Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerinnerung des vollmachtlosen Vertreters; Streitwert bei Rücknahme der Revision
Leitsatz (NV)
- Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist, wenn das Verfahren geendet hat ohne dass Revisionsanträge eingereicht wurden, nach der Beschwer zu bestimmen. Die Beschwer des Revisionsklägers ergibt sich regelmäßig aus dem Umfang seines Unterliegens im finanzgerichtlichen Verfahren.
- Für die Feststellung des Streitwerts kommt es nicht darauf an, welche Rechtsfragen im Streitfall zu entscheiden gewesen wären, wenn der Prozessbevollmächtigte die Revision nicht zurückgenommen hätte und welchen Schwierigkeitsgrad diese Rechtsfragen gehabt hätten.
- Nimmt der Prozessbevollmächtigte die Revision zurück, ohne seine Bevollmächtigung nachzuweisen und ohne dass der Kläger die Prozessführung anderweitig genehmigt hätte, so sind die Kosten dem Prozessbevollmächtigten aufzuerlegen, da davon auszugehen ist, dass er die Revision veranlasst hat.
Normenkette
GKG § 5 Abs. 1, § 11 Abs. 2, § 14 Abs. 1; FGO § 62 Abs. 3
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, die Revision ließ es nicht zu. Mit Schreiben vom 23. November 1998 legte der Kläger persönlich gegen das am … zugestellte Urteil "Widerspruch" ein und kündigte an, die Begründung innerhalb von vier Wochen nachzureichen. Ohne Bezugnahme auf dieses Schreiben des Klägers legte der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer), Rechtsanwalt A, als Prozessbevollmächtigter des Klägers am 30. November 1998 Revision ein. Eine Begründung der Revision erfolgte in der antragsgemäß bis zum 28. Februar 1999 verlängerten Frist und auch später nicht. Am 22. März 1999 nahm er die Revision zurück. Eine Vollmacht legte der Erinnerungsführer trotz wiederholter Aufforderung nicht vor.
Unter dem 20. April 1999 unterrichtete die Geschäftsstelle den Kläger über den Sachverhalt sowie darüber, dass der von ihm persönlich eingelegte "Widerspruch" wegen des vor dem Bundesfinanzhof (BFH) geltenden Vertretungszwangs keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Ferner wurde der Kläger gebeten mitzuteilen, ob er Rechtsanwalt A beauftragt habe, das bereits von ihm persönlich erhobene Rechtsmittel einzulegen und zu begründen und ob der "Widerspruch" aufgrund der Revisionsrücknahme als erledigt anzusehen sei. Sollte bis zum 20. Mai 1999 keine Äußerung eingehen, werde der Senat in der Streitsache entscheiden.
Nachdem keine weiteren Eingänge erfolgten, stellte der Senat mit Beschluss vom 25. Juni 1999 das Revisionsverfahren XI R 60/98 NV ein und legte die Kosten des Verfahrens dem Prozessbevollmächtigten als vollmachtslosem Vertreter auf. Den unter dem Az. XI B 76/99 NV geführten "Widerspruch" wertete der Senat als Nichtzulassungsbeschwerde und verwarf ihn mit Beschluss vom 19. Juli 1999 wegen fehlender ordnungsgemäßer Vertretung gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) als unzulässig. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden dem Kläger auferlegt.
Zu dem Beschluss XI R 60/98 nahm der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 2. August 1999 dahingehend "Stellung", dass die Revision ―wenn sie nicht zurückgenommen worden wäre― mangels Vollmacht als unzulässig hätte verworfen werden müssen. Es seien daher allenfalls über die Zulässigkeit und über die fehlende Vollmacht mit einem Gegenstandswert von maximal 1 500 DM Kosten festzusetzen.
Gegen die Kostenrechnung des Beamten der Kostenstelle des BFH vom 2. September 1999, mit der ―ausgehend von einem Streitwert von … DM― … DM Kosten festgesetzt wurden, legte der Prozessbevollmächtigte unter dem 7. September 1999 Erinnerung ein. Mit Schreiben vom 15. September 1999 übergab er eine Vollmacht des Klägers "im Nachgang zur Gerichtsakte" und beantragte die Kosten aus dem Verfahren XI R 60/98 gegen seinen Mandanten fällig zu stellen und die von ihm verauslagten Gerichtskosten zurückzuüberweisen. Hilfsweise seien sein Schriftsatz vom 2. August 1990 sowie sein Rechtsmittelschriftsatz vom 7. September 1999 dem Senat zur Entscheidung vorzulegen.
