Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderrücklage gemäß § 17 Abs. 4 Satz 3 DMBilG bei der vEK-Gliederung nach § 30 KStG a.F.
Leitsatz (NV)
1. Auf Grund der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung der Rechtslage sind auf Sonderücklagen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 3 DMBilG die Vorschriften der § 29 Abs. 2 Satz 2 und § 54a i.V. mit § 30 Abs. 3 KStG a.F. anwendbar.
2. Ist diesen Grundsätzen nicht entsprochen worden, ist ernstlich zweifelhaft, ob die vorzunehmende Berichtigung bei der Gliederung des vEK als sonstige Vermögensmehrung und damit im EK 02 zu erfassen, oder als Nachholung eines in Vorjahren nicht erfassten Zugangs bei dem Teilbetrag zu behandeln ist, bei dem er sich im Falle seiner zeitgerechten Erfassung ausgewirkt hätte.
Normenkette
KStG § 29 Abs. 2 Sätze 1-2, § 30 Abs. 3, § 40 S. 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 54a; DMBilG §§ 1, 17 Abs. 4, § 27 Abs. 2 S. 3, § 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 1, § 50 Abs. 3 S. 1; AO 1977 § 181 Abs. 5; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Behandlung einer Sonderrücklage gemäß § 17 Abs. 4 Satz 3 des Gesetzes über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung (DMBilG) i.d.F. vom 28. Juli 1994 (BGBl I 1994, 1843) bei der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) gemäß § 30 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre (1995 bis 1998) geltenden Fassung (KStG a.F.).
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) bildete in ihrer nach § 1 DMBilG zu erstellenden DM-Eröffnungsbilanz Rückstellungen entsprechend § 17 DMBilG, in gleicher Höhe ein (aktives) Sonderverlustkonto gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 DMBilG. Dies führte zur Bildung einer entsprechenden Sonderrücklage nach § 17 Abs. 4 Satz 3 DMBilG. Diese Sonderrücklage berücksichtigte die Antragstellerin in der Gliederung ihres vEK gemäß § 30 KStG a.F. nicht. Dem folgte auch der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) nach einer Außenprüfung im Jahre 1996 für die Jahre 1991 bis 1994.
An den nachfolgenden Bilanzstichtagen bis 31. Dezember 1997 schrieb die Antragstellerin das Sonderverlustkonto entsprechend § 17 Abs. 4 Satz 2 DMBilG (wie die Rückstellungen) in Höhe des jeweiligen Aufwandes zur Erfüllung der zugrunde liegenden Verpflichtungen auf 0 DM ab, die Sonderrücklage blieb bis zu diesem Stichtag unverändert.
Für die Jahre 1991 und 1992 hatte die Antragstellerin keine Ausschüttungsbelastung herzustellen, die Herstellung der Ausschüttungsbelastung für die Jahre 1993 bis 1995 erfolgte ausschließlich unter Verwendung von mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträgen des vEK. Für die Jahre 1996 und 1997 war wiederum keine Ausschüttungsbelastung herzustellen. Für das Jahr 1998 nahm die Antragstellerin aus der Sonderrücklage eine Gewinnausschüttung vor.
Im Anschluss an eine Außenprüfung für die Streitjahre vertritt das FA nunmehr die Auffassung, dass die Sonderrücklage bereits in die erstmalige Gliederungsrechnung der Antragstellerin auf den 1. Januar 1991 in den Teilbetrag des vEK gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG a.F. (EK 04) einzustellen gewesen wäre. Die erforderliche Berichtigung sei im Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG a.F. zum 31. Dezember 1995 vorzunehmen, da die Feststellungsbescheide bis einschließlich 31. Dezember 1994 bestandskräftig seien. Dies habe allerdings nicht durch eine Erhöhung des EK 04, sondern des Teilbetrags i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F. (EK 02) zu erfolgen. Somit sei für die Ausschüttung für das Jahr 1998 die Ausschüttungsbelastung herzustellen. Dem entsprechend erließ das FA Änderungsbescheide laut Rubrum.
Dem Antrag der Antragstellerin, diese Bescheide von der Vollziehung auszusetzen, gab das Finanzgericht (FG) mit Beschluss vom 29. Juli 2004 teilweise statt. Es entschied im Ergebnis, zum 31. Dezember 1995 sei das EK 02 der Antragstellerin um den Betrag der Sonderrücklage zu mindern, demgegenüber sei das EK 04 zu den jeweiligen Feststellungszeitpunkten bis zum 31. Dezember 1997 bis zu diesem Betrag entsprechend der jeweils erfolgten Auflösung der Rückstellungen zu erhöhen. Es sei ernstlich zweifelhaft, dass die Sonderrücklage, soweit sie für Ausschüttungen frei geworden sei, nicht dem EK 04 zuzuordnen sei.
