Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an den GrS: Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe als dauernde Last; Übergabe eines Betriebes ohne positiven Substanz- und Ertragswert
Leitsatz (amtlich)
Dem Großen Senat wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Sind im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen auch dann als dauernde Last (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) abziehbar, wenn sie zwar aus den laufenden Nettoerträgen des übergebenen Betriebs gezahlt werden können, aber der Substanzwert des ―gepachteten― Betriebs negativ ist und sein Ertragswert 0 DM beträgt (Anschluss an Vorlagebeschluss des Senats vom 10. November 1999 X R 46/97, BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188)?
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nrn. 1-2, § 22 Nr. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 1996, 1215; LEXinform-Nr. 0139430) |
Tatbestand
I. Sachverhalt und Streitstand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für die Streitjahre 1988 und 1989 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist Gastwirt. Mit Vertrag vom 20. Dezember 1987 übernahm er mit Wirkung vom 1. Januar 1988 von seinen Eltern eine Gaststätte mit allen Aktiva und Passiva mit Ausnahme des betrieblich genutzten PKW. Die Gaststätte wurde in gepachteten Räumen betrieben. Der Pachtvertrag war bis zum 31. Dezember 1995 geschlossen und verlängerte sich jeweils um 3 Jahre, wenn er nicht gekündigt wurde.
Ein Entgelt für die Betriebsübertragung wurde nicht vereinbart. Aufgrund des Übertragungsvertrages hatten der am 23. April 1921 geborene Vater und die am 5. September 1920 geborene Mutter des Klägers gegen diesen einen Anspruch auf Entnahme von Speisen und Getränken oder von Lebensmitteln zu deren Zubereitung für den persönlichen Bedarf, die Übernahme der Miete für die bisherige Wohnung im Gebäude der Gaststätte sowie der Kosten für Strom und Heizung. Außerdem hatte der Kläger die Beiträge für private Versicherungen seiner Eltern zu zahlen.
Die Eltern des Klägers sind in den Jahren 1978 bis 1983 mit den folgenden Gewinnen veranlagt worden: 40 439 DM (1978), 38 524 DM (1979), 45 157 DM (1980), 12 865 DM (1981), 22 435 DM (1982), 31 625 DM (1983). Der Kläger war in den Jahren 1984 bis 1987 Geschäftsführer der Gaststätte mit einem vertraglichen Bruttogehalt von 50 400 DM. Ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnungen betrugen die Aufwendungen für das Gehalt des Klägers einschließlich der Lohnnebenkosten für diese Jahre 58 962 DM (1984), 36 229 DM (1985), 52 235 DM (1986), 59 754 DM (1987). In diesen Jahren erzielten die Eltern Gewinne von 3 105 DM (1984), 27 497 DM (1985) und 11 472 DM (1986), sodann einen Verlust von 23 296 DM (1987). Sie bezogen in den Jahren 1988 und 1989 eine Rente in Höhe von 16 374 DM und 16 865 DM. Die Bilanz für die Gaststätte weist zum 31. Dezember 1987 ein negatives Kapitalkonto in Höhe von 133 246,74 DM auf.
Der Kläger selbst erklärte für die Jahre 1988 bis 1994 folgende Gewinne: 28 316 DM (1988), 57 057 DM (1989), 87 407 DM (1990), 99 120 DM (1991), 63 809 DM (1992), 91 382 DM (1993), 91 598 DM (1994).
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 beantragten die Kläger, folgende aufgrund des Übergabevertrages geleisteten Aufwendungen als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) zum Abzug zuzulassen: Entnahme von Lebensmitteln, Speisen und Getränken 7 892 DM, Übernahme der Kosten für Strom und Heizung 2 280 DM, der Wohnungsmiete 3 240 DM, der Versicherungsbeiträge 5 245,50 DM insgesamt 18 657,50 DM. Für das Streitjahr 1989 bezifferten die Kläger die dauernde Last mit insgesamt 16 977 DM.
