Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigung einer durch eine nicht postulationsfähige Person eingelegte Revision?; Beiordnung eines Notanwalts zur Wahrnehmung der Rechte vor dem BFH
Leitsatz (NV)
1. Die von einer nicht postulationsfähigen Person eingelegte Revision kann nach Ablauf der Revisionsfrist nicht nachträglich von einem Rechtsanwalt genehmigt werden.
2. Zur Beiordnung eines Notanwalts für die Einlegung einer auf Verfahrensmängel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde müssen diese Mängel zumindest ansatzweise erkennbar sein.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, §§ 116, 155; ZPO § 78b
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übte eine selbständige Tätigkeit als Sachverständiger aus. Für das Streitjahr 1981 erklärte er einen Gewinn aus selbständiger Arbeit in Höhe von . . . DM. Außerdem beantragte er im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 1983 den Abzug von Vorsteuern in Höhe von . . . DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) führte die Steuerveranlagungen zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß durch, forderte den Kläger aber auf, die Belege für seine Betriebsausgaben und die geltend gemachte Vorsteuer einzureichen. Das FA gelangte bei der Überprüfung zu der Überzeugung, daß der Kläger auch private Aufwendungen gebucht hatte. Daraufhin setzte das FA die Einkommensteuer 1981 unter Berücksichtigung eines Gewinns aus selbständiger Arbeit in Höhe von . . . DM auf . . . DM und die Umsatzsteuer auf . . . DM fest, wobei es die abziehbaren Vorsteuern auf . . . DM kürzte.
Für das Streitjahr 1984 setzte das FA die Umsatzsteuer auf ./. . . . DM fest.
Die Einsprüche des Klägers, mit denen dieser bei der Einkommensteuer und Umsatzseuer 1981 die Berücksichtigung aller Aufwendungen und für das Jahr 1984 den Abzug von . . . DM Börsenumsatzsteuer als Vorsteuer beantragte, hatten keinen Erfolg.
Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.
Die Klage wegen Einkommensteuer 1981 hatte teilweise Erfolg; im übrigen wies das Finanzgericht (FG) die Klagen als unbegründet zurück. Dabei folgte das FG dem FA darin, daß die strittigen Aufwendungen (z. B. für Grabpflege, Haushaltsversicherung, Stadtwerke, Spenden, Fernsehgerät, Heizöl, Lebensmittel, Zeitschriften, Arzneimittel, Bekleidung, private Fahrtauslagen, Blumen, Fahrradschlauch, Reparatur von Armaturen, Arbeitshosen und Staubsauger sowie Trachtenmantel) nicht betrieblich veranlaßt, sondern als private Aufwendungen nicht abzugsfähig seien. Das gelte auch für die als Betriebsausgaben verbuchten Privatentnahmen. Das FA habe aber versehentlich für das Jahr 1981 den zu berücksichtigenden Betriebsausgabenbetrag nur mit . . . DM und nicht wie richtig mit . . . DM angesetzt. Die oben ausgeführten Leistungen seien auch nicht für das Unternehmen des Klägers ausgeführt worden, so daß die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht abziehbar seien. Für das Streitjahr 1984 sei das FA zu Recht davon ausgegangen, daß die Börsenumsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehbar sei. Die Umsätze von Wertpapieren seien gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Die Revision ließ das FG nicht zu. Das Urteil wurde dem Kläger am 18. September 1990 zugestellt.
Gegen das Urteil hat der Kläger persönlich mit Schriftsatz vom 16. Oktober 1990 - beim FG eingegangen am 17. Oktober 1990 - Revision eingelegt. Der Kläger macht wesentliche Mängel des Verfahrens geltend, insbesondere habe das FG die strittigen Punkte verharmlost und seine Einwendungen unberücksichtigt gelassen. Dazu hat der Kläger Ausführungen gemacht. Weiter beantragt der Kläger sinngemäß, ihn einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Mit Schriftsatz vom 15. November 1990 hat der vom Kläger beauftragte Prozeßbevollmächtigte unter Bezug auf das Revisionsschreiben des Klägers nochmals Revision eingelegt. Die von ihm angekündigte Revisionsbegründung hat er nicht eingereicht.
