Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Verschulden
Leitsatz (NV)
Eine mit der Führung des Fristenkontrollbuchs beauftragte Steuerberaterin muss wissen, dass bei Zustellung einer Entscheidung mit Postzustellungsurkunde für die Fristberechnung der Tag der Zustellung zu Grunde zu legen ist.
Normenkette
FGO § 56
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Mit Beschluss vom 2. Juni 2004 hat der Senat die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 15. Juli 2002 7 K 5423/99 E zugelassen. Dieser Beschluss wurde den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) am 15. Juni 2004 zugestellt. Revision wurde mit Schriftsatz ohne Datum eingelegt, der per Fax am 19. Juli 2004 beim Bundesfinanzhof (BFH) einging. Nachdem die Kläger durch Schreiben des Gerichts auf die Fristversäumnis aufmerksam gemacht worden waren, beantragten sie mit Schriftsatz vom 27. Juli 2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Klägervertreter trägt vor, dass ihn an der Fristversäumnis kein Verschulden treffe. Die mit der Führung des Fristenkontrollbuchs beauftragte Person habe den Zugang des Zulassungsbeschlusses im Hinblick auf die Zustellungsfiktion nach § 122 der Abgabenordnung (AO 1977) auf den 17. Juni 2004 vermerkt und nicht das tatsächliche Datum eingesetzt. Da der 17. Juli 2004 auf einen Samstag gefallen sei, habe man den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf den 19. Juli 2004 angenommen. Die das Fristenkontrollbuch führende Mitarbeiterin habe stets sorgfältig und zuverlässig gearbeitet.
Der Klägervertreter hat eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin vorgelegt, wonach diese angibt, "den Eingang der Revisionsschrift falsch in das von" ihr "stets geführte Fristenkontrollbuch eingesetzt" zu haben. Obwohl man sie schon seit mehreren Jahren mit der Fristenkontrolle betraut habe, sei es noch nie zu einem ähnlichen Fall gekommen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 unter Berücksichtigung einer Ansparrücklage von 300 000 DM zu ändern.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig. Sie ist entgegen § 120 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht innerhalb der Begründungsfrist, die am 15. Juli 2004 ablief, begründet worden, sondern erst am 19. Juli 2004.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kann nicht gewährt werden, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht glaubhaft gemacht worden sind (§ 56 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 FGO). Der Hinweis darauf, dass die mit der Führung des Fristenkontrollbuchs beauftragte Person bei Notierung der Revisionsbegründungsfrist nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses des Senats von der Geltung der für die Bekanntgabe von Steuerbescheiden maßgebenden Dreitagesfrist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ausgegangen sei, wird durch die eidesstattliche Versicherung dieser Person, der Steuerberaterin T nicht bestätigt. Diese hat lediglich versichert, "den Eingang der Revisionsschrift falsch" in das von ihr geführte Fristenkontrollbuch eingetragen zu haben. Weiter abgesehen davon, dass dieser Vortrag der Glaubhaftmachung durch eine Kopie der betreffenden Seiten des Fristenkontrollbuchs bedurft hätte (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 36, 42, 20, Stichworte: "Büroversehen" und "Prozessbevollmächtigter"), musste die mit Führung des Fristenkontrollbuchs beauftragte T als Steuerberaterin auch wissen, dass bei Zustellung einer Entscheidung mit Postzustellungsurkunde für die Fristberechnung der Tag der Zustellung zu Grunde zu legen ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 56 Rz. 20 "Fristenkontrolle", m.w.N.). Dieses Verschulden ist dem Prozessbevollmächtigten und den Klägern zuzurechnen.
Fundstellen