl. Schreiben der Antragstellerin vom 27. Februar 1985 an das FA, in dem von einer Rückerstattung der ursprünglich ausgeschütteten Beträge ausgegangen wird). Der Senat kann in dem Beschwerdeverfahren eigene Ermittlungen anstellen (vgl. BFH-Beschluß vom 12. Februar 1969 VII B 60/66, BFHE 95, 84, BStBl II 1969, 318). Durch die Aufhebung der Gewinnverteilungsbeschlüsse wird die durch den Vermögensabfluß eingetretene Wirkung nicht beseitigt. Dem Steuerrecht ist eine Rückbeziehung von Vorgängen, soweit dies nicht gesetzlich ausdrücklich bestimmt ist, fremd (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 38 AO 1977 Tz. 5).
Bei summarischer Betrachtung der Rechtslage tritt die Wirkung des Vermögensabflusses auch dann ein, wenn durch die Ausschüttung das zur Erhaltung des Stammkapitals der Antragstellerin erforderliche Vermögen gemindert wurde und daher ein Anspruch gemäß § 31 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gegen die Gesellschafter entstanden ist. Ein derartiger Anspruch steht dem Vermögensabfluß nicht entgegen. Die Befriedigung des Erstattungsanspruches gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG ist eine Einlage, die die Folgen der erfolgten Ausschüttung unberührt lassen (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1987 I R 176/83, BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733 zur Rückgewähr einer verdeckten Gewinnausschüttung aufgrund einer Satzungsklausel).
Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 9. Oktober 1985 I R 193/84 (BFHE 144, 565, BStBl II 1986, 93) berufen. Soweit sich aus dem Urteil ergibt, daß die Ausschüttungsverpflichtung bereits zu einer Eigenkapitalminderung führt, hält der Senat an dieser Rechtsansicht nicht mehr fest (Urteil in BFHE 151, 554).
Das BFH-Urteil vom 30. März 1983 I R 178/79 (BFHE 138, 236, BStBl II 1983, 512) erging zu der vor Inkrafttreten des KStG 1977 geltenden Rechtslage. Danach kam für das Einkommen in Höhe der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen ein ermäßigter Körperschaftsteuersatz zur Anwendung (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG a.F.). Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen waren die aufgrund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen für Wirtschaftsjahre, die bei der Veranlagung zu berücksichtigen waren. Dies war für die Rechtsprechung Anlaß, allein darauf abzustellen, ob und inwieweit ein den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechender Gewinnverteilungsbeschluß gefaßt wurde. Sie konnte dabei Änderungen bereits gefaßter Gewinnverteilungsbeschlüsse berücksichtigen, soweit dies handelsrechtlich zulässig war. Das KStG 1977 stellt demgegenüber - wie ausgeführt - für das Herstellen der Ausschüttungsbelastung auf den Vermögensabfluß ab. Ob dem Vermögensabfluß ein den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechender Gewinnverteilungsbeschluß zugrunde liegt, ist für das Eigenkapital von Bedeutung, mit dem die Gewinnausschüttung zu verrechnen ist (vgl. § 29 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KStG 1977 und § 28 Abs. 2 KStG 1977/1984) und für den Veranlagungszeitraum, in dem die Erhöhung bzw. Minderung der Körperschaftsteuer eintritt (§ 27 Abs. 3 KStG 1977).
Zutreffend ist die Ansicht der Antragstellerin, daß die Ansicht des Senats zum Nachteil beim Verlustrücktrag führen kann. Die Kapitalgesellschaft ist gehindert, einen Gewinnverteilungsbeschluß mit Wirkung auf das Steuerrecht rückgängig zu machen, der wegen des § 8 Abs. 4 KStG 1977 zu einer Beschränkung des Verlustrücktrags führt. Dies liegt im System der vom KStG 1977 getroffenen Regelung (vgl. Urteil in BFHE 151, 554).
Fundstellen
Haufe-Index 415652 |
BFH/NV 1989, 460 |