Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigtes Interesse an einer Fortsetzungsfeststellungsklage; Steuerbescheid kein Behaltensgrund bei Verstoß gegen ein Vollstreckungsverbot; Unzulässigkeit der Einzelzwangsvollstreckung im massearmen Konkurs nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Wird nach Einziehung der gepfändeten Forderung mit der Fortsetzungsfeststellungsklage geltend gemacht, die Vollstreckungsbehörde habe den Geldbetrag unter Verstoß gegen ein gesetzliches Vollstreckungsverbot erlangt, so reicht die substantiierte Darlegung der Tatsachen, aus denen sich dieser Verstoß ergibt, verbunden mit der berechtigten Erwartung, die Vollstreckungsbehörde werde nach entsprechender Feststellung der Rechtswidrigkeit die Folgen der durch die Vollstreckungsmaßnahme bewirkten Vermögensverschiebung rückgängig machen, für die Annahme des erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses aus.
2. Die Erwartung der Folgenbeseitigung ist berechtigt, wenn die Finanzbehörde den Gegenstand oder Geldbetrag unter Verstoß gegen ein Vollstreckungsverbot erlangt hat, denn in diesem Fall stellt die der Vollstreckung zugrunde liegende Steuerfestsetzung oder Steueranmeldung keinen Behaltensgrund dar.
3. Bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist im massearmen Konkurs nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit jedwede Einzelzwangsvollstreckung eines Massegläubigers in die Masse unzulässig, wobei es nach bisherigem Konkursrecht ―im Gegensatz zu dem ab 1. Januar 1999 geltenden neuen Insolvenzrecht― nicht darauf ankommt, ob die Masseverbindlichkeit vor oder nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit entstanden ist.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2, § § 218 ff., § 251 Abs. 2 S. 1, § 314; FGO § 100 Abs. 1 S. 4, §§ 116, 142 Abs. 1; InsO § 209 Abs. 1, § 210; KO §§ 55, 57, 59 Abs. 1 Nr. 1, § 60
Verfahrensgang
Tatbestand
Mit Beschluss vom 8. Januar 1997 eröffnete das Amtsgericht das Konkursverfahren über das Vermögen der Firma B und bestellte den Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Antragsteller) zum Konkursverwalter. Das Konkursverfahren ist massearm; der Antragsteller veröffentlichte die Masseunzulänglichkeit am 22. Februar 1997 im dafür vorgesehenen Amtsblatt. Am 17. Juni 1997 reichte der Antragsteller beim Beklagten (Finanzamt ―FA―) die Umsatzsteuer-Voranmeldung für die Umsätze der B im 1. Quartal 1997 ein. Daraus ergab sich eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung in Höhe von … DM, die aus der Verwertung von Sicherungsgut durch verschiedene Sicherungsnehmer sowie durch den Konkursverwalter selbst resultierte. Schon bei der Anmeldung wies der Antragsteller darauf hin, dass wegen der Unzulänglichkeit der Masse eine Zahlung nicht erfolgen könne.
Wegen dieser Umsatzsteuerrückstände nahm das FA mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 18. Dezember 1998 die Ansprüche des Antragstellers aus dem bei einer Bank geführten Konkursanderkonto in Beschlag. Dazu vertrat das FA die Auffassung, durch die Verwertung von sicherungsübereigneten Wirtschaftsgütern im Konkurs seien Umsatzsteuerverbindlichkeiten begründet worden, die nach Feststellung der Masseunzulänglichkeit nicht dem Verteilerschlüssel des § 60 der Konkursordnung (KO) unterlägen (sog. Neumasseschulden), sondern in voller Höhe vorweg zu befriedigen seien. Insofern könne nichts anderes gelten als wie für die Vergütung des Konkursverwalters für die Zeit nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit, die nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. Dezember 1991 IX ZR 275/90 (BGHZ 116, 233) und den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. März 1993 1 BvR 1045/89 u.a. (BVerfGE 88, 145, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1993, 2861) und vom 24. Juni 1993 1 BvR 338/91 (NJW 1993, 3129) im massearmen Konkurs bevorrechtigt zu bedienen sei.
Am 8. Januar 1999 legte der Antragsteller Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ein. Er vertrat die Auffassung, die vorgenannte Rechtsprechung betreffe einen Sonderfall und könne nicht auf andere nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit begründete Forderungen gegen die Konkursmasse, insbesondere nicht auf die Umsatzsteuerforderung des FA aus der Verwertung von Sicherungsgut, übertragen werden.