Zwar sei die Sonderrücklage jedenfalls seit Einfügung des § 17 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 DMBilG durch das DMBilG-Änderungsgesetz vom 25. Juli 1994, soweit sie in Höhe der Auflösung der zugrunde liegenden Rückstellung verfügbar, nicht zum Ausgleich seit ihrer Bildung aufgelaufener Verluste erforderlich und somit für Ausschüttungen verwendbar gewesen sei, in die Gliederungsrechnung aufzunehmen gewesen. Dies sei vorliegend nicht geschehen; der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG a.F. zum 31. Dezember 1994 sei auch bestandskräftig. Zudem habe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Zuordnung von Teilbeträgen des vEK, die nicht aus der Gliederung zum vorangegangenen Bilanzstichtag abzuleiten seien, weil u.a. ein Ansatz fälschlicherweise unterblieben und die entsprechende Veranlagung nicht mehr änderbar sei, in der ersten noch offenen Gliederungsrechnung beim EK 02 zu erfolgen (BFH-Urteile vom 23. Oktober 1991 I R 97/89, BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154; vom 22. Oktober 1998 I R 122/97, BFHE 187, 273, BStBl II 1999, 101). Allerdings begegne im Streitfall die Annahme des FA, der Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 1994 sei nicht mehr änderbar, ernstlichen rechtlichen Zweifeln. Vorliegend sei nämlich die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die gegenüber der Antragstellerin für die Jahre bis einschließlich 1994 festgesetzte Körperschaftsteuer bei Berücksichtigung der Sonderrücklage im EK 04 statt im EK 02 unverändert bleibe. Darüber hinaus dienten Feststellungsbescheide keinem Selbstzweck. Nach dem der Regelung des § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) zugrunde liegenden Gedanken habe die verfahrensmäßige Verselbständigung des Feststellungsverfahrens hinter der materiellen Richtigkeit der Folgebescheide zurückzutreten, für die noch keine Festsetzungs- oder Feststellungsverjährung eingetreten sei. Durch die Technik der separaten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dürften dem Steuerpflichtigen weder Vor- noch Nachteile entstehen.
Mit seiner Beschwerde begehrt das FA die Aufhebung dieses Beschlusses.
Es verweist unverändert auf die Grundsätze der BFH-Urteile in BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154 und in BFHE 187, 273, BStBl II 1999, 101. Die vom FG betonte Besonderheit des Streitfalls, wonach sich die für die Jahre bis einschließlich 1994 festgesetzte Körperschaftsteuer bei Berücksichtigung der Sonderrücklage im EK 04 (oder EK 02) nicht ändere, stehe der Anwendung der bezeichneten Rechtsprechung nicht entgegen; derartige Ausnahmen seien dort nicht vorgesehen. Der vom FG vollzogenen entsprechenden Anwendung des § 181 Abs. 5 AO 1977 sei nicht zu folgen; sie würde dazu führen, dass es auf die materielle Bestandskraft eines Grundlagenbescheids nicht mehr ankomme.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- entsprechend). Die Vorentscheidung, die Vollziehung der von der Antragstellerin angefochtenen Bescheide jedenfalls im dort bezeichneten Umfang auszusetzen, ist nicht zu beanstanden.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bestehen und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 25. Juli 1994 I B 241/93, BFH/NV 1995, 334; vom 8. August 2001 I B 40/01, BFH/NV 2001, 1536). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
2. Verwendbares Eigenkapital i.S. des § 30 KStG a.F. ist der Teil des Eigenkapitals, der das Nennkapital übersteigt (§ 29 Abs. 2 Satz 2 KStG a.F.). Das in der Eröffnungsbilanz gemäß § 1 DMBilG auszuweisende Eigenkapital, soweit es das Nennkapital übersteigt, ist bei der Gliederung des vEK dem EK 04 zuzuordnen (§ 54a i.V.m. § 30 Abs. 3 KStG a.F.); bei Ausschüttung von EK 04 ergibt sich keine Erhöhung der Körperschaftsteuer (§ 40 Satz 1 Nr. 2 KStG a.F.). Aufgrund der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung der Rechtslage hält der Senat diese Grundsätze auch für "innerhalb der Gewinnrücklagen" auszuweisende Sonderrücklagen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 3 DMBilG für anwendbar (vgl. zur Sonderrücklage gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 DMBilG das Senatsurteil vom 28. April 2004 I R 86/02, BFHE 207, 396, BStBl II 2005, 151).
3. Die Antragstellerin hat in ihren vEK-Gliederungen vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 1994 die Sonderrücklage allerdings nicht berücksichtigt. Dies ist somit im Rahmen der Feststellung gemäß § 47 Abs. 1 KStG a.F. zum 31. Dezember 1995 nachzuholen.
