Leitsatz (amtlich)
1. Werden durch ein Urteil des FG beide Beteiligte beschwert, so können sie im Rahmen ihrer Beschwer unabhängig voneinander Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision einlegen. Jede Beschwerde ist gesondert auf ihre Zulässigkeit und ihre Begründetheit zu überprüfen.
2. Grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtsfrage, ob die für eine Vorschenkung gemäß § 21 ErbStG 1959 gewährte Steuervergünstigung auch bei der Zusammenrechnung dieser Vorschenkung mit späteren Erwerben aus der Zeit nach dem 31.Dezember 1973 zu gewähren ist.
Orientierungssatz
1. Ist die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) des FA unzulässig, die NZB des Klägers dagegen begründet, so ist die Zulassung der Revision für beide Beteiligte wirksam (vgl. BFH-Urteil vom 30.1.1970 IV 2/65). Die Kosten der unzulässigen Beschwerde hat das FA zu tragen (§ 135 Abs. 2 FGO). Die Kosten der erfolgreichen Beschwerde des Klägers sind Teil der Kosten des Revisionsverfahrens. Über sie kann im Beschwerdeverfahren deshalb noch nicht entschieden werden (vgl. BFH-Beschluß vom 29.7.1976 V B 10/76).
2. Steht dem Beteiligten wegen einer Verfahrensrüge (hier: Fehlen von Gründen hinsichtlich einer bestimmten Rechtsfrage --§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO--) die zulassungsfreie Revision zu und legt er neben der Revision auch Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) ein, weil er für ungewiß hält, ob eine zulassungsfreie Revision gegeben ist, so fehlt der NZB das Rechtsschutzbedürfnis. Die NZB ist unzulässig; andere Beurteilung nur dann, wenn der Beteiligte zugleich eine andere, durch § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht gedeckte Verfahrensrüge erheben wollte.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3; ErbStG § 21; ErbStG 1974 §§ 14, 27; FGO § 135 Abs. 2, § 143 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), durch das die Klage teilweise abgewiesen wurde, haben beide Beteiligte wegen der Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt. Darüber hinaus hat das beklagte Finanzamt (FA) eine auf § 116 Abs.1 Nr.5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Revision eingelegt.
Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage geltend gemacht. Das FA hat seine Beschwerde darauf gestützt, daß ein Verfahrensmangel vorliege. Verletzt sei § 119 Nr.6 FGO. Die gleichzeitige Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision sei in Fällen möglich, in denen es ungewiß sei, ob eine zulassungsfreie Revision gegeben sei. Ein derartiger Fall liege vor.
Zur Begründung des gerügten Verfahrensfehlers hat das FA ausgeführt:
Das FG habe bei seiner Berechnung der Erbschaftsteuer die Rentenverpflichtung gegenüber der Mutter des Klägers entsprechend seinem Erbteil von einem Drittel zu einem Drittel (*= 591 370 DM) als Nachlaßverbindlichkeit abgezogen. Es habe aber nicht begründet, warum das FG von dem in der Erbschaftsteuererklärung begehrten Abzug von 365 252 DM abgewichen sei. Hierin liege eine Verletzung des § 119 Nr.6 FGO.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist unzulässig, die des Klägers dagegen begründet.
Werden beide Beteiligte (wie im vorliegenden Fall) durch ein Urteil des FG beschwert, so dürfen beide im Rahmen ihrer Beschwer wegen der Nichtzulassung der Revision Beschwerde einlegen, soweit sie geltend machen, daß im Ausmaß ihrer Beschwer die Voraussetzungen des § 115 Abs.2 FGO vorliegen. Jede Beschwerde ist gesondert auf ihre Zulässigkeit und ihre Begründetheit hin zu überprüfen (vgl. den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 12.August 1981 4 AZN 166/81, Arbeitsrechtliche Praxis --AP--, § 72a des Arbeitsgerichtsgesetzes 1979 --ArbGG-- Nr.11).