Nachdem die Bank als Drittschuldnerin den gepfändeten Betrag am 13. Januar 1999 an das FA ausgezahlt hatte, erhob der Antragsteller nach § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Klage beim Finanzgericht (FG) auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der vom FA gegen die Konkursmasse ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsverfügung. Er ist der Auffassung, nach Auszahlung des gepfändeten Betrags an das FA könne er wegen Erledigung eine Aufhebung der Pfändungsverfügung nicht mehr erreichen, sondern nur noch mit der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit. Als Konkursverwalter sei er verpflichtet, Rechtsmittel einzulegen, wenn ein Gläubiger durch rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahmen in den Bestand der Masse eingreife und dadurch gegen die vom Gesetz nach § 60 KO vorgegebene Reihenfolge verstoße. Es sei davon auszugehen, dass das FA bei einem Unterliegen den gepfändeten Betrag ohne weiteres wieder an die Konkursmasse auskehren werde.
Für die Durchführung des Klageverfahrens hat der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Die Kosten des Rechtsstreits könnten wegen der Massearmut aus der von ihm verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden. Nach Begleichung der Verfahrenskosten sei diese nämlich vollständig an die vormaligen Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin auszukehren, denen das Aufbringen der Kosten nicht zugemutet werden könne.
Das FG hat den PKH-Antrag abgelehnt, weil die Klage in der Hauptsache unzulässig sei. Der Antragsteller habe das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts nicht in ausreichender Weise dargelegt. Es ergebe sich insbesondere nicht bereits aufgrund der Erwartung, das FA werde bei einer entsprechenden Feststellung den widerrechtlich eingezogenen Pfändungsbetrag zurückerstatten. Aus der Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahme könne nicht zwangsläufig gefolgert werden, das FA habe die so erlangten Beträge zurückzuzahlen. Nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) bestehe nämlich nur dann eine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich vereinnahmter Beträge, wenn diese ohne rechtlichen Grund gezahlt worden seien. Ein solcher rechtlicher Behaltensgrund liege aber im Streitfall in der Umsatzsteuer-Voranmeldung unstreitig vor. Eine Zahlungsverpflichtung des FA könne daher nicht durch ein Fortsetzungsfeststellungsurteil nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO begründet werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Bewilligung von PKH für das Klageverfahren vor dem FG unter Beiordnung des Rechtsanwalts … begehrt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde ―§ 128 Abs. 2 FGO i.d.F. von Art. 1 Nr. 18 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I, 1757), der Beschlüsse im PKH-Verfahren für unanfechtbar erklärt, ist nach Art. 4 dieses Gesetzes auf den Streitfall noch nicht anwendbar― hat Erfolg.
1. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist einem Konkursverwalter als Partei kraft Amtes auf Antrag PKH zu bewilligen, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Ferner wird vorausgesetzt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 116 Satz 2 i.V.m. § 114 letzter Halbsatz ZPO). Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Er darf nicht von vornherein aussichtslos erscheinen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―, vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217; vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149, und vom 22. Februar 1994 VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822, m.w.N.).
2. Bei Anwendung der dargelegten Grundsätze hat die Beschwerde des Antragstellers Erfolg. Im Gegensatz zur Auffassung des FG kann die hinreichende Aussicht auf Erfolg der vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht schon deshalb verneint werden, weil die erhobene Klage, für deren Durchführung die PKH begehrt wird, etwa unzulässig wäre. Das FG hat die Anforderungen an das Vorliegen eines berechtigten Interesses für die Fortsetzungsfeststellungsklage überspannt.
a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass sich die mit dem Einspruch angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA durch die Drittschuldnerzahlung der Bank erledigt hat. Mit der Zahlung der gepfändeten Forderung durch den Drittschuldner an das FA als Pfändungsgläubiger ist die gepfändete Forderung eingezogen (§ 314 AO 1977), der Pfandgegenstand mithin verwertet und die Vollstreckung beendet (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung‐Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 314 AO 1977 Rz. 11; Müller-Eiselt, a.a.O., Vor §§ 259 bis 267 AO 1977 Rz. 13). Eingelegte Rechtsbehelfe werden unzulässig, weil sich die Pfändungs- und Einziehungsverfügung mit ihrer Verwirklichung erledigt hat; aus demselben Grund kann eine Anfechtungsklage gegen die Pfändung nicht mehr zulässigerweise erhoben werden (vgl. FG Berlin, Urteil vom 4. August 1986 VIII 238/85, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1987, 197; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 7. Aufl. 2000, § 309 Rz. 31; Müller-Eiselt, a.a.O., § 295 AO 1977 Rz. 99).
