Leitsatz (amtlich)
Zur zolltariflichen Abgrenzung zwischen Schnittholz und weiterbearbeitetem Holz.
Normenkette
GZT Tarifnr. 44.05; GZT Tarifnr. 44.13
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nach Art. 177 Abs. 1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Fragen vorgelegt:
Ist die Tarifnr. 44.05 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) dahin auszulegen, daß sie in der Längsrichtung gesägtes Balsaholz mit einer Dicke von mehr als 5 mm erfaßt, das auf zwei gegenüberliegenden Schmalseiten so geglättet worden ist, daß keine Spuren des ursprünglichen Sägeschnitts mehr zu erkennen sind?
Bei Verneinung dieser Frage:
Wird eine solche Ware von der Tarifnr. 44.13 GZT erfaßt?
Ein dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt – HZA –) unterstehendes Zollamt (ZA) fertigte auf Antrag der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) am 6. Oktober, 20. Oktober und 8. Dezember 1978 449 Bündel Balsaholz aus Ecuador zum freien Verkehr ab. In den Zollanmeldungen war das Holz bezeichnet als „Balsa-Schnittzolz, Holz in der Längsrichtung gesägt, aber nicht weiterbearbeitet, Laubholz mit einer Stärke von 52 mm und mehr”. Nach Beschau sah das ZA das Holz (381 Bündel) als gehobelt an, wies es der Tarifnr. 44.13 GZT zu („Holz …, gehobelt, genutet, gefedert, gekehlt, gefalzt, abgeschrägt oder in ähnlicher Weise bearbeitet”) und erhob entsprechend die Zölle nach einem Zollsatz von 5 %.
Entscheidungsgründe
Die Klage hatte Erfolg.
Die Entscheidung in der Sache hängt von der Auslegung der Tarifnr. 44.05 GZT ab. Diese Bestimmung des Gemeinschaftsrechts war bisher, soweit ersichtlich, noch nicht Gegenstand der Auslegung durch den EuGH. Zudem hat es den Anschein, als ob die Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (ErlNRZZ) zur Tarifnr. 44.05 GZT nicht im Einklang stehen mit dem Wortlaut der Tarifnr. 44.05 GZT. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die richtige Anwendung der Tarifnr. 44.05 GZT nicht derart offenkundig, daß für einen vernünftigen Zweifel kein Raum sei. Der Senat ist daher nach Art. 177 Abs. 3 EWGV zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet (vgl. auch EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415).
Für die Tarifierung der streitigen Ware ist weder die Art und Weise ihrer Herstellung noch ihr späterer Verwendungszweck maßgebend, sondern allein ihre objektive Beschaffenheit im Zeitpunkt der Stellung des Zollantrags (vgl. z. B. EuGH-Urteil vom 23. März 1972 Rs. 36/71, EuGHE 1972, 187). Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) enthält nur indirekte Feststellungen über die objektive Beschaffenheit der Ware. Der Entscheidung kann aber mit genügender Sicherheit entnommen werden, daß es sich um Vierkant-Balsaholz mit einer Dicke von mehr als 5 mm handelt, das auf zwei gegenüberliegenden Schmalseiten so geglättet ist, daß keine Spuren des ursprünglichen Sägeschnitts mehr zu sehen sind.
Die Tarifnr. 44.05 GZT gilt für Holz, das nur gesägt, gemessert oder geschält, nicht aber weiterbearbeitet ist. Das streitige Holz ist an zwei gegenüberliegenden Schmalseiten geglättet. Diese Glättung kann die Ware nur durch eine Bearbeitung erfahren haben, die kein Sägen, Messern oder Schälen im Sinne der Tarifnr. 44.05 GZT war. Die streitbefangene Ware hat demnach eine darüber hinausgehende Bearbeitung erfahren. Ihrem Wortlaut nach erfaßt die Tarifnr. 44.05 GZT die streitige Ware also nicht.
Dieses Tarifierungsergebnis steht nicht ohne weiteres im Einklang mit den ErlNRZZ in Teil I der Erläuterungen zum Zolltarif (ErlZT) zur Tarifnr. 44.05 Rdnr. 3. Diese sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH maßgebliche Erkenntnismittel bei der Auslegung des GZT. Nach den genannten Erläuterungen gibt es Weiterbearbeitungen von Holz über das Sägen, Messern oder Schälen hinaus, die die Ware nicht von der Tarifnr. 44.05 GZT ausschließen (Entfernung gewisser Unebenheiten durch grobes Hobeln). Nach dem Tarifentscheid der EWG vom 18. Mai 1972 Dok. GUD/401/72 D – Rev. 1 (ErlZT zur Tarifnr. 44.05 Teil III Rdnrn. 4 bis 7) ist auch das Egalisieren von durch hohe Sägegeschwindigkeit entstandenen Ungenauigkeiten mit einer besonderen Maschine unschädlich. Nach diesen Erläuterungen hindern also, entgegen dem Wortlaut der Tarifnr. 44.05 GZT, auch bestimmte andere Bearbeitungen von Holz als Sägen, Messern oder Schälen nicht die Einreihung einer Ware in die Tarifnr. 44.05 GZT. Es stellt sich die Frage, ob die Erläuterungen unter diesen Umständen Berücksichtigung finden können.
Falls auf die Erläuterungen abgestellt werden kann, ergibt sich die Frage, welche Bearbeitungen der Einordnung einer Ware in die Tarifnr. 44.05 GZT nicht entgegenstehen. Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen den Tarifnrn. 44.05 und 44.13 GZT muß entnommen werden, daß es sich dabei nur um wenig intensive Bearbeitungen handeln kann. Ob die Glättung der beiden Schmalseiten des streitigen Vierkant-Balsaholzes eine solche Bearbeitung ist, ist zweifelhaft. Der erkennende Senat ist jedenfalls der Auffassung, daß sich im Gegensatz zur Ansicht des HZA aus den genannten ErlNRZZ nicht entnehmen läßt, daß grundsätzlich dann, wenn die Glättung die Spuren des Sägeschnittes zum Verschwinden gebracht hat, eine weitergehende Bearbeitung im Sinne der Tarifnr. 44.13 GZT vorliegt. Diese Erläuterung ist vielmehr als ein Hinweis auf eine bestimmte, noch zulässige Bearbeitung anzusehen, die einem Umkehrschluß nicht ohne weiteres zugänglich ist. Das wird belegt durch den zitierten EWG-Tarifentscheid; die in diesem Entscheid als nicht schädlich angesehene Egalisierung führt offenbar auch dazu, daß die Spuren des Sägeschnitts voll entfernt werden.
Der Senat geht davon aus, daß, falls die an dem streitigen Holz vorgenommene Bearbeitung dieses von der Tarifnr. 44.05 GZT ausschließt, nach der Systematik des GZT nur eine Zuweisung zu der Tarifnr. 44.13 GZT in Frage kommt. Falls das zutrifft, ist eine nach der Tarifnr. 44.05 GZT schädliche Bearbeitung stets eine Bearbeitung „in ähnlicher Weise” im Sinne der Tarifnr. 44.13 GZT. Auf dieses Problem bezieht sich die zweite der beiden gestellten Fragen.
Fundstellen
Haufe-Index 510625 |
BFHE 1985, 103 |