In den Einkommensteuerbescheiden für 1988 und 1989 ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) diese Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Die hiergegen eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Zwar sei der Substanzwert des Betriebsvermögens negativ; der Ertragswert des Unternehmens liege bei Ansatz eines angemessenen Unternehmerlohns bei 0 DM. Trotzdem erfüllten der Übergabevertrag und die Versorgungsleistungen die Voraussetzung, dass sich der Übergeber eines Betriebs die Erträge seines Vermögens vorbehalte, die nunmehr vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssten. Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1215.
Mit der Revision rügt das FA unter Bezugnahme auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) Verletzung materiellen Rechts. Im Streitfall liege eine nach § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare Unterhaltszahlung vor. Denn bei überschlägiger und großzügiger Ermittlung betrage der Wert des übergebenen Vermögens weniger als die Hälfte des Werts der Rentenverpflichtung. Der Ertragswert des übergebenen Betriebs liege nach den Feststellungen des FG bei 0 DM. Das FG verkenne, dass durch § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG "die Übergabe einer ertragsfähigen Substanz begünstigt werde". Nur eine tatsächlich vorhandene steuerliche Leistungsfähigkeit könne beim Transfer auf die nächste Generation durch den Abzug einer dauernden Last begünstigt werden. Ein gepachteter Betrieb erfülle nicht die an eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit gestellten Anforderungen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie tragen u.a. vor: Die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 23. Dezember 1996 (BStBl I 1996, 1508) geforderten Voraussetzungen für die Abziehbarkeit einer dauernden Last lägen im Streitfall vor:
- Der Betrieb sei eine existenzsichernde und ertragbringende Wirtschaftseinheit des Betriebsvermögens, deren Erträge ausreichten, um die wiederkehrenden Leistungen zu erbringen ‐ "Typus 1" (Tz. 6);
- das übertragene Vermögen sei für eine dauerhafte generationenübergreifende Anlage geeignet und bestimmt (Tz. 7);
- um eine ausreichend ertragbringende Wirtschaftseinheit handele es sich gemäß Tz. 11, wenn nach überschlägiger Berechnung die Versorgungsleistungen nicht höher seien als der langfristig zu erzielende Ertrag aus dem übergebenen Vermögen;
- die Versorgungsleistungen würden durch entsprechende Erträge aus dem übernommenen Vermögen abgedeckt.
Der Ertrag des übergebenen Vermögens sei ausweislich der Steuerakten wie folgt zu berechnen:
|
1985 |
1986 |
1987 |
Gewinn: |
27 497 DM |
11 472 DM |
./. 23 296 DM |
Absetzung für Abnutzung |
29 989 DM |
28 054 DM |
25 077 DM |
Summe: |
57 486 DM |
39 526 DM |
1 781 DM |
Mithin habe der durchschnittliche Ertrag der Jahre 1985 bis 1987 32 931 DM betragen. Die Versorgungsleistungen seien mit durchschnittlich 18 000 DM pro Jahr angesetzt worden, so dass die Versorgungsleistungen durch entsprechende Erträge aus dem übernommenen Vermögen abgedeckt seien. Lediglich im Jahr der Vermögensübergabe sei ein Verlust erzielt worden. Ansonsten habe er, der Kläger, stets einen Gewinn ausgewiesen, der bis zum Jahre 1991 auf 101 768 DM gestiegen sei.
Entscheidungsgründe
Der Senat beabsichtigt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Nach seiner Auffassung sind die Versorgungsleistungen als dauernde Last abziehbar.
II. Vorgreifliche Rechtsfragen
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die hier zu beurteilende Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen bürgerlich-rechtlich ein Altenteilsvertrag ist. Da existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen übertragen worden ist, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem landesrechtlich geregelten Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist (vgl. Senatsurteile vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499; vom 8. April 1992 X R 52/89, BFH/NV 1992, 657; vom 26. Januar 1994 X R 141/90, BFH/NV 1994, 845).
2. Der übergebene Betrieb ist als ertragbringende Organisationseinheit ungeachtet dessen eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit, dass er nicht "eigentumsfundiert", sondern auf der rechtlichen Grundlage eines langfristigen Pachtvertrags geführt wird.