Dabei ist i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft, ob der Rechtsauffassung des FA zu folgen ist, wonach der Betrag der Sonderrücklage nicht beim EK 04, sondern beim EK 02 zu berücksichtigen sei. Den im Zusammenhang damit zu entscheidenden Rechtsfragen misst übrigens auch das FA selbst in seiner Beschwerdebegründung "grundsätzliche Bedeutung" bei.
a) Zwar hat der Senat in den Urteilen in BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154 und BFHE 187, 273, BStBl II 1999, 101, auf die sich das FA beruft, entschieden, dass Abweichungen zwischen dem Eigenkapital laut Steuerbilanz und dem Eigenkapital laut Gliederungsrechnung, die auf eine sachlich unzutreffende bestandskräftige gesonderte Feststellung der Teilbeträge des vEK zum Schluss eines vorangegangenen Wirtschaftsjahres zurückzuführen sind, in der (zu berichtigenden) Gliederungsrechnung als sonstige Vermögensmehrungen oder Vermögensminderungen im EK 02 anzusetzen sind. Im Streitfall ist allerdings keine sachlich unzutreffende Aufteilung einzelner Teilbeträge innerhalb des vEK zu beurteilen, die allein Gegenstand der Feststellung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG a.F. und der Bindungswirkung gemäß § 182 AO 1977 sind, sondern ein aus rechtlichen Erwägungen unterbliebener Einbezug von Teilen des steuerlichen Eigenkapitals in das vEK dem Grunde nach. Die Antragstellerin verweist dazu auf § 29 Abs. 2 Satz 1 KStG a.F., wonach das Eigenkapital in "das für Ausschüttungen verwendbare (verwendbares Eigenkapital) und das übrige Eigenkapital aufzuteilen" sei; vor Einfügung des § 17 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 DMBilG durch das DMBilG-Änderungsgesetz vom 25. Juli 1994 habe aber für die Sonderrücklage eine Ausschüttungssperre bestanden. Dieser Beurteilung ist im Rahmen der Außenprüfung für die Jahre 1991 bis 1994 zunächst auch das FA gefolgt.
In einem solchen Falle ist zumindest zweifelhaft, ob die nunmehr vorzunehmende Berichtigung bei der Gliederung des vEK als sonstige Vermögensmehrung und damit im EK 02 zu erfassen, oder als Nachholung eines in Vorjahren nicht erfassten Zugangs bei dem Teilbetrag zu behandeln ist, bei dem er sich im Falle seiner zeitgerechten Erfassung ausgewirkt hätte (vgl. dazu Senatsbeschluss in BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154, a.E.). Für letztere Beurteilung könnte im Bereich der Anwendbarkeit des DMBilG sprechen, dass in Fällen, in denen die steuerliche Eröffnungsbilanz und die Folgebilanzen (gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 DMBilG) als geändert gelten, diese Fiktion gleichermaßen für die darauf beruhenden Steuerbescheide einschließlich der Bescheide zur Feststellung des vEK gilt (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 207, 396, BStBl II 2005, 151).
b) Diese Unsicherheiten in der rechtlichen Beurteilung werden im Streitfall insbesondere durch dessen --vom FG hervorgehobene-- Besonderheit befördert, dass die Nichtberücksichtigung der Sonderrücklage in den vEK-Gliederungen vom 1. Januar 1991 bis jedenfalls 31. Dezember 1994 keine Auswirkung auf die Körperschaftsteuer der Antragstellerin gehabt hat, nachdem im bezeichneten Zeitraum Ausschüttungen unter Verwendung von mit Körperschaftsteuer nicht belasteten Teilbeträgen des vEK (EK 02 oder 04) nicht erfolgt sind. Ausgangspunkt der zu den Entscheidungen des Senats in BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154 und BFHE 187, 273, BStBl II 1999, 101 führenden Überlegungen waren neben der Bindungswirkung der Bescheide nach § 47 Abs. 1 KStG a.F. auch die Vermeidung der Wiederaufrollung bestandskräftig veranlagter Jahre; eine solche kommt im Falle fehlender steuerlicher Auswirkungen nicht in Betracht. Auch im Hinblick auf Bilanzierungsfehler, die sich in vorangegangenen Jahren nicht erfolgsmäßig ausgewirkt haben, ist anerkannt, dass ihre Berichtigung erfolgsneutral in der Anfangsbilanz des ersten "offenen" Jahres erfolgen kann (vgl. etwa BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512).
c) Daneben braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob dem FG in seiner entsprechenden Anwendung des § 181 Abs. 5 AO 1977 im Streitfall gefolgt werden könnte oder ob vorliegend im Hinblick auf eine --auch vom FA eingeräumte-- ursprünglich anders lautende Verwaltungsauffassung zur Erfassung der Sonderrücklage beim vEK Grundsätze des Vertrauensschutzes eingreifen.
Fundstellen
Haufe-Index 1396070 |
BFH/NV 2005, 1635 |