Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine grundsätzliche Bedeutung: Kriterien der Einteilung von Betrieben in Größenklassen; Ablaufhemmung infolge Hinausschiebens des Prüfungsbeginns aufgrund eines AdV-Antrags
Leitsatz (NV)
- Die Finanzverwaltung ist berechtigt, die für Zwecke der Betriebsprüfung erforderliche Einteilung in Größenklassen nach den Werten der zu bestimmten Stichtagen vorliegenden Veranlagungen vorzunehmen.
- Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung einer Prüfungsanordnung führt zur Ablaufhemmung, wenn das FA ‐ auch ohne formelle Entscheidung ‐ aufgrund dieses Antrags den Prüfungsbeginn verschiebt.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 4, § 195; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; BpO § 3
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer Betriebsprüfungsanordnung streitig.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt eine Zahnarztpraxis. Mit Bescheid vom 30. Oktober 1996 ordnete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) unter Hinweis auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) beim Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 1992 bis 1994 an.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er geltend machte, für die Durchführung der Betriebsprüfung sei nicht die Amtsbetriebsprüfung des FA, sondern das FA für Großbetriebsprüfung K zuständig. Das ergebe sich aus § 195 AO 1977. Entsprechend § 3 der Betriebsprüfungsordnung (BpO) sei ein Freiberufler ab dem 1. Januar 1995 als Großbetrieb einzustufen, wenn die Einnahmen aus der freiberuflichen Tätigkeit 6,5 Mio. DM überstiegen oder der steuerliche Gewinn mehr als 850 000 DM betrage. Das FA habe die Einstufung der Betriebe in Größenklassen im Mai 1995 vorgenommen. Seit Februar 1995 hätten dem FA die Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 1993 vorgelegen. Der Gewinn des Jahres 1993 habe danach die Grenze des § 3 BpO überschritten. Somit sei die Zahnarztpraxis als Großbetrieb einzustufen gewesen. Die Prüfungsanordnung sei von einer unzuständigen Stelle erlassen worden und folglich ersatzlos aufzuheben.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, nach der Dienstanweisung zur Neuaufstellung der Betriebskartei zum 1. Januar 1995 seien für die Einordnung in Betriebsgrößenklassen zum 1. Januar 1995 bundeseinheitlich die Werte aus den Veranlagungen für das Jahr 1992 ―ersatzweise für das Jahr 1991― zu Grunde zu legen.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Die Revision gegen sein Urteil ließ das Finanzgericht (FG) nicht zu. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde des Klägers, der das FG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Gründe, auf die eine Nichtzulassungsbeschwerde zulässigerweise gestützt werden kann, ergeben sich im Streitfall noch aus der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (2.FGOÄndG) richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Das Urteil des FG ist am 23. Mai 2000 zugestellt worden.
Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde; sie ist aber jedenfalls unbegründet.
1. Die Frage "welches die Bezugsgrößen sind, die für die stichtagsbezogene Einordnung der Betriebe in Größenklassen von Bedeutung sind" ist nicht klärungsbedürftig i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Juni 1994 VIII R 54/92, BFHE 174, 397, BStBl II 1994, 678) ist geklärt, dass die Finanzverwaltung berechtigt ist, die Einteilung der Betriebe in Größenklassen nach den an bestimmten Stichtagen gegebenen Merkmalen vorzunehmen. Bezugsgrößen sind die in den Steuerfestsetzungen bzw. ‐feststellungen oder hilfsweise die in den Steuererklärungen angegebenen Gewinne oder Gesamtumsätze zu dem für den betreffenden Prüfungsturnus maßgebendenden Stichtag. Demnach war die Finanzverwaltung berechtigt, für den am 1. Januar 1995 beginnenden Prüfungsturnus primär auf die Werte aus der Veranlagung für 1992 zurückzugreifen. Da diese Veranlagung vorlag, bestand kein Anlass, die Werte aus der Steuererklärung für 1993 heranzuziehen. Es liegt auf der Hand, dass es ermessensgerecht ist, wenn die Finanzverwaltung als Bezugsgrößen in erster Linie die Werte aus den Steuerveranlagungen und nicht die aus bloßen Steuererklärungen heranzieht.
2. Ferner hält der Kläger die Frage für klärungsbedürftig, ob ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ausreicht, um den Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 4 AO 1977 zu hemmen.
a) Es kann dahinstehen, ob diese Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig wäre. Dem Erlass einer Prüfungsanordnung steht es nicht entgegen, dass die Steueransprüche, die überprüft werden sollen, möglicherweise verjährt sind (BFH-Urteil vom 23. Juli 1985 VIII R 48/85, BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433). Anders kann es sein, wenn die Verjährung des Steueranspruchs bereits feststeht (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 194 AO 1977 Tz. 17). Es ließe sich außerdem erwägen, ob eine Prüfungsanordnung nicht auch dann gegen das Übermaßverbot verstößt, wenn zur Feststellung der Verjährung offensichtlich keine Feststellungen durch eine Außenprüfung notwendig sind. Der Streitfall erfordert jedoch keine abschließende Beantwortung dieser Fragen.
b) Jedenfalls hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage nicht ausreichend dargetan (zur Darlegungspflicht s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 61, m.w.N.). Nach § 171 Abs. 4 AO 1977 wird der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt, wenn vorher mit einer Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird. Wer durch Anfechtung und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung oder der Festlegung des Prüfungsbeginns bewirkt, dass die Prüfung nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt beginnt, muss ―wenn die Prüfungsanordnung und die Festlegung des Prüfungsbeginns rechtmäßig sind― demjenigen gleichgestellt werden, der die Verschiebung der Prüfung beantragt (BFH-Urteile vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483, und vom 17. Juni 1998 IX R 65/95, BFHE 186, 485, BStBl II 1999, 4). Der Aussetzungsantrag schließt das Begehren ein, den Beginn der Außenprüfung hinauszuschieben, bis über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte entschieden ist (BFH in BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483). Der Kläger hat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung gestellt. Das FA hat ―offensichtlich aufgrund dieses Antrags― nicht mit der Prüfung begonnen. Der Kläger hat auch nicht andeutungsweise dargelegt, warum in einem solchen Fall die Ablaufhemmung nur deswegen entfallen soll, weil über den Aussetzungsantrag nicht förmlich entschieden worden ist. Das wäre umso notwendiger gewesen, als der BFH in seinem Urteil vom 11. Oktober 1983 VIII R 11/82 (BFHE 139, 496, BStBl II 1984, 125, Nr. 2 der Gründe) auch einen nur mündlich gestellten Antrag für geeignet gehalten hat, den Ablauf der Festsetzungsfrist zu hemmen. Daraus folgt, dass auch eine förmliche Bescheidung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung nicht erforderlich ist.
Fundstellen
Haufe-Index 585769 |
BFH/NV 2001, 1009 |