Diese Prüfung ergibt, daß dem FA für seine mit der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, das Urteil des FG sei hinsichtlich der Höhe des Abzuges der Rentenverpflichtung nicht mit Gründen versehen, das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn ihm steht wegen dieser Rüge die zulassungsfreie Revision gemäß § 116 Abs.1 Nr.5 FGO zur Verfügung, die es auch eingelegt hat.
Wenn das FA in diesem Zusammenhang darauf hinweist, es habe die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb eingelegt, weil es ungewiß sei, ob eine zulassungsfreie Revision gegeben sei, so ändert dies nichts an dem Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses. Denn das FA rügt auch mit seiner Beschwerde lediglich das Fehlen von Gründen hinsichtlich einer bestimmten Rechtsfrage. Diese Rüge kann nicht unterschiedlich beurteilt werden, je nach dem, ob sie im Rahmen einer zulassungsfreien Revision oder im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde erhoben wird.
Anders wäre die Beurteilung nur dann, wenn das FA zugleich eine andere durch § 116 Abs.1 Nr.5 FGO nicht gedeckte Verfahrensrüge erheben wollte. Dies läßt sich jedoch seinem Vortrag nicht entnehmen.
Aus der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde kann allenfalls gefolgert werden, daß das FG bei der Berechnung des Betrages der abzugsfähigen Rentenverpflichtung einem Rechtsirrtum hinsichtlich des Ausmaßes der den Kläger belastenden Rentenverpflichtung unterlegen ist. Nach Auffassung des FA hat es nämlich nicht berücksichtigt, daß die Rentenverpflichtung deshalb nicht zu je einem Drittel von den Erben zu tragen sei, weil ein Teil der Rentenverpflichtung nicht den Nachlaß unmittelbar belaste, sondern vielmehr die A KG verpflichte, an der der Erblasser lediglich zu 32,5 v.H. beteiligt gewesen sei, wie sich dies bereits aus der Erbschaftsteuererklärung ergebe. Ein derartiger Irrtum beinhaltet keinen Verfahrensfehler, sondern einen Entscheidungsfehler (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Tz.183), der nicht zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs.2 Nr.3 FGO führen kann.
Die Beschwerde des Klägers führt demgegenüber zur Zulassung der Revision, die für beide Beteiligte wirksam ist (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.Januar 1970 IV 2/65, BFHE 98, 326, BStBl II 1970, 383).
Grundsätzlich ist die Frage, ob die bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens innerhalb kurzer Zeit gemäß § 21 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 bei einem Erwerb unter Lebenden gewährte Steuervergünstigung auch noch zu berücksichtigen ist, wenn dieser Erwerb aus der Zeit vor dem 1.Januar 1974 aufgrund des § 14 ErbStG 1974 mit einem Erwerb aus der Zeit nach dem 31.Dezember 1973 zusammenzurechnen ist, oder ob die Steuervergünstigung bei der Zusammenrechnung deshalb entfällt, weil die Nachfolgevorschrift des § 21 ErbStG 1959 (: § 27 ErbStG 1974) die Vergünstigung nicht mehr für Erwerbe unter Lebenden vorsieht. Diese Frage ist bisher durch den Senat noch nicht geklärt.
Daß das FA die Kosten seiner Beschwerde zu tragen hat, folgt aus § 135 Abs.2 FGO. Die Kosten der erfolgreichen Beschwerde des Klägers sind Teil der Kosten des Revisionsverfahrens. Über sie kann deshalb noch nicht entschieden werden (vgl. Beschluß vom 29.Juli 1976 V B 10/76, BFHE 119, 380, 383, BStBl II 1976, 684).
Fundstellen
Haufe-Index 61789 |
BStBl II 1987, 785 |
BFHE 150, 445 |
BFHE 1987, 445 |
DStR 1987, 706-706 (ST) |
DStZ/E 1987, 341-341 (S) |