Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine hinreichende Erfolgsaussicht bei einem erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellten PKH-Antrag
Leitsatz (NV)
- Die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht bereits deshalb erfolglos, weil die Beschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist durch eine beim Bundesfinanzhof vertretungsbefugte Person oder Gesellschaft erhoben worden ist. Einem Beteiligten, der wegen seiner Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, kann nämlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gewährt werden.
- Für eine Wiedereinsetzung ist indes nach ständiger Rechtsprechung mindestens erforderlich, dass der Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beim Bundesfinanzhof gestellt hat.
Normenkette
FGO §§ 56, 62a, 116 Abs. 2 S. 1, § 142 Abs. 1; ZPO § 78 Abs. 3, § 114 S. 1, § 117 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 118 Abs. 1 Sätze 4-5
Tatbestand
I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) unterhielt in den Streitjahren 1994 bis 1996 eine Handelsvertretung. Den Gewinn aus Gewerbebetrieb ermittelte er gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Außerdem erklärte er für die Jahre 1994 und 1996 aus verschiedenen Anstellungsverhältnissen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger war ferner zu 51 v.H. an der inzwischen im Handelsregister gelöschten X-GmbH (GmbH) beteiligt, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer er ab März 1995 war.
Der Kläger wurde zunächst erklärungsgemäß veranlagt. Während einer 1998/1999 durchgeführten Außenprüfung erstellte ein von ihm beauftragter Steuerberater für die Handelsvertretung nachträglich die Buchführung. Ausgehend von diesen Werten ermittelte der Prüfer im Schätzungswege zusätzliche Betriebseinnahmen und kürzte ferner Betriebsausgaben (Betriebsprüfungsbericht vom 19. April 1999).
Der Beklagte (das Finanzamt ―FA―) erließ entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Messbetragsbescheide für 1994 bis 1996. Das Einspruchsverfahren hatte im Wesentlichen keinen Erfolg und führte für das Jahr 1995 zu einer Verböserung.
Im Klageverfahren forderte die Berichterstatterin den Kläger mit Verfügung vom 22. Juli 2003 gemäß § 79b der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, den Sachvortrag zu einzelnen Einwendungen zu substantiieren und entsprechende Nachweise vorzulegen. Verschiedene Unterlagen gingen beim Finanzgericht (FG) erst nach Ablauf der Ausschlussfrist ein. Sie waren zunächst versehentlich an das Amtsgericht Z gesandt worden.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Die Schätzungen seien nach Grund und Höhe nicht zu beanstanden. Die einzelnen Einwendungen des Klägers sah das FG im Rahmen einer ausführlichen Würdigung weder als hinreichend substantiiert noch als nachgewiesen und im Übrigen auch aus Rechtsgründen als nicht stichhaltig an.
Für eine beabsichtigte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 10. Januar 2004 zugestellte Urteil des FG beantragte der Kläger mit am 13. Februar 2004 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Der Kläger macht geltend, er habe zur mündlichen Verhandlung vor dem FG mit einem geliehenen PKW anreisen wollen. Die Reisekosten hätten ihm durch das FG erstattet werden sollen. Einen Tag vor dem Termin sei an dem PKW ein Schaden in Höhe von rd. 2 300 € entstanden. Niemand habe ihm Geld für eine Bahnfahrt geliehen. Die Reparatur des PKW habe einige Tage gedauert. Diesen Sachverhalt habe er dem FG auch umgehend mitgeteilt.
Einem Antrag auf PKH sei indes nicht stattgegeben worden.
Seit drei Jahren lebe er ohne Sozialhilfe von einer kleinen Rente und mittels Hilfe von Freunden und Bekannten. Ohne PKH und Akteneinsicht könne er indes keine "Verteidigung" aufbauen.
Die Argumente des FA seien nachweislich falsch und nicht haltbar.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2004 hat die Vorsitzende den Kläger ausführlich auf die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH für ein Beschwerdeverfahren sowie auf den Eingang des PKH-Antrages erst nach Ablauf der Beschwerdefrist hingewiesen.
Entscheidungsgründe
II. Der zulässige Antrag auf Gewährung von PKH, für dessen Entscheidung der BFH zuständig ist, wird abgelehnt, weil die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Dem beim Prozessgericht zu stellenden Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Hierbei hat der Prozessbeteiligte die dafür eingeführten amtlichen Vordrucke zu benutzen.
Für den beim BFH als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht kein Vertretungszwang (§ 78 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschluss vom 13. Juli 1995 VII S 1/95, BFH/NV 1996, 10).
2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht bereits deshalb erfolglos, weil die Beschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsbefugte Person oder Gesellschaft i.S. des § 62a FGO erhoben worden ist. Denn einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden.
Für eine Wiedereinsetzung ist indes erforderlich, dass der Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist alles ihm Zumutbare unternimmt, um das in seiner Mittellosigkeit liegende Hindernis zu beheben. Er muss innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen. Dazu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht nur, dass er innerhalb der Beschwerdefrist einen Antrag auf PKH stellt, sondern auch, dass er innerhalb der Beschwerdefrist eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Formblatt vorlegt und sein Rechtsmittelbegehren zumindest in laienhafter Weise so darstellt, dass beurteilt werden kann, ob ein Grund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO für die Zulassung der Revision gegeben ist (BFH-Beschlüsse vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62; vom 15. April 1999 X S 1/99, BFH/NV 1999, 1355; vom 8. Februar 2001 III S 15/00, BFH/NV 2001, 1270, ständige Rechtsprechung).
Der X. Senat des BFH hat im Beschluss vom 14. Oktober 2003 X S 9/03 (PKH) ―BFH/NV 2004, 221― Zweifel geäußert, ob im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verbürgten Rechtsschutzgleichheit für Bemittelte und Unbemittelte (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 26. Juni 2003 1 BvR 1152/02, unter II. 1. a, m.w.N.) die Ablehnung einer PKH für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision noch darauf gestützt werden kann, dass der Antragsteller sein Rechtsbegehren nicht ausreichend dargestellt oder die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingereicht hat. Hierüber braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden. Denn zumindest der Antrag auf Gewährung der PKH muss innerhalb der Beschwerdefrist beim BFH eingehen. Dies hat auch der X. Senat des BFH nicht in Frage gestellt.
3. Im Streitfall hat die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil mangels rechtzeitigem Antrag auf PKH die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben sind.
Nach § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH einzulegen. Da das Urteil dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 10. Januar 2004 zugestellt worden ist, lief die Einlegungsfrist am 10. Februar 2004 ab. Das Schreiben des Klägers ist aber ausweislich des Posteingangsstempels (vgl. § 418 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO) erst am 13. Februar 2004 und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist beim BFH eingegangen.
Weder sind Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersichtlich noch hat der Kläger solche Gründe innerhalb der Antragsfrist gemäß § 56 Abs. 1 und 2 Satz 1 FGO vorgetragen, obwohl die Vorsitzende ihn mit Schreiben vom 18. Februar 2004 auf die Verspätung ausdrücklich hingewiesen hat.
4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; BFH-Beschluss vom 17. September 2002 X S 4/02 (PKH), BFH/NV 2003, 73).
Fundstellen