Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung des verbleibenden Verlustes nach § 10d EStG
Leitsatz (NV)
- Ist für einen Veranlagungszeitraum bereits ein Einkommensteuerbescheid ergangen und hat dieser keinen Verlust ausgewiesen, so ist für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheides i.S. des § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG 1990 Voraussetzung, dass der betreffende Steuerbescheid, der bisher keinen Verlust auswies, noch entsprechend geändert werden kann.
- Eine solche Änderungsmöglichkeit des Steuerbescheides ist auch Voraussetzung im Falle des § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG 1990, der anzuwenden ist, wenn die Änderung des Steuerbescheides, der bisher keinen Verlust auswies, allein wegen mangelnder steuerlicher Auswirkung unterbleibt.
Normenkette
EStG 1990 § 10d Abs. 3; FGO §§ 118, 142
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) hielten zu gleichen Teilen sämtliche Anteile an der … GmbH. Am 27. Februar 1991 veräußerten sie ihre Geschäftsanteile zum Kaufpreis von 25 000 DM unter Hinnahme eines Verlustes.
In der Steuererklärung 1991, an der ein Steuerberater mitgewirkt hatte, erklärten die Kläger in der Anlage GSE keinen Veräußerungsverlust, sondern positive gewerbliche Einkünfte aus einer anderen Beteiligung an einer KG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte der Steuererklärung und setzte die Einkommensteuer 1991 mit Bescheid vom 8. Juni 1993 auf 0 DM fest. Den Antrag der Kläger vom 21. März 1995, den bestandskräftigen Bescheid 1991 zu ändern und einen Veräußerungsverlust gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 269 663 DM zu berücksichtigen, lehnte das FA ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg, die anschließend erhobene Klage nahmen die Kläger mit Schreiben vom 13. März 1997 zurück.
Am 12. Juni 1995 beantragten die Kläger, gemäß § 10d Abs. 3 EStG einen zum 31. Dezember 1991 verbleibenden Verlust bei der Einkommensteuer in Höhe von 267 436 DM gesondert festzustellen. Das FA lehnte dies mit Bescheid vom 9. April 1997 ab, den Einspruch wies es mit Bescheid vom 28. April 1998 zurück. Die Klage, mit der die Kläger ihren Antrag weiter verfolgten, hatte keinen Erfolg, das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 454 veröffentlicht.
Die Kläger legten mit Schreiben vom 17. März 1999 die im Urteil des Finanzgerichts (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision ein und beantragten Prozesskostenhilfe (PKH).
Entscheidungsgründe
II. Dem Antrag auf Bewilligung von PKH für das Revisionsverfahren kann nicht entsprochen werden. Der (zulässige) Antrag auf Gewährung von PKH ist unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―).
1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten setzen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers voraus. Das ist hier nicht der Fall.
2. Die gebotene summarische Betrachtung (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 142 Anm. 18) führt zu dem Ergebnis, dass das FG ohne Rechtsverstoß die von den Antragstellern erhobene Klage abgewiesen hat und damit die Revision gegen das Urteil des FG keine Erfolgsaussichten bietet.
a) Zu Recht hat das FG ausgeführt, im Streitfall ergebe sich kein festzustellender verbleibender Verlustabzug i.S. von § 10d Abs. 3 EStG, da der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 1991 einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ausweise und die Berücksichtigung eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte 1991, der sich bei Ansatz des Veräußerungsverlustes ergeben würde, wegen der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides nicht möglich sei.
Der Senat verweist hierzu auf sein Urteil vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97 (BFHE 187, 523, BFH/NV 1999, 1002), das das FG noch nicht kennen konnte, als es die Revision gegen sein Urteil zuließ. Danach ist es in Fällen, in denen bereits ein Einkommensteuerbescheid für den betreffenden Veranlagungszeitraum ergangen ist und dieser keinen Verlust ausgewiesen hat, Voraussetzung für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheides i.S. des § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG, dass der zugrunde liegende ―bisher keinen Verlust ausweisende― Steuerbescheid noch entsprechend geändert werden kann. Eine solche Änderungsmöglichkeit des Steuerbescheides ist auch Voraussetzung im Falle des § 10d Abs. 3 Satz 5 EStG, der (nur) anzuwenden ist, wenn die Änderung des zugrunde liegenden, auf 0 DM lautenden Steuerbescheides allein wegen der mangelnden steuerlichen Auswirkung unterbleibt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 13. November 1998 XI B 155/97, BFH/NV 1999, 469).
b) Bei der gebotenen summarischen Prüfung ist nicht erkennbar, dass das FG eine Änderungsbefugnis zugunsten der Kläger nach §§ 172 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) zu Unrecht verneint hätte. Die Tatsache des 1991 eingetretenen Veräußerungsverlustes ist nach den überzeugenden Ausführungen des FG nicht ohne grobes Verschulden der steuerkundig vertretenen Kläger bei der Einkommensteuerveranlagung 1991 unberücksichtigt geblieben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die ―nach Feststellungen des FG in geschäftlichen Angelegenheiten nicht unbewanderten― Kläger eine entsprechende Unterrichtung ihres Steuerberaters unterlassen haben oder dieser nicht die richtigen steuerlichen Folgerungen aus dem Sachverhalt gezogen hat.
Inwiefern der Veräußerungsverlust nur auf Grund des erst im Juli 1993 erstellten Jahresabschlusses 1991 der GmbH ermittelt werden konnte und er deshalb ohne Verschulden der Kläger nachträglich bekannt wurde ―wie diese in der Begründung der Revision ohne nähere Spezifizierung vortragen― kann dabei dahingestellt bleiben, da es sich insoweit um nachträgliches Vorbringen der Kläger handelt (§ 118 Abs. 2 FGO).
Dass das FG ―wie die Kläger vortragen― aus dem Begriff "Kaufmann" Folgerungen hinsichtlich des Vorliegens von Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit bei den Klägern gezogen habe, die die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze verletzten, ist bei summarischer Prüfung nicht festzustellen. Die hierzu vom FG getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Sachverhalts haben die Kläger im Übrigen nicht angegriffen.
c) Dem FG ist auch darin zuzustimmen, dass der Rechtsschutz der Kläger nicht beeinträchtigt wurde. Hätten die Kläger im Streitfall rechtzeitig im Rahmen der Veranlagung 1991 den Veräußerungsverlust geltend gemacht bzw. den Erlass eines entsprechenden Feststellungsbescheides beantragt, so wäre auch ein solcher Feststellungsbescheid über den verbleibenden Verlustabzug erlassen worden. Die erst nach Ablauf der Einspruchsfrist beantragte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs hat wegen der fehlenden Änderungsmöglichkeit nach §§ 172 ff. AO 1977 nunmehr im Interesse der Sicherung der Bestandskraft des vorausgehenden Steuerbescheides zu unterbleiben. Andernfalls könnte durch den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheides ein in einem bestandskräftigen Steuerbescheid enthaltener Fehler in einem späteren Veranlagungszeitraum korrigiert werden (vgl. BFH in BFHE 187, 523, BFH/NV 1999, 1002).
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; Gerichtsgebühren sind nicht entstanden (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; § 1 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen
Haufe-Index 422719 |
BFH/NV 2000, 944 |