Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Richters wegen Mitwirkung im Verwaltungsverfahren
Leitsatz (NV)
1. Wird ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter darauf gestützt, daß ein gesetzlicher Ausschluß von der Ausübung des Richteramts gegeben sei, so ist gegen den das Gesuch zurückweisenden Beschluß des FG die Beschwerde statthaft.
2. Eine Mitwirkung im Verwaltungsverfahren im Sinne des §51 Abs. 2 FGO liegt nicht vor, wenn die Tätigkeit dem angefochtenen Verwaltungsakt weder vorausgegangen ist, noch ihn vorbereitet hat oder eine andere Steuerart betrifft.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 128; ZPO § 46 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) zu 1, eine Personengesellschaft, deren Mehrheitsgesellschafter der Kläger zu 2 war, unterhielt in den Streitjahren 1981 bis 1989 einen Handel mit Kraftfahrzeugen (Kfz). Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung gelangte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) zu der Auffassung, im Streitzeitraum seien Fahrzeuggeschäfte außerhalb der Buchführung getätigt worden. Aus dem Kauf von Grundbesitz durch den Kläger zu 2 in einem Umfang von ... Mio. DM folgerte das FA, daß 20 v. H. dieses Betrages Eigenkapital hätten sein müssen, die nur durch den Kfz-Handel erwirtschaftet worden sein könnten. Gegen die im Anschluß an die Prüfung ergangenen geänderten Bescheide über Umsatzsteuer, Gewinnfeststellung und Gewerbesteuermeßbeträge haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie u. a. vortragen, die Grundstückserwerbe seien vollständig fremd finanziert worden. In diesem Zusammenhang verweisen sie auch auf die Haus ertragsrechnungen, die dem FA mit den Einkommensteuererklärungen des Klägers zu 2 zugegangen seien.
Mit Schriftsatz vom 5. August 1996 regte das FA die Prüfung an, ob der zuständige Berichterstatter Richter A nach §51 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Richter in diesem Verfahren ausgeschlossen sei. A war von November 1986 bis Juli 1988 als Sachgebietsleiter bei dem FA tätig gewesen und hatte in dieser Eigenschaft die geänderten Einkommensteuerveranlagungen 1983 und 1984 des Klägers zu 2 verantwortlich abgezeichnet. In einer dienstlichen Äußerung führte A aus, er sei ausschließlich für die persönliche Besteuerung des Klägers zu 2 zuständig gewesen; mit der Klägerin zu 1 habe er bei dem FA nie etwas zu tun gehabt. Die Grundstücksgeschäfte seien erst durch die Schätzung des FA aus dem Jahr 1993 ins Spiel gebracht worden. Während seiner Zeit als Sachgebietsleiter sei davon nicht die Rede gewesen.
Der ebenfalls dem zuständigen Senat angehörende Richter B war von März 1987 bis Oktober 1990 als Sachgebietsleiter für die Großbetriebsprüfung und Steuerfahndung beim FA X tätig. In seiner dienstlichen Stellungnahme legte er dar, er sei mit der Streitsache nicht befaßt gewesen, denn Prüfungsstelle sei die Amtsbetriebsprüfung des FA gewesen, und der zuständige Steuerfahndungsbeamte habe nicht zu seinem Sach gebiet gehört. Wie bei größeren Verfahren üblich sei er aber über den Stand der Angelegenheit informiert gewesen, allerdings ohne Detailkenntnisse.
Ohne Mitwirkung der Richter A und B entschied der Senat des Finanzgerichts (FG) durch Beschluß vom 14. März 1997, die Richter A und B seien von der Mitwirkung bei der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht ausgeschlossen. Zur Begründung führte der Senat aus, beide Richter hätten nicht bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren i. S. des §51 Abs. 2 FGO mitgewirkt.
Die Mitwirkung von A an der Einkommensteuerveranlagung des Klägers zu 2 beziehe sich auf ein anderes Verwaltungsverfahren. Vorliegend seien Umsatz und Gewinne der Klägerin zu 1 streitig, deren Ermittlung völlig unabhängig von der seinerzeitigen Einkommensteuerveranlagung des Klägers zu 2 sei.
B sei nicht von der Mitwirkung ausgeschlossen, weil er mangels Zuständigkeit mit der Sache selbst nicht befaßt gewesen sei.
Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, A sei von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen, weil unter dem Verwaltungsverfahren i. S. des §51 Abs. 2 FGO das gesamte Verfahren zu verstehen sei, das zu der gerichtlich zu überprüfenden Entscheidung geführt habe. Es umfasse vorliegend auch das Verfahren zur Einkommensteuerfestsetzung für den Kläger zu 2, denn die Durchführung der Steuerfestsetzung in zwei Verfahrensschritten sei nicht begrifflich geboten, sondern bezwecke nur die einheitliche Behandlung aller an den Einkünften Beteiligten sowie ein ökonomisches Verfahren im Interesse der Steuerverwaltung (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, §180 AO 1977 Tz. 7). §180 der Abgabenordnung (AO 1977) dürfe nicht dahin ausgelegt werden, daß im Hinblick auf die verfahrensmäßige Trennung eine unzutreffende Gewinnfeststellung hinzunehmen sei, selbst wenn die formale Trennung allein durch die vertragliche Gestaltung unter mißbräuchlicher Einschaltung Dritter erfolgt sei. Das maßgebliche Entnahmeverhalten des Gesellschafter-Geschäftsführers könne nur dann materiell-rechtlich zutreffend überprüft werden, wenn seine von ihm erklärten übrigen Besteuerungsmerkmale entweder im Rahmen der gerichtlichen Sachaufklärung oder im Rahmen eines -- hier gestellten -- Beweisantrags in die Rechtsfindung einbezogen würden.
Das FA beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung festzustellen, daß A von der Ausübung des Richteramtes in diesem Verfahren ausgeschlossen ist.
Die Kläger stellen keinen Antrag und erklären, sie hätten keinerlei Vorbehalte gegen die Besetzung des FG-Senats.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Gegen den Beschluß des FG, mit dem ein Ablehnungsgesuch zurückgewiesen wird, ist die Beschwerde gemäß §§51 Abs. 1 Satz 1, 128 FGO i. V. m. §46 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) statthaft (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217). Es kann dahinstehen, ob ein Rechtsmittel gegeben ist, wenn das FG von Amts wegen durch Beschluß darüber entscheidet, daß ein Richter nicht kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen ist, wie hier im Fall des B. Soweit die Mitwirkung des A betroffen ist, die allein den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet, beruht die Entscheidung des FG auf einem Gesuch des FA i. S. des §42 Abs. 1 1. Alt. ZPO. Das FA war deshalb zur Einlegung einer Beschwerde in bezug auf den Richter A befugt.
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Nach §51 Abs. 2 FGO ist von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Vorausgegangenes Verwaltungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des BFH das gesamte Verfahren, das zu der gerichtlich zu überprüfenden Entscheidung geführt hat (BFH- Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 31/93, BFH/NV 1995, 576, m. w. N.), allerdings nur insoweit, als eine finale Beziehung zwischen dem Verwaltungsverfahren und dem Erlaß des angefochtenen Verwaltungsakts besteht (Senatsurteil vom 14. Juli 1988 IV R 74/87, BFH/NV 1989, 441). Keine Mitwirkung am Verwaltungsverfahren i. S. des §51 Abs. 2 FGO liegt deshalb vor, wenn die Tätigkeit dem Verwaltungsakt weder vorausgegangen ist noch ihn vorbereitet hat oder eine andere Steuerart betrifft, selbst wenn ein identischer Lebenssachverhalt parallel zu werten gewesen sein sollte (Senatsurteil in BFH/NV 1989, 441). In diesem Sinne verschiedene Verwaltungsverfahren sind auch Gewinnfeststellung und Einkommensteuerfestsetzung, wobei die Einkommensteuerfestsetzung keine bindende oder vorgreifliche Wirkung für die Gewinnfeststellung hat, sondern jener gerade nachfolgt. Die Mitwirkung an der Einkommensteuerveranlagung führt demgemäß nicht zum Ausschluß vom Richteramt in einem Verfahren wegen der Gewinnfeststellung (Senatsbeschluß vom 13. März 1989 IV B 40/88, BFH/NV 1989, 793).
So verhält es sich auch im Streitfall. Eine Besonderheit ist nicht darin zu sehen, daß die Schätzung des FA in bezug auf Umsatz und Gewinn der Klägerin zu 1 in Zusammenhang mit den Immobilieninvestitionen des Klägers zu 2 steht. Die Höhe des ggf. eingesetzten Eigenkapitals für Grundstückskäufe hat für die aus den Grundstüken erzielten Einkünfte keine Bedeutung, soweit die angesetzten Schuldzinsen nicht zu beanstanden sind. Letzteres ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich. Hinzu kommt, daß ein Zusammenhang zwischen Vermietungseinkünften des Klägers zu 2 und Umsatz bzw. Gewinn der Klägerin zu 1 unstreitig erst zu einem Zeitpunkt gesehen wurde, als der abgelehnte Richter nicht mehr mit den Angelegenheiten des Klägers zu 2 befaßt war.
Der Hinweis des FA auf eine möglicherweise mißbräuchliche Zwischenschaltung der Klägerin zu 1 geht fehl. Will die Finanzbehörde Umsatz und Einkünfte aus dem Kfz- Handel in Wirklichkeit dem Kläger zu 2 unmittelbar zurechnen, muß sie die vorliegend angefochtenen Bescheide sämtlich aufheben und die Festsetzungen gegenüber dem Kläger zu 2 vornehmen. Erst in einem gerichtlichen Verfahren wegen Einkommensteuer 1983 und 1984 wäre dann der Richter von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen.
Fundstellen
Haufe-Index 66958 |
BFH/NV 1998, 176 |