Entscheidungsstichwort (Thema)
Atypisch stille Gesellschaft bei besonders ausgeprägter Mitunternehmerinitiative auch ohne Beteiligung an den stillen Reserven
Leitsatz (NV)
Ein stiller Gesellschafter kann Mitunternehmer auch ohne Beteiligung an den stillen Reserven sein, wenn seine Mitunternehmerinitiative besonders ausgeprägt ist. Diese Voraussetzung erfüllt nach ständiger Rechtsprechung insbesondere der stille Gesellschafter, der zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der Inhaberin des Handelsgeschäfts ist.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Gründe
Von einer Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757).
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Gemäß Art. 4 2.FGOÄndG richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Das ist hier der Fall.
Den vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) geäußerten Bedenken, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die Divergenzrüge in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. entsprechenden Weise erhoben hat, braucht der Senat nicht weiter nachzugehen, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344).
2. Die Vorentscheidung weicht nicht von dem BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83 (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311) ab. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der BFH dort nicht den Rechtssatz aufgestellt, eine atypisch stille Gesellschaft setze immer voraus, dass der Gesellschafter bei Beendigung der Gesellschaft einen Anspruch auf Beteiligung an dem tatsächlichen Zuwachs des Gesellschaftsvermögens unter Einschluss der stillen Reserven und eines Geschäftswerts haben müsse. Vielmehr heißt es in dem Urteil ausdrücklich, diese Voraussetzung müsse "regelmäßig" vorliegen. In ständiger Rechtsprechung lässt der BFH ein im Hinblick auf die fehlende Beteiligung an den stillen Reserven eingeschränktes Mitunternehmerrisiko ausreichen, wenn die Mitunternehmerinitiative des stillen Gesellschafters besonders ausgeprägt ist. Das ist namentlich bei einer stillen Beteiligung an einer Gesellschaft der Fall, wenn der stille Gesellschafter zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der Inhaberin des Handelsgeschäfts ist (vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 1982 IV R 197/79, BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389; vom 20. November 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336; vom 11. Dezember 1990 VIII R 122/86, BFHE 163, 346; vom 15. Dezember 1992 VIII R 42/90, BFHE 170, 345, BStBl II 1994, 702; vom 18. Februar 1993 IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647; vom 16. Dezember 1997 VIII R 32/90, BFHE 185, 190, BStBl II 1998, 480, und vom 31. August 1999 VIII R 21/98, BFH/NV 2000, 554).
Der dem BFH-Urteil vom 22. Oktober 1987 IV R 17/84 (BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62) zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich vom Streitfall, so dass bereits deshalb keine Divergenz vorliegen kann. In jenem Fall waren ausdrücklich Austauschverträge geschlossen worden, während die Klägerin und der Beigeladene eine stille Gesellschaft vereinbart haben. Zudem war in dem damaligen Fall der Vertragsbeteiligte nicht am Verlust der operativ tätigen GmbH beteiligt. Außerdem war er zwar Geschäftsführer der GmbH, nicht jedoch deren Gesellschafter.
Von dem Urteil des BFH in BFH/NV 2000, 554 weicht die Vorentscheidung ebenfalls nicht ab. Denn dieses Urteil bestätigt ―wie ausgeführt― die bisherige Rechtsprechung, dass auch ohne Beteiligung an den stillen Reserven bei besonders ausgeprägter Mitunternehmerinitiative eine atypisch stille Gesellschaft vorliegen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 635841 |
BFH/NV 2001, 1550 |