3. In Anbetracht des von den Klägern errechneten durchschnittlichen Gewinns der Jahre 1985 bis 1987 sowie angesichts des Umstands, dass aufgrund der Vermögensübergabe das bislang an den Sohn gezahlte Geschäftsführergehalt den Ertrag des Unternehmens nicht mehr minderte, war der Betrieb insofern eine "existenzsichernde" Wirtschaftseinheit, als er ausreichend Erträge abwarf, um zwei Generationen ein Auskommen zu sichern.
4. Der Rechtsbegriff "Versorgungsleistungen" umfasst jedenfalls solche Zuwendungen zur Existenzsicherung, durch welche Grundbedürfnisse des Bezugsberechtigten wie Wohnen und Ernährung und der sonstige Lebensbedarf abgedeckt werden (vgl. BFH-Urteile vom 25. März 1992 X R 196/87, BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012; vom 11. August 1992 IX R 223/87, BFHE 169, 85, BStBl II 1993, 31; vom 26. Juli 1995 X R 91/92, BFHE 178, 339, BStBl II 1995, 836, ständige Rechtsprechung). Diese Interessenlage ist exemplarisch und richtungweisend bewertet worden in den zu Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ergangenen landesrechtlichen Ausführungsgesetzen. Der Senat geht davon aus, dass die Beteiligten des hier zu beurteilenden Vermögensübergabevertrages abänderbare Versorgungsleistungen vereinbart haben, die grundsätzlich als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbar sein können.
III. Rechtsprechung, Verwaltungsregelung und Literaturmeinungen zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung der privaten Versorgungsrente
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG sind als Sonderausgaben abziehbar die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Bei Leibrenten kann nur der Ertragsanteil abgezogen werden. Nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG sind ―insoweit materiell-rechtlich korrespondierend (Senatsurteil vom 26. Juli 1995 X R 113/93, BFHE 179, 34, BStBl II 1996, 157)― als "sonstige Einkünfte" steuerbar die Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichneten Einkünften gehören. Hauptanwendungsfall dieser Vorschriften ist die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zur Vorwegnahme der Erbfolge ("private Versorgungsrente").
Der erkennende Senat hat die Rechtsentwicklung, die Aussagen des Großen Senats des BFH und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sowie die nachfolgende Rechtsprechung des Senats zur privaten Versorgungsrente und ihrer Abgrenzung gegenüber der nichtsteuerbaren und gemäß § 12 Nr. 1 EStG nichtabziehbaren Unterhaltsrente in seinem Vorlagebeschluss vom 10. November 1999 X R 46/97 (BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188) dargestellt; hierauf wird Bezug genommen.
2. Es ist derzeit ungeklärt, nach welchen Kriterien die nichtabziehbare/nichtsteuerbare Unterhaltsrente von der privaten Versorgungsrente abzugrenzen ist. Der "Grundsatz vom Vorbehalt der Vermögenserträge", mit dem der Große Senat die abziehbare Versorgungsrente aus dem Anwendungsbereich des § 12 Nr. 1 EStG ausgenommen und den das BVerfG als die Abziehbarkeit gleichheitsrechtlich legitimierend angesehen hat (Beschluss vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1993, 315), führt nach Auffassung des erkennenden Senats in den Fällen des sog. Typus 2 zur Nichtanwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG (Beschluss in BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188, unter IV.). Andererseits widerstreitet dieser Grundsatz der vorbehaltenen Vermögenserträge der auf einen Vergleich von Vermögenspositionen bezogenen Rechnung der "50-v.H.-Grenze", wenn ―wie im Streitfall― ein Unternehmen übergeben wird, das weder nach herkömmlicher substanzwertorientierter Betrachtung (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1986 VIII R 238/81, BFH/NV 1986, 597 - "Mittelmethode") einen Substanzwert noch unter Berücksichtigung eines angemessenen Unternehmerlohns einen Ertragswert hat, das aber ausreichend Erträge abwirft, aus denen Versorgungsleistungen an den Übergeber gezahlt werden können (Beschluss in BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188, unter III. 6. d).