Wird die gepfändete Forderung, wie im Streitfall, bereits während des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens eingezogen, so tritt die Erledigung bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage ein. In diesem Fall kann mit der Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO beim FG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts begehrt werden (vgl. Senatsurteil vom 7. August 1979 VII R 14/77, BFHE 128, 346, BStBl II 1979, 708; Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 100 Rz. 59, m.w.N.). Mit der ausdrücklichen Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage hat der Antragsteller im Streitfall mithin die richtige Klageart gewählt.
b) Die Zulässigkeit dieser Klage setzt u.a. voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat. Als berechtigtes Interesse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO genügt jedes konkrete, durch die Sachlage gerechtfertigte Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 1998 V R 40/96, BFH/NV 1998, 1457). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein solches besonderes Feststellungsinteresse angenommen werden kann, wenn die Feststellungsklage zum Zwecke der Beseitigung von Folgen einer aufgehobenen Pfändungsverfügung erhoben wird (vgl. Senatsurteil vom 6. Mai 1986 VII R 16/85, BFH/NV 1987, 780). Das muss erst recht auch für den Fall gelten, dass die Vollstreckungsbehörde die Pfändungsverfügung vollzogen, mithin die gepfändete Forderung verwertet hat, und die Folgen der durchgeführten Vollstreckung beseitigt werden sollen.
Richtet sich die Folgenbeseitigung indes allein auf die Rückgängigmachung der durch die Vollstreckungsmaßnahme bewirkten Vermögensverschiebung, ist bei der Beurteilung des Feststellungsinteresses aber zu berücksichtigen, wie es das FG, gestützt auf den Senatsbeschluss vom 5. März 1987 VII B 139/86 (BFH/NV 1987, 663), auch getan hat, dass aus einer Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahme nicht zwangsläufig gefolgert werden kann, dass die Vollstreckungsbehörde die erlangten Beträge zu erstatten oder zurückzuzahlen habe. Nach § 37 Abs. 2 AO 1977 trifft die Finanzbehörde nämlich nur eine Verpflichtung, vereinnahmte Beträge zu erstatten, die ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind.
Soweit das FG im Streitfall als Behaltensgrund für die vom FA aus der Vollstreckung erlangten Beträge die vom Antragsteller für die Gemeinschuldnerin abgegebene unstreitige Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 1. Quartal 1997 ansieht (§§ 168 Satz 1, 164 AO 1977) und dies für erstattungshinderlich und damit auch schädlich im Hinblick auf die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage ansieht, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das FG hat dabei übersehen, dass der Antragsteller nicht die bloße Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung geltend macht, sondern sich auf ein Pfändungs- und Vollstreckungsverbot beruft, gegen welches das FA verstoßen haben soll. Er macht nämlich geltend, dass nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 (in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung) i.V.m. § 60 KO für die Zeit nach Hervortreten der Masseunzulänglichkeit ("Konkurs im Konkurs") Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Massegläubiger unzulässig seien, weil solche Maßnahmen die dort geregelte gleichmäßige Verteilung der Konkursmasse nach der vorgegebenen Rangordnung der Masseschulden und Massekosten unterlaufen und dem Vollstreckungsgläubiger dadurch eine unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes unzulässige Vorzugsstellung verschaffen würden (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl. 1994, § 60 Rz. 3 h). Das Vollstreckungsverbot gelte grundsätzlich auch für sog. Neumasseschulden, die nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit entstanden seien.
Hat das FA aber unter Verstoß gegen ein Vollstreckungsverbot etwas erlangt, so muss es das Erlangte dem Vollstreckungsschuldner, sofern dieser die unzulässige Vollstreckungsmaßnahme erfolgreich angefochten hat, herausgeben, selbst wenn sich das FA auf einen Steuerbescheid oder eine Steueranmeldung als Behaltensgrund stützen kann. Denn anderenfalls könnte das Vollstreckungsverbot keinerlei Schutzwirkung für den dadurch unmittelbar oder mittelbar begünstigten Vollstreckungsschuldner entfalten. Entsprechend verhält es sich beispielsweise bei einem Verstoß gegen ein Pfändungsverbot nach § 295 AO 1977 i.V.m. § 811 Abs. 1 ZPO. Auch hier muss der Vollstreckungsgläubiger, der gegen das Verbot verstoßen hat, dem Vollstreckungsschuldner die gepfändete Sache wieder herausgeben, unabhängig davon, ob sein Vollstreckungstitel zu Recht besteht. Eine Steuerfestsetzung oder Steueranmeldung stellt jedenfalls in solchen Fällen für das FA keinen Behaltensgrund i.S. des § 37 Abs. 2 AO 1977 dar.
