Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenzrüge und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Leitsatz (NV)
- Die vom FG vertretene Rechtsauffassung, dass eine Erörterung und die Erzielung eines Einverständnisses über die Höhe einer Pensionsrückstellung nicht ohne weiteres auch eine rechtlich bindende Einigung über die Anerkennung der Rückstellung dem Grunde nach enthält, weicht nicht von der Rechtsprechung des BFH ab.
- Der Rechtsfrage, ob eine tatsächliche Verständigung über die Frage der Angemessenheit und Höhe einer Pensionsrückstellung nicht zugleich auch eine tatsächliche Verständigung über den Sachverhalt beinhaltet, der der Pensionsrückstellung zugrunde liegt, kommt eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Entgegen der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) vertretenen Ansicht weicht das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) nicht von den von ihnen zitierten Entscheidungen anderer Gerichte ab (unten 1.). Auch kommt der von ihnen formulierten Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zu (unten 2.).
1. Der beschließende Senat kann offen lassen, ob die von den Klägern erhobenen Abweichungsrügen den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―FGO n.F.― genügen (zu diesen Anforderungen vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479; vom 12. Juli 2002 II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482; vom 12. Juli 2002 XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 42). Jedenfalls weicht das angefochtene FG-Urteil nicht von den von den Klägern zum Beleg des Gegenteils herangezogenen Urteilen des BFH vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76 (BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354) und vom 13. August 1997 I R 12/97 (BFH/NV 1998, 498) und des Niedersächsischen FG vom 19. November 1996 VI 393/92 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1997, 846) ab.
a) Das FG hat die von den Klägern angenommene tatsächliche Verständigung mit den folgenden Erwägungen verneint:
"Hinsichtlich einer 'tatsächlichen Verständigung' führt der Beklagte zutreffend aus, dass ihm die maßgeblichen Tatsachen ―Pensionszusage, Pensionsordnung, Alter der Arbeitnehmerin, Höhe der Pension, betriebliche Gegebenheiten im Zusammenhang mit der Pension sowie auch die Reduzierung des Gehalts der Klägerin (Pensionsberechtigte) im Anschluss an die Zusage der Pension― bekannt waren. Über tatsächliche Umstände, die noch dazu schwer zu ermitteln gewesen wären, ist ersichtlich keine Einigung getroffen worden. Hieran scheitert bereits die Bindung des Beklagten wegen einer 'tatsächlichen Verständigung'. Der Rückschluss der Klägervertreter,
'… Wenn man sich demgemäß über die Angemessenheit der Pensionsrückstellung tatsächlich verständigt, hat man sich damit gleichzeitig über die Pensionszusage und die Angemessenheit der Höhe dieser Pensionszusage tatsächlich verständigt',
geht daher fehl. Darüber hinaus bedeutet eine Erörterung und Erzielung eines Einverständnisses über die Höhe einer Pensionsrückstellung nicht ohne weiteres auch eine rechtlich bindende Einigung dahin gehend, dass die Pensionszusage und damit die Pensionsrückstellung dem Grunde nach anerkannt wird. Eine Einigung über die Höhe eines Bilanzpostens lediglich für den Fall, dass er grundsätzlich anzuerkennen ist, ist nicht ungewöhnlich."
Diese Rechtsausführungen stehen im Einklang mit der ständigen, bis in die jüngste Zeit reichenden Rechtsprechung des BFH, wonach tatsächliche Verständigungen nur über den der Steuerfestsetzung zu Grunde zu legenden Sachverhalt, nicht dagegen über reine Rechtsfragen verbindlich getroffen werden dürfen (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354, unter 3. c und d der Gründe; vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625, unter II. 2. der Gründe; vom 1. Februar 2001 IV R 3/00, BFHE 194, 13, BStBl II 2001, 520, unter 4. der Gründe; vom 28. Juni 2001 IV R 40/00, BFH/NV 2001, 1491, unter 2. a und b der Gründe; vgl. ferner auch BFH-Beschlüsse vom 30. Juli 1997 II B 18/97, BFH/NV 1998, 188, unter 1. und 2.; vom 31. März 1999 VII B 110/98, BFH/NV 1999, 1598; vom 15. März 2000 IV B 44/99, BFH/NV 2000, 1073).