Der Vertreter der Staatskasse beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Erinnerung gegen den Kostenansatz ist unbegründet.
1. Mit der Erinnerung "gegen den Kostenansatz" nach § 5 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, also gegen den Ansatz einzelner Kosten oder deren Höhe, ggf. auch gegen den zugrunde liegenden Streitwert (BFH-Beschluss vom 12. April 1999 V E 1/99, BFH/NV 1999, 1350); ferner kann sich der Erinnerungsführer gegen seine Heranziehung als Kostenschuldner wenden (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., Vor § 135 Anm. 17 a).
2. a) Soweit sich der Prozessbevollmächtigte gegen den der Kostenrechnung zugrunde liegenden Streitwert wendet, ist seine Erinnerung unbegründet.
Nach § 11 Abs. 2 GKG richten sich die Gebühren nach dem Wert des Streitgegenstandes. Der Höhe nach werden sie entsprechend der Tabelle in der Anlage 2 zum GKG berechnet. Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist, da das Verfahren im Streitfall geendet hat, ohne dass Revisionsanträge eingereicht wurden, nach der Beschwer zu bestimmen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 GKG). Die Beschwer des Revisionsklägers ergibt sich regelmäßig aus dem Umfang seines Unterliegens im finanzgerichtlichen Verfahren (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., Vor § 135 FGO Tz. 90), d.h. aus einem Vergleich der in der Vorinstanz gestellten Anträge und der Entscheidung des FG (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Februar 1989 VII E 5/88, BFH/NV 1989, 654, und vom 23. Januar 1989 IV E 1/85, BFH/NV 1989, 718). Im Streitfall ist der Kläger in der Vorinstanz mit seinem Klageantrag in vollem Umfang ohne Erfolg geblieben. Dass unter Anwendung dieser Grundsätze der der Kostenberechnung zu Grunde gelegte Streitwert von … DM oder die vom Kostenbeamten berechnete Gebühr unzutreffend seien, hat der Erinnerungsführer weder vorgetragen noch sind hierfür Gründe ersichtlich. Darauf, welche Rechtsfragen im Streitfall zu entscheiden gewesen wären, wenn der Prozessbevollmächtigte die Revision nicht zurückgenommen hätte und welchen Schwierigkeitsgrad diese Rechtsfragen gehabt hätten, kommt es für die Feststellung des Streitwerts demgegenüber nicht an.
b) Soweit sich der Erinnerungsführer gegen seine Heranziehung als Kostenschuldner wendet und beantragt, die Kosten aus dem Verfahren XI R 60/98 gegen seinen Mandanten "fällig zu stellen", ist sein Antrag schon deshalb unbegründet, weil nach dem rechtskräftigen Beschluss vom 25. Juni 1999 nur der Erinnerungsführer Kostenschuldner ist und nicht etwa auch der Kläger.
Der Senat hat im Übrigen dem ohne Prozessvollmacht aufgetretenen Rechtsanwalt die Kosten zu Recht auferlegt. Nachdem der Prozessbevollmächtigte die Revision zurückgenommen hatte ―wozu er auch als vollmachtsloser Vertreter befugt ist (vgl. Gräber/ Koch, a.a.O., § 62 Anm. 66, m.w.N.)― war das Verfahren einzustellen. Die Kosten waren dabei demjenigen aufzuerlegen, der nach der Prozesslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Verfahrenskosten veranlasst hatte. Da die Bevollmächtigung trotz Aufforderung nicht gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO nachgewiesen wurde und der Kläger die Prozessführung auch nicht auf Anfrage der Geschäftsstelle hin genehmigte, konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Prozessbevollmächtigte durch den Kläger zur Einlegung der Revision bevollmächtigt, die Revision also vom Kläger veranlasst worden war (vgl. Gräber/ Koch, a.a.O., § 62 Anm. 67, m.w.N.). Die Nachreichung der Vollmacht kann an diesem Sachstand zum Zeitpunkt des Beschlusses am 25. Juni 1999 nichts ändern; der Beschluss ist unanfechtbar. Etwaige Gründe, von der Erhebung von Kosten nach § 8 GKG abzusehen, sind nicht ersichtlich.
3. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 424596 |
BFH/NV 2000, 1099 |