Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der Wiedereinsetzung in Beziehung auf die Versäumung der Beschwerdefrist
Leitsatz (NV)
1. Die Frist, innerhalb derer die Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen sind, beträgt wie die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwei Wochen und beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses.
2. Für die Ermittlung des Zeitpunktes, zu dem das Hindernis wegfiel (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO), ist danach zu unterscheiden, ob derjenige, um dessen Verschulden es geht, von der Fristversäumnis wußte oder nicht.
3. Wußte die betreffende Person von der Fristversäumnis nicht, so richtet sich der Fristbeginn danach, wann sie von der Fristversäumnis Kenntnis erlangt hat bzw. bei ordnungsmäßiger Erledigung ihrer Angelegenheiten hätte Kenntnis erlangen können; hierfür ist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem Zweifel an der Fristwahrung hätten auftauchen müssen, bei deren Weiterverfolgung die Fristversäumnis aufgedeckt worden wäre.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, 2 Sätze 1, 4; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Mit Beschluß hat das FG den Antrag des Beschwerdeführers (Bf.) die Vollziehung des USt-Änderungsbescheides 1981 in Höhe von . . . DM auszusetzen, als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat in diesem Beschluß die Beschwerde zugelassen. Der Beschluß ist dem Prozeßbevollmächtigten des Bf. am 26. Juni 1984 zugestellt worden.
Gegen diesen Beschluß hat der Bf., vertreten durch seinen Prozeßbevollmächtigten, mit Schriftsatz vom 17. Juli 1984, beim FG eingegangen am 19. Juli 1984, Beschwerde eingelegt. Auf einen Hinweis der Geschäftsstelle des BFH vom 8. August 1984, zugestellt am 14. August 1984, daß die Beschwerdefrist versäumt worden sei, hat der Prozeßbevollmächtigte namens des Bf. mit dem am selben Tage eingegangenen Schriftsatz vom 28. August 1984 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung macht er geltend, die Frist sei nicht schuldhaft versäumt worden: Er sei in Urlaub gewesen und sei von seinem Kanzleikollegen vertreten worden. Dieser leide an altersbedingter Vergeßlichkeit und habe irrtümlich angenommen, daß die Beschwerdefrist einen Monat betrage.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Bf. wird als unzulässig verworfen. Denn der Bf. hat die Beschwerdefrist versäumt, und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.
1. Die Beschwerde ist nicht rechtzeitig eingelegt worden. Die Frist für die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung beträgt zwei Wochen von der Bekanntgabe der Entscheidung ab (§ 129 Abs. 1 der FGO). Aufgrund der Zustellung der finanzgerichtlichen Entscheidung am 26. Juni 1984 war der letzte Tag der Beschwerdefrist der 10. Juli 1984. Die Beschwerdeschrift ist jedoch erst am 19. Juli 1984 beim FG eingegangen.
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten an der Fristversäumnis, das der Bf. sich wie eigenes Verschulden anrechnen lassen muß (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO), bereits darin liegt, daß der Prozeßbevollmächtigte für die Zeit seiner urlaubsbedingten Abwesenheit mit seiner Vertretung einen Kanzleikollegen betraut hat, der an altersbedingter Vergeßlichkeit leidet und der damit im Zusammenhang von einer unzutreffenden Dauer der Beschwerdefrist ausgegangen ist. Selbst wenn diesbezügliche Erwägungen zurückgestellt werden, muß dem Bf. die Wiedereinsetzung versagt werden, weil Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rechtzeitig dargelegt worden sind.
Gemäß § 56 Abs. 1 und 2 Satz 4 FGO wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Frist, innerhalb derer die Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen sind, beträgt wie die Antragsfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) zwei Wochen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1973 IV R 204/69, BFHE 110, 232, BStBl II 1973, 823) und beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses (vgl. Gräber, FGO, § 56 Rdnr. 11 mit Rechtsprechungsnachweisen). Für die Ermittlung des Zeitpunktes des Wegfalles des Hindernisses ist danach zu unterscheiden, ob derjenige, um dessen Verschulden es geht, von der Fristversäumnis wußte oder nicht.
Wird zugunsten des Bf. angenommen, daß letzteres der Fall war, dann ist der Wegfall des Hindernisses zwar nicht bereits mit dem Fristende (Ablauf des 10. Juli 1984) eingetreten, sondern richtet sich danach, wann der Prozeßbevollmächtigte des Bf. von der Fristversäumnis Kenntnis erlangt hat oder bei ordnungsmäßiger Erledigung seiner Angelegenheit hätte Kenntnis haben müssen; hierfür ist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem Zweifel an der Fristwahrung hätten auftauchen müssen, bei deren Weiterverfolgung die Fristversäumnis aufgedeckt worden wäre (vgl. Gräber, a.a.O., § 56 Rdnr. 9 mit weiteren Nachweisen).
Dieser Zeitpunkt ist auf den 17. Juli 1984 anzusetzen, d.h. auf den Tag, an dem der Prozeßbevollmächtigte die Beschwerdeschrift unterzeichnet hat. Zu diesem Zeitpunkt hätte er sich Gewißheit über die Dauer der Beschwerdefrist verschaffen müssen. Dies war vor allem im Hinblick auf die gebotene Prüfung erforderlich, ob etwa für die Übermittlung der Beschwerdeschrift eine besonders rasche Beförderung gewählt werden müsse. Bei solchem Verhalten wäre der Prozeßbevollmächtigte imstande gewesen, rechtzeitig um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachzusuchen. Mithin ist davon auszugehen, daß innerhalb der vom Gesetz hierfür vorgesehenen Frist Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen können, nicht vorgetragen worden sind.
Fundstellen
Haufe-Index 413799 |
BFH/NV 1986, 99 |