Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Lohnsteuerabzug bei nichtselbständigen Prostituierten
Leitsatz (NV)
1. Es bedarf keiner weiteren Klärung, dass Prostituierte Arbeitnehmerinnen sein können, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, nach denen auch sonst nichtselbständige Arbeit angenommen wird.
2. Mit der Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug wird in diesem Fall nicht die Begehung einer rechtswidrigen Tat i.S. von § 125 Abs. 2 Nr. 3 AO 1977 "verlangt", die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 42d Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 125 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 05.04.2004; Aktenzeichen 8 K 3954/02) |
Gründe
Es ist zweifelhaft, ob die Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen an Zulassungsgründe entspricht; sie ist jedenfalls unbegründet.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit der Benennung der vom angefochtenen Urteil ihrer Meinung nach abweichenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesgerichtshofs (BGH) in der erforderlichen Weise einander divergierende Rechtssätze zu vergleichbaren Erscheinungsformen der Prostitution gegenübergestellt hat. Eine Divergenz liegt jedenfalls deswegen nicht vor, weil nach der gefestigten neueren Rechtsprechung beider Gerichte --des BFH wie des BGH-- Prostituierte als Arbeitnehmerinnen angesehen werden können, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, nach denen auch sonst nichtselbständige Arbeit angenommen wird. Das Finanzgericht (FG) hat die für bzw. gegen Nichtselbständigkeit sprechenden Kriterien auf die Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalles angewendet und ist dabei in vertretbarer Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin Prostituierte als Arbeitnehmerinnen beschäftigt habe. Soweit die Klägerin abweichend hiervon einzelne Umstände der Betätigung anders würdigt oder gewichtet, macht sie lediglich geltend, das FG habe materiell-rechtlich unzutreffend entschieden, ohne dass damit eine über die Besonderheiten des Einzelfalles hinausgehende konkrete Rechtsfrage als klärungsbedürftig aufgeworfen wurde.
Es besteht auch kein Klärungsbedarf hinsichtlich einer vermeintlichen Nichtigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides nach § 125 Abs. 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FG hat zutreffend ausgeführt, der steuerlichen Erfassung von Arbeitslöhnen stehe nach § 40 AO 1977 eine mögliche Sittenwidrigkeit der Arbeitsverhältnisse nicht entgegen. Ob, wie die Klägerin für möglich hält, bei der nichtselbständigen Beschäftigung von Prostituierten auch der Tatbestand einer dirigierenden Zuhälterei erfüllt sein kann, war im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Insbesondere sind hierzu keine Feststellungen getroffen worden. Dessen ungeachtet wird mit der Haftungsinanspruchnahme wegen eines zu Unrecht unterbliebenen Lohnsteuerabzugs lediglich die steuerliche Konsequenz daraus gezogen, dass mit einem Verhalten ein Steuertatbestand verwirklicht worden ist und nicht etwa die Begehung einer rechtswidrigen Tat "verlangt", die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht.
Schließlich wurde auch kein Verfahrensmangel geltend gemacht, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Was das äußere Erscheinungsbild als Kriterium für bzw. gegen Nichtselbständigkeit betrifft, stellt es selbst nicht eine Tatsache, sondern eine Schlussfolgerung aus verschiedenen Tatsachen dar, die das FG im Einzelnen wiedergegeben hat. Diese Schlussfolgerung kann auch aus anderen Erkenntnisquellen als der Vernehmung der Freier gewonnen werden, was das FG durch den Zusatz --"insbesondere" aus der Sicht der Freier-- zum Ausdruck gebracht hat. Ungeachtet dessen wurde nicht dargelegt, zu welchen konkreten Tatsachen und mit welchem mutmaßlichen Ergebnis die Freier hätten vernommen werden müssen und warum sich dem FG eine solche Vernehmung auch ohne diesbezüglichen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen.
Soweit die Klägerin rügt, das FG habe gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, indem es trotz des erhobenen "Eintrittsgeldes" die Arbeitnehmereigenschaft der Prostituierten für möglich gehalten habe, macht sie keinen Verfahrensfehler, sondern einen Fehler in der materiellen Rechtsanwendung geltend. Dass "Eintrittsgeld" tatsächlich erhoben worden ist, hat das FG nicht in Zweifel gezogen. Nur hat es bei der Bewertung und Gewichtung der Gesamtumstände des Falles der Tatsache dieser Gelder und ihrer Funktion nicht die Bedeutung beigemessen, die ihr nach der rechtlichen Würdigung der Klägerin zukommt.
Fundstellen
Haufe-Index 1337262 |
BFH/NV 2005, 1061 |
DStRE 2005, 566 |