Damit erweist sich die Begründung des FG für die Annahme der Unzulässigkeit der vom Antragsteller erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage als nicht tragfähig. Demgegenüber ist der Senat der Auffassung, dass der Verstoß gegen ein Vollstreckungsverbot, sofern er vom Betroffenen, wie im Streitfall, substantiiert dargelegt wird, für diesen regelmäßig ein konkretes, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse rechtlicher und wirtschaftlicher Art an der Folgenbeseitigung, nämlich an der Rückgängigmachung der durch die unzulässige Vollstreckungsmaßnahme bewirkten Vermögensverschiebung, begründet. In einem solchen Fall kann von der Finanzbehörde erwartet werden, dass sie aufgrund der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahme in einem gerichtlichen Verfahren dem Vollstreckungsschuldner ohne weiteres die unter Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot erlangten Gegenstände oder Geldbeträge wieder zurückgibt bzw. rückerstattet.
Die Richtigkeit dieser Auffassung folgt schon daraus, dass im finanzgerichtlichen Verfahren die Erhebung der Fortsetzungsfeststellungsklage in einem solchen Fall für den Betroffenen das einzige zu Gebote stehende Rechtsmittel zur Herbeiführung der erforderlichen Folgenbeseitigung darstellt. Wie der Senat schon mehrfach entschieden hat, ist eine Vollstreckungsgegenklage, die bei entsprechender Sachlage vor den Zivilgerichten erhoben werden kann, im steuerlichen Vollstreckungsverfahren (mit Ausnahme eines bestimmten, hier nicht einschlägigen Falles) grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. zuletzt das Senatsurteil vom 23. Juli 1996 VII R 88/94, BFHE 181, 202, BStBl II 1996, 511). Der Betroffene kann auch nicht auf die Erteilung eines Abrechnungsbescheids (§ 218 Abs. 2 Satz 2 AO 1977) als Grundlage für die Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs verwiesen werden, denn es ist nicht Aufgabe eines Abrechnungsbescheids, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Vollstreckungsverbots im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zu befinden. Daher entspricht es dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, dass Verstöße gegen Vollstreckungsverbote, sofern eine Anfechtungsklage nicht mehr erhoben werden kann, mit der Fortsetzungsfeststellungsklage geltend gemacht werden können, wobei das besondere Feststellungsinteresse ―über die erforderliche substantiierte Darlegung hinaus― kein Hinderungsgrund für die Zulässigkeit des auf Folgenbeseitigung abzielenden Rechtsschutzes sein darf.
c) Die demnach zulässige Klage des Antragstellers in der Hauptsache bietet, auch was ihre Begründetheit anbetrifft, hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar hat das FG diesen Komplex ―von seinem Standpunkt zu Recht― nicht geprüft. Der Senat ist aber dadurch nicht gehindert, auch hierüber zu entscheiden, denn im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von PKH ist der BFH nicht darauf beschränkt, die Entscheidung des FG auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen; vielmehr hat er das Begehren des Antragstellers im Rahmen des Antrags in jeder Hinsicht einer (erneuten) rechtlichen Überprüfung zu unterziehen (vgl. den Senatsbeschluss vom 12. August 1997 VII B 212/96, BFH/NV 1998, 433). Diese Prüfung führt bei der gebotenen summarischen Betrachtung zu dem Ergebnis, dass die Klage des Antragstellers hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Das FA ist mit seiner Umsatzsteuerforderung aus der Voranmeldung für das 1. Quartal 1997, die auf der Verwertung von Sicherungsgut durch verschiedene Sicherungsnehmer sowie durch den Konkursverwalter selbst beruht, im Konkurs der Gemeinschuldnerin Massegläubiger (§§ 57, 59 Abs. 1 Nr. 1 KO). Grundsätzlich sind die Masseschulden aus der Konkursmasse vorweg zu befriedigen (§ 57 KO). Das schließt ein, dass jeder Massegläubiger Forderungen an die Masse gegen den Konkursverwalter einklagen, deswegen in die Konkursmasse vollstrecken und auch gegen eigene Masseschulden aufrechnen kann (BGH-Urteil vom 18. Mai 1995 IX ZR 189/94, BGHZ 130, 38, NJW 1995, 2783, m.w.N.). Für die Zeit nach Hervortreten der Masseunzulänglichkeit (beim "Konkurs im Konkurs") regelt aber § 60 KO eine geordnete Verteilung der Konkursmasse nach einer gesetzlich vorgegebenen Rangordnung der Masseschulden und Massekosten. In diese vorgegebene Verteilung soll zur Wahrung des Interessenausgleichs zwischen der durch eine Aufrechnungslage gebildeten Sicherung der Konkursgläubiger einerseits sowie dem Gebot der gleichmäßigen Gläubigerbehandlung andererseits nicht durch einzelne Massegläubiger eingegriffen werden dürfen. Dieser Ausgleich wird durch eine entsprechende Anwendung der §§ 53 bis 55 KO auf den "Konkurs im Konkurs" erreicht.