3. Der XI. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 23. Januar 1992 XI R 6/87 (BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526) entschieden, es sei nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer privaten Versorgungsrente als dauernde Last, dass sie aus Erträgen des übertragenen Vermögens geleistet werden könne; der Große Senat habe "lediglich auf die typischerweise gegebene Situation abgestellt, ohne daß es insoweit auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankäme". Ob es sich um Versorgungsleistungen nach der Art vorbehaltener Erträge handele, ergebe ein Vergleich des Kapitalwerts der Leistungen mit dem Wert des übertragenen Vermögens. Des Weiteren hat der XI. Senat in seinem Urteil vom 10. April 1991 XI R 25/89 (BFH/NV 1991, 720) für den Fall der Übergabe eines "alteingesessenen Geschäfts" mit einem in der Bilanz ausgewiesenen Minuskapital gegen eine Rente mit einem Barwert von ca. 213 000 DM erkannt, die in sachlichem Zusammenhang hiermit vereinbarten Versorgungsleistungen seien nicht als dauernde Last abziehbar; der Wert des übernommenen Betriebsvermögens liege eindeutig unter der Hälfte dieses Wertes, so dass es einer genaueren Wertermittlung mittels des Ertragswertverfahrens, wie sie in dem BFH-Urteil in BFH/NV 1986, 597 erwogen worden sei, nicht bedürfe.
IV. Rechtsauffassung des erkennenden Senats
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Bemerkung des Großen Senats zur Vergleichsrechnung des Abschn. 123 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) a.F. (jetzt: BMF-Schreiben vom 23. Dezember 1996, BStBl I 1996, 1508 Tz. 17 f., 38 f.) dahin gehend auszulegen, dass sie kein zusätzliches typusbegründendes Tatbestandsmerkmal darstellt. Hiervon ausgehend hat der Senat in seinem Beschluss in BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188 die Auffassung vertreten, dass die Vergleichsrechnung keine rechtliche Bedeutung hat, wenn die wiederkehrenden Renten mangels ausreichenden Ertrags des übertragenen Vermögens aus dessen Substanz gezahlt werden müssen ("Typus 2"). Andererseits kann in Fällen wie dem vorliegend zu beurteilenden die Abziehbarkeit einer dauernden Last nicht an der 50 v.H.-Grenze scheitern, wenn der übergebene Betrieb zwar ausreichend Erträge abwirft, aus denen eine Versorgungsrente gezahlt werden kann, aber keinen ausreichenden Substanz- und/oder Ertragswert hat. Die vom Großen Senat des BFH in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 ausgesprochene Charakterisierung der Versorgungsleistungen "als vorbehaltene Vermögenserträge" versteht der erkennende Senat in dem Sinne, dass durch den Abzug der dauernden Last beim Verpflichteten und durch die Erfassung wiederkehrender Einkünfte beim Bezieher das der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Prinzip der "vorbehaltenen Vermögenserträge" rechtstechnisch verwirklicht wird (Urteil vom 25. März 1992 X R 100/91, BFHE 168, 243, BStBl II 1992, 803). Dieser Transfer von steuerlicher Leistungsfähigkeit ist nur, dann aber auch stets möglich, wenn die Erträge des übergebenen Vermögens die für das Altenteil typischen Versorgungsleistungen ermöglichen.
V. Entscheidungserheblichkeit der Vorlage
Die Beantwortung der Vorlagefrage ist für die Entscheidung über die Revision erheblich. Bejaht man die Vorlagefrage, wäre die Revision des FA unbegründet. Anderenfalls wäre ein Abzug als dauernde Last abzulehnen. Die Sache müsste an das FG zurückverwiesen werden zur Prüfung, ob der Kläger das Gaststättenunternehmen gegen eine betriebliche Erwerbsrente erworben hat. Denn wenn das Sonderrecht der Vermögensübergabe nicht anzuwenden ist, gelten § 12 EStG und die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts ohne Einschränkung (vgl. Senatsurteile vom 25. November 1992 X R 91/89, BFHE 170, 82, BStBl II 1996, 666; vom 17. Juni 1998 X R 104/94, BFHE 186, 280; vom 16. März 1999 X R 87/95, BFH/NV 2000, 12, m.w.N.). Dies bedeutet u.a., dass wiederkehrende Leistungen als betriebliche Erwerbsrente zur Abziehbarkeit von Anschaffungs- und Finanzierungskosten führen können (vgl. Senatsurteil vom 31. August 1994 X R 58/92, BFHE 176, 333, BStBl II 1996, 672).
