Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens
Leitsatz (NV)
1. Auch ein durch einen Beschluß rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren kann nach § 134 Finanzgerichtsordnung wiederaufgenommen werden.
2. Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist nach Ablauf von 5 Jahren von dem Tage des rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens an gerechnet nicht mehr statthaft.
3. Eine Restitutionsklage gegen ein BFH-Urteil kann nicht darauf gestützt werden, ein oberstes Gericht habe in einer späteren, in einer anderen Sache ergangenen Entscheidung eine abweichende Rechtsauffassung vertreten.
Normenkette
FGO § 134; ZPO §§ 578-591
Tatbestand
Die Antragsteller hatten mit ihrer Klage wegen Einkommensteuer 1975 begehrt, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung über die Höchstbeträge nach § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1975 hinaus zum Abzug als Sonderausgaben zuzulassen. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hatte ihre Klage mit Urteil vom 3. Mai 1979 II 91/79 abgewiesen.
Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machten die Antragsteller geltend, die Rechtssache besitze grundsätzliche Bedeutung. Klärungsbedürftig sei die Rechtsfrage, ob es verfassungsrechtlich geboten sei, selbständig Tätige mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung Arbeitnehmern gleichzustellen. Der Bundesfinanzhof (BFH) wies ihre Beschwerde mit Beschluß vom 7. September 1979 VI B 64/79 als unbegründet zurück. Der Beschluß wurde den Antragstellern am 19. Oktober 1979 zugestellt.
Das Bundesverfassungsgericht nahm ihre hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde mit Beschluß vom 4. Februar 1980 1 BvR 1257/79 nicht zur Entscheidung an.
Am 11. Juli 1986 haben die Antragsteller beantragt, das Beschwerdeverfahren VI B 64/79 unter Aufhebung des Beschlusses vom 7. September 1979 wiederaufzunehmen. Der BFH habe inzwischen in einem gleichliegenden Fall die Revision zugelassen. Zwar habe er die unter dem Aktenzeichen IX R 206/84 anhängig gewesene Revision mit Urteil vom 29. Juli 1986 (BFHE 147, 176, BStBl II 1986, 747) als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen sei jedoch Verfassungsbeschwerde eingelegt worden.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens VI B 64/79 ist unzulässig.
Nach § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozeßordnung - §§ 578 bis 591 - wiederaufgenommen werden. Dies ist insbesondere auch möglich, wenn das Verfahren durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß rechtskräftig abgeschlossen worden ist (BFH-Beschlüsse vom 16. August 1979 I K 2/79, BFHE 128, 349, BStBl II 1979, 710; vom 13. Februar 1986 III K 1/85, BFHE 145, 500, BStBl II 1986, 415). Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist jedoch nach Ablauf von fünf Jahren von dem Tage des rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens an gerechnet nicht mehr statthaft (§ 134 FGO i. V. m. § 586 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
Im vorliegenden Fall sind zwischen dem rechtskräftigen Abschluß des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision, dessen Wiederaufnahme die Antragsteller begehren, und dem Eingang ihres Wiederaufnahmeantrages mehr als fünf Jahre verstrichen. Der die Zulassung der Revision ablehnende Beschluß des BFH vom 7. September 1979 VI B 64/79 ist den Antragstellern am 19. Oktober 1979 zugestellt worden. Die von den Antragstellern hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hinderte die Rechtskraft des Beschlusses nicht. Die Möglichkeit eines außerordentlichen Rechtsbehelfs wie z. B. einer Verfassungsbeschwerde bleibt auf die formelle Rechtskraft ohne Einfluß (Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl., 1985, § 121 Anm. 3). Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist erst am 11. Juli 1986 eingegangen.
Da der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens somit unstatthaft ist, brauchte der Senat sich nicht mehr mit der Frage zu befassen, ob der Antrag zudem deswegen unzulässig ist, weil die Antragsteller keinen Wiederaufnahmegrund i. S. des § 579 oder des § 580 ZPO schlüssig dargelegt haben. Der VII. Senat des BFH hat mit Beschluß vom 27. September 1977 VII K 1/76 (BFHE 123, 310, BStBl II 1978, 21) entschieden, daß eine Restitutionsklage gegen ein BFH-Urteil nicht darauf gestützt werden kann, daß der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einem späteren, in einer anderen Sache ergangenen Urteil eine vom BFH-Urteil abweichende Rechtsauffassung vertreten hat.
Fundstellen
Haufe-Index 414861 |
BFH/NV 1987, 173 |