b) aa) Mit diesen Rechtsausführungen ist das FG augenscheinlich nicht von dem von den Klägern zitierten, im BFH-Urteil in BFHE 142, 549, BStBl II 1985, 354 (unter 3. c, letzter Absatz) enthaltenen, im Übrigen eine Selbstverständlichkeit ausdrückenden Satz abgewichen, Einigungen über die Annahme eines bestimmten Sachverhalts und eine bestimmte Sachbehandlung "wirkten sich … auch auf den Steueranspruch aus".
bb) Ebenso wenig ist das FG damit von den Ausführungen im BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 498 (unter 2. der Gründe) abgewichen, wonach eine tatsächliche Verständigung über die Angemessenheit der Geschäftsführer-Gesamtausstattung zulässig sei, wobei die Würdigung als "angemessen" zwar eine rechtliche Beurteilung darstelle, hierin aber zugleich eine Verständigung über tatsächliche Fragen liege.
Denn über einen vergleichbaren Sachverhalt hatte das FG nicht zu entscheiden. Im hier vorliegenden Streitfall hängt die Anerkennung der streitigen Pensionsrückstellung in der von den Klägern begehrten Höhe von zwei, jeweils gesondert zu prüfenden Voraussetzungen ab, nämlich
(1.) ob die Rückstellung dem Grunde nach anzuerkennen war und ―bejahendenfalls―
(2.) ob die Rückstellung auch in der geltend gemachten Höhe gerechtfertigt war.
Wie das FG zutreffend erkannt hat, war lediglich die Frage zu (2.) Gegenstand der Erörterungen zwischen den Beteiligten und dem Betriebsprüfer. Dabei kann dahinstehen, ob hierbei Fragen der Angemessenheit der vom Kläger gebildeten Pensionsrückstellung überhaupt eine Rolle spielten, wofür die vom FG getroffenen Feststellungen allerdings keinen Anhalt bieten. Jedenfalls konnte der Einigung über die Höhe der Rückstellung für die logisch vorrangige (reine) Rechtsfrage nach deren Anerkennung dem Grunde nach schon mangels diesbezüglichen Vorhandenseins jedweder Zweifelsfragen in tatsächlicher Hinsicht ―wie das FG zu Recht entschieden hat― keine Bindungswirkung zukommen.
cc) Schließlich ist das FG auch nicht ―in tragenden Rechtssätzen― von dem Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 1997, 846 abgewichen. Dort (a.a.O., S. 847, linke Spalte, 3. Absatz, am Ende) hat das Niedersächsische FG eine Verständigung über Rechtsfragen "jedenfalls" für zulässig gehalten, "soweit es sich ―wie im Streitfall― um eine Verquickung von Sachverhaltsfeststellungen und der Beurteilung zivilrechtlicher Vorfragen (handele)". Im hier zu beurteilenden Streitfall geht es hingegen, was die Zulässigkeit der Pensionsrückstellung dem Grunde nach anbelangt, weder um die Verquickung von Sachverhaltsfeststellungen und Rechtsfragen noch um die Beurteilung zivilrechtlicher Vorfragen; vielmehr geht es allein um die Beurteilung einer reinen Rechtsfrage von zudem spezifisch steuerrechtlicher Natur.
2. Der von den Klägern formulierten Rechtsfrage, "ob eine tatsächliche Verständigung über die Frage der Angemessenheit und Höhe einer Pensionsrückstellung nicht zugleich auch eine tatsächliche Verständigung über den Sachverhalt, der der Pensionsrückstellung zu Grunde liegt, ist und somit auch mittelbar, wegen des Ineinandergreifens von tatsächlichen und rechtlichen Elementen, eine tatsächliche Verständigung über die steuerliche Zulässigkeit der Pensionszusage …", kommt eine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO n.F. nicht zu.
Abgesehen davon, dass diese Frage in einem künftigen Revisionsverfahren schon mangels des im Streitfall gerade nicht vorliegenden "Ineinandergreifens von tatsächlichen und rechtlichen Elementen" (vgl. dazu oben 1. b, bb) nicht klärungsfähig wäre, ist sie auch nicht klärungsbedürftig. Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen tatsächliche Verständigungen zulässig sind und ob sie sich nicht nur auf Tatsachen, sondern auch auf Rechtsfragen beziehen können, ist durch eine umfangreiche Rechtsprechung des BFH grundsätzlich geklärt (vgl. z.B. die Nachweise unter 1. a). "Sie ist auch nicht durch entgegenstehende Urteile von Finanzgerichten oder gewichtige Stimmen in der Literatur erneut klärungsbedürftig geworden" (BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 1073, unter c; vgl. ferner z.B. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 188).
3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F. abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 958707 |
BFH/NV 2003, 1216 |