Der erkennende Senat lässt offen, ob im Streitfall die 50 v.H.-Grenze der Anerkennung einer dauernden Last dann nicht entgegensteht, wenn der Wert des Unternehmens nicht nach der sog. Mittelwertmethode berechnet wird, die den Ertragswert und den Substanzwert je zur Hälfte berücksichtigt ("Praktikermethode"), sondern nach einer reinen Ertragswertmethode. Der VIII. Senat hat in seinem Urteil in BFH/NV 1986, 597 dahingestellt sein lassen, ob mit dem neueren betriebswirtschaftlichen Schrifttum ausschließlich oder vornehmlich auf den Ertragswert abzustellen ist oder ob der Substanzwert weiterhin eine nicht zu vernachlässigende Bewertungsgröße ist. Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des FG ist der Ertragswert des übergebenen Unternehmens mit 0 DM anzusetzen, so dass der nach dieser Methode ermittelte Wert des Unternehmens die 50 v.H.-Grenze nicht erreicht. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der XI. Senat in seinem Urteil in BFH/NV 1991, 720 offenbar inzidenter von der Anwendbarkeit der "Praktikermethode" ausgegangen ist.
VI. Rechtsgrund der Vorlage
Der vorlegende Senat stützt die Anrufung des Großen Senats auf § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Die Vorlagefrage ist ―wie vorstehend (III. 3., IV.) dargelegt― innerhalb der Rechtsprechung des BFH nicht geklärt. Die divergierenden Rechtsauffassungen ergeben sich aus einer jeweils unterschiedlichen Interpretation der Grundaussage des Beschlusses des Großen Senats in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78. Der vom Senat beabsichtigten Entscheidung steht vor allem das Urteil des XI. Senats in BFH/NV 1991, 720 entgegen. Ein Anfrageverfahren auf der Rechtsgrundlage des § 11 Abs. 3 FGO hält der Senat deswegen nicht für zweckdienlich, weil ein angefragter Senat über den strittigen Inhalt der Aussage des Beschlusses des Großen Senats nicht disponieren könnte.
2. Der Klärungsbedarf ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt, dass das BMF in seinem Schreiben in BStBl I 1996, 1508 (Tz. 17 f., 38 ff.) die 50 v.H.-Grenze nur beim "Typus 2" anwendet. Hiernach kann Gegenstand der Vermögensübergabe auch eine existenzsichernde und ihrem Wesen nach ertragbringende Wirtschaftseinheit sein, deren Erträge aber nicht ausreichen, um die wiederkehrenden Leistungen zu erbringen. Wirtschaftseinheiten in diesem Sinne sind typischerweise Betriebe mit geringen Gewinnen oder Mietwohngrundstücke mit geringen oder negativen Einkünften. In Fortführung der Verwaltungsanweisung in R 123 Satz 3 EStR 1996 und der Vorläuferregelungen heißt es (a.a.O., Tz. 18 - Hervorhebung nicht im Original): "Voraussetzung für eine Vermögensübergabe in diesen Fällen ist, daß der Wert des Vermögens im Zeitpunkt der Vermögensübergabe bei überschlägiger und großzügiger Berechnung mindestens die Hälfte des Kapitalwerts der wiederkehrenden Leistungen beträgt." Daraus könnte gefolgert werden, dass die Finanzverwaltung in Fällen des Typus 1, wie er im Streitfall gegeben ist, der besagten Vergleichsrechnung keine Bedeutung beimisst. Dies stünde jedoch mit der Entscheidung des XI. Senats in BFH/NV 1991, 720 nicht in Einklang. Im Interesse der Rechtsklarheit und der Rechtsfortentwicklung hält es der X. Senat für geboten, dass der Große Senat die rechtliche Bedeutung der 50 v.H.-Grenze entweder einschränkt oder bestätigend präzisiert.
Fundstellen
Haufe-Index 508951 |
BFH/NV 2001, 249 |
BStBl II 2001, 175 |
BFHE 193, 121 |
BFHE 2001, 121 |
BB 2000, 2609 |
DB 2001, 18 |
DStRE 2001, 71 |
DStZ 2001, 395 |
HFR 2001, 436 |
StE 2000, 770 |