Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufforderung zur Vorlage von Rechnungen, aus denen ein Vorsteuerabzug geltend gemacht wird
Leitsatz (NV)
Ungewisse Vorsteuerbeträge sind grundsätzlich durch Vorlage von Rechnungen nachzuweisen. Die Kopie eines Vorsteuerkontos ersetzt den Nachweis bisher ungeklärter Vorsteuerbeträge nicht.
Normenkette
UStG 1993 § 15 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) setzte die Umsatzsteuer für 1993 gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die nach ihren Angaben Umsätze durch eine "EDV-Beratung und Schreibbüro" erzielte, aufgrund von geschätzten Besteuerungsgrundlagen fest. Die Klägerin hatte keine Steuererklärungen abgegeben. Das FA ging dabei von steuerpflichtigen Umsätzen von 15 000 DM sowie von Vorsteuerbeträgen von 750 DM aus und setzte die Steuer auf 1 500 DM fest.
In dem nach erfolglosem Vorverfahren von der Klägerin betriebenen finanzgerichtlichen Verfahren legte sie eine Steuererklärung für 1993 vor, erklärte darin mit 15 v.H. steuerpflichtige Umsätze von 2 887 DM und Vorsteuerbeträge von 1 164,81 DM, so dass sich ein Vorsteuerüberschuss ergab. In der dem FA vorgelegten Bilanz zum 31. Dezember 1993 hatte die Klägerin "halbfertige Leistungen" und in der Gewinn- und Verlustrechnung Erlöse für "teilfertige Leistungen" ―jeweils von 17 500 DM― ausgewiesen. Der Bitte des FA und einer Verfügung des Berichterstatters beim Finanzgericht (FG) um Erläuterung, ob es sich dabei um Entgelte für Teilleistungen oder um Anzahlungen für noch nicht ausgeführte Leistungen handele, entsprach die Klägerin zunächst nicht. Sie erklärte später, sie habe den 1993 erbrachten Teil eines Auftrags auf EDV-Abrechnung eines Großbauvorhabens, der 1994 abgewickelt und abgerechnet worden sei, geschätzt. Sie beachtete die weitere Aufforderung des FG nicht, sämtliche Rechnungen vorzulegen, aus denen sie den Vorsteuerabzug ableitete, weil es sich "um eine Schikane" handele.
Darauf wies das FG die Klage ab. Es sah sich aufgrund der von der Klägerin gemachten Angaben nicht in der Lage, die Steuer in dem angefochtenen Bescheid zu ermäßigen.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision aus den in § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichneten Zulassungsgründen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen Abweichung der Vorentscheidung von Grundsätzen eines Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) zuzulassen, weil die Beschwerde nicht den Anforderungen genügt, die nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO zur Darlegung der Abweichung erfüllt werden müssen. Die Klägerin bezeichnet keinen entscheidungserheblichen Rechtssatz aus dem angefochtenen finanzgerichtlichen Urteil und keinen abstrakten Rechtssatz aus den für maßgeblich gehaltenen Entscheidungen des BFH (Urteile vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, und vom 17. März 1994 VI R 120/92, BFHE 174, 89, BStBl II 1994, 536), von denen das FG in der Vorentscheidung abgewichen sein könnte, so genau, dass eine Abweichung erkennbar wird (vgl. zu den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Divergenzbeschwerde: BFH-Beschlüsse vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Die Klägerin behauptet eine Abweichung nur.
2. Auch soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begehrt, hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Die Beschwerdeschrift entspricht nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt und geht außerdem von Voraussetzungen aus, die nicht gegeben sind.
a) Die ausdrücklich und sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe es unterlassen, den Akteninhalt vollständig auszuwerten und Beweise zu erheben und dadurch Verfahrensrecht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, genügt nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt.
Wer einen Verstoß des FG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unvollständiger Auswertung des Akteninhalts und wegen unterlassener Beweiserhebung rügt, muss nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung bezeichnen, welche weitere Aufklärung sich dem FG ―nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung― von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluss vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58), welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt worden ist und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. In Schätzungsfällen muss dies besonders eingehend begründet werden (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juli 1999 X B 10/99, BFH/NV 2000, 434). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin legt in der Beschwerde nicht schlüssig dar, weshalb das FG aus den Gewinn- und Verlustrechnungen für 1993 und 1994 und aus den Steuerakten einen besseren Überblick hätte gewinnen können als durch die vom FG vergeblich angeforderten Unterlagen (Verträge, Rechnungen) über die mit "halbfertige Leistungen" bezeichneten Vorgänge (Verfügung der Berichterstatterin vom 23. September 1998 gemäß § 79b FGO).
Den von der Klägerin bezeichneten Beweisantritten brauchte das FG nach seiner zutreffenden materiell-rechtlichen Beurteilung der Rechtslage nicht zu folgen, weil sie für die Entscheidung unerheblich waren. Ungewisse Vorsteuerbeträge sind grundsätzlich durch Vorlage der Rechnungen nachzuweisen. Der Nachweis ungeklärter Vorsteuerbeträge kann nicht durch die Vorlage einer Kopie des Vorsteuerkontos ersetzt werden.
b) Soweit die Klägerin Verstöße des FG gegen Denkgesetze und ―sinngemäß― gegen die Grundsätze über die Beweiswürdigung rügt, ist dadurch kein Verfahrensmangel, sondern (allenfalls) ein Fehler geltend gemacht, der materielles Recht betrifft (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 21. Juli 1999 X B 203/98, BFH/NV 2000, 435; vom 10. November 1994 IV B 23/94, BFH/NV 1995, 691). Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kommt deswegen nicht in Betracht.
c) Neue Tatsachen und neues Vorbringen nach Ablauf der Beschwerdefrist in dem Schriftsatz der Klägerin vom 16. Dezember 1999 dürfen im Verfahren über die Nichtzulassung der Revision ―ebenso wie im Revisionsverfahren― nicht beachtet werden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 58).
3. Im Übrigen ergeht die Entscheidung ohne weitere Begründung (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
BFH/NV 2000, 1373 |
BBK 2001, 268 |