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat unlängst in seinem Urteil vom 1. August 2000 VII R 31/99 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 215, BFHE 193, 1) die Aufrechnung von sog. Neuforderungen, die erst nach Feststellung der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, in analoger Anwendung des § 55 KO für unzulässig erachtet und dabei ausgeführt, dass die Möglichkeit einer solchen Aufrechnung ebenso wie Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen die von § 60 KO vorgegebene Verteilung der verbleibenden Masse und insbesondere den verfassungsrechtlich gebotenen Vorrang der Konkursverwaltervergütung im massearmen Konkurs (Hinweis auf die Beschlüsse des BVerfG in NJW 1993, 2861 und 3129) unterlaufen würde (ebenso FG Düsseldorf, Urteil vom 31. Juli 1998 18 K 7008/95 AO, EFG 1998, 1500). Der Senat hat sich dabei ausdrücklich der neuen Rechtsprechung des BVerfG angeschlossen, die er jedenfalls immer dann für einschlägig hält, wenn der Anspruch auf die Konkursverwaltervergütung für die Zeit nach Feststellung der Masseunzulänglichkeit noch nicht abgerechnet ist (a.A. Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 60 KO Rz. 2 bis 2 d, m.w.N.).
Was für die Aufrechnung gilt, muss, wie der Senat in diesem Urteil angedeutet hat, gleichermaßen auch für Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung gelten, mit denen Neuforderungen gegen die Masse durchgesetzt werden sollen. Schon in seinem Urteil in BFHE 181, 202, BStBl II 1996, 511 hielt der Senat die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit, die allerdings bereits vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden war, nach Eintritt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für unzulässig. Im Kern zielt diese Rechtsprechung darauf ab, unter Wahrung der Bevorrechtigung der Konkursverwaltervergütung jedwede Einzelzwangsvollstreckung in die Masse ab dem Zeitpunkt, zu dem sich ihre Unzulänglichkeit (durch Anzeige) herausgestellt hat, zu unterbinden, wobei nicht notwendigerweise danach differenziert werden muss, ob die Masseverbindlichkeit vor oder nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit entstanden ist (a.A. Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 60 KO Rz. 3 h). Die gegensätzliche Wertung des ab 1. Januar 1999 geltenden neuen Insolvenzrechts, das im Falle der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nur solche Masseverbindlichkeiten, die vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden (Altforderungen) und keine Kosten sind, dem Vollstreckungsverbot unterwirft (vgl. § 210 i.V.m. § 209 Abs. 1 Nr. 3 gegenüber § 209 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Insolvenzordnung), entfaltet als konstitutive neue gesetzliche Regelung zwecks Lösung einer höchst umstrittenen Problematik keine Rückwirkung für die Anwendung der KO.
Da das FA im Streitfall mit seiner Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 18. Dezember 1998 Masseverbindlichkeiten zu einem Zeitpunkt vollstreckt hat, zu dem die Masseunzulänglichkeit längst angezeigt war (22. Februar 1997), hat die Klage des Antragstellers unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Senats hinreichende Erfolgsaussichten. Die dies verneinende angefochtene Vorentscheidung ist daher aufzuheben.
3. Der Senat hält es für angezeigt, im vorliegenden Fall nicht abschließend zu entscheiden, sondern die Sache an das FG zurückzuverweisen (§§ 132, 155 FGO i.V.m. § 575 ZPO). Da nach dem gegenwärtigen Sachstand die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, wird das FG nur noch darüber zu befinden haben, ob auch die übrigen für die Bewilligung der PKH erforderlichen Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO im Streitfall erfüllt sind. Diese Prüfung hat das FG ―von seinem Standpunkt zutreffend― bisher noch nicht durchgeführt.
Fundstellen
Haufe-Index 594881 |
BFH/NV 2001, 1192 |
BStBl II 2001, 525 |
BFHE 194, 338 |
BFHE 2002, 338 |
BB 2001, 1518 |
DB 2001, 1866 |
DStRE 2001, 893 |
HFR 2001, 877 |
StE 2001, 422 |
NWB 2001, 2415 |
NVwZ-RR 2002, 612 |
KTS 2002, 69 |
ZIP 2001, 1549 |
InVo 2002, 116 |
NZI 2001, 612 |
AO-StB 2001, 137 |
GK 2001, 380 |
stak 2001, 0 |