Entscheidungsgründe
Die beiden Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden.
Die Revision ist unzulässig, weil der Kläger sie persönlich nicht wirksam einlegen konnte. Er hätte sich gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen müssen. Auf dieses Erfordernis war er in der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils ordnungsgemäß hingewiesen worden.
Dieser Mangel ist durch die nachträgliche Genehmigung der Revisionseinlegung (Schriftsatz vom 15. November 1990) durch den Prozeßbevollmächtigten des Klägers, einen Rechtsanwalt, nicht behoben worden (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Februar 1977 IV B 62/76, BFHE 121, 171, BStBl II 1977, 291), weil die Frist zur Einlegung der Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde bereits am 18. Oktober 1990 abgelaufen war.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der Kläger sinngemäß beantragt hat, ihm wegen der gebotenen Vertretung vor dem BFH durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer einen Notanwalt beizuordnen. Denn der Antrag des Klägers kann keinen Erfolg haben; die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Prozeßvertreters nach § 78 b der Zivilprozeßordnung (ZPO) sind nicht erfüllt.
Gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 78 b ZPO hat das Prozeßgericht einem Beteiligten auf Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrung seiner Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, er einen zu seiner Vertretung bereiten Anwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Seit der Einführung des Vertretungszwangs vor dem BFH hat dieser als Prozeßgericht für die durchzuführende Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde über die Beiordnung zu entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. November 1977 III S 6/77, BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57; vom 9. Dezember 1988 VI S 10/88, BFH/NV 1989, 381, und vom 27. November 1989 IX S 15/89, BFH/NV 1990, 503).
Der Kläger hat indes nicht - wie erforderlich - glaubhaft gemacht, daß er eine gewisse Anzahl von zur Vertretung vor dem BFH befugte Personen vergeblich um die Übernahme des Mandates gebeten hat (BFH-Beschluß in BFH/NV 1989, 381). Aus der Revisionsbegründung vom 16. Oktober 1990 ergibt sich vielmehr, daß er die ihm bekannten Rechtsanwälte . . . und . . . erst darum bitten wolle. Seine neuerliche Behauptung im Schriftsatz vom 10. November 1990, daß er ,,fast durchweg Absagen erhielt", hat er indes nicht substantiiert; sie läßt gerade offen, ob auch alle Angesprochenen die Übernahme des Mandates tatsächlich abgelehnt haben.
Die vom Kläger angestrebte Revision muß zudem aufgrund des vorliegenden Sach- und Streitstandes als aussichtslos beurteilt werden. Die vom Kläger persönlich eingelegte Revision ist - wie dargelegt - mangels Postulationsfähigkeit unzulässig. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) kommt wegen des Verschuldens des Klägers nicht in Betracht. Innerhalb der Revisionsfrist hat er nicht alles ihm Zumutbare getan, um das Hindernis zu beseitigen, das in der fehlenden Bereitschaft eines postulationsfähigen Prozeßvertreters zu seiner Vertretung vor dem BFH bestanden hat.
Außerdem ist aus der Revisionsbegründung des Klägers nicht - wie zu fordern - ansatzweise erkennbar (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57, und vom 29. Oktober 1986 VII S 15/86, BFH/NV 1987, 519), daß die vom Kläger wegen wesentlicher Mängel des Verfahrens vor dem FG erhobene Revision als zulassungsfreie Revision gemäß § 116 FGO zulässig sein könnte. Sämtliche von dem Kläger vorgetragenen Mängel können allenfalls das FG-Urteil . . . betreffen.
Unabhängig davon hat auch der Prozeßbevollmächtigte weder die Revision begründet noch Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dargetan.
Von der Erhebung von Kosten sieht der Senat gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 des Gerichtskostengesetzes im Hinblick auf das Alter des Klägers (87 Jahre) und die gleichzeitige Ablehnung der Beiordnung eines Notanwalts ab.
Fundstellen
Haufe-Index 417617 |
BFH/NV 1992, 481 |