Leitsatz (amtlich)
Einem im finanzgerichtlichen Verfahren gestellten Antrag auf Beweissicherung kann nur unter den Voraussetzungen der §§ 485 bis 487 ZPO entsprochen werden. Das Amtsermittlungsprinzip rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Normenkette
FGO §§ 82, 155; ZPO §§ 485-494
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Steuerpflichtiger) hat gegen die Einkommensteuer-Bescheide 1964 und 1965 Anfechtungsklage erhoben, über die das FG noch nicht entschieden hat. Im Zuge dieses Verfahrens beantragte er beim FG "zur Beweissicherung den Rechtsanwalt Dr. X, Vaduz/Liechtenstein, dazu zu hören, ob hinsichtlich der Warenautomaten ein echter Kaufvertrag vorliege, hilfsweise, über dieselbe Frage Beweis durch Parteivernehmung des Klägers zu erheben". Zur Begründung berief er sich darauf, daß bei den in Frage stehenden Auslandsbeziehungen die Möglichkeit bestehe, daß Beweismittel verlorengingen oder daß ihre Benutzung erschwert werde.
Der Beschwerdegegner (FA) widersprach diesem Antrag.
Das FG wies den Antrag als unzulässig ab, da es die Voraussetzungen der §§ 485 ff. ZPO nicht für gegeben hielt. Es vertrat die Auffassung, Parteivernehmung sei im Beweissicherungsverfahren nicht zulässig, die Beweisfrage sei nicht hinreichend konkretisiert und es seien auch keine Umstände glaubhaft gemacht, die die Besorgnis rechtfertigten, das bezeichnete Beweismittel werde verlorengehen oder seine Benutzung erschwert werden.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde wendet sich der Steuerpflichtige - ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen - gegen die Auffassung des FG. Insbesondere ist er der Meinung, das im finanzgerichtlichen Verfahren herrschende Amtsprinzip gebiete eine von den §§ 485 ff. ZPO abweichende Ausgestaltung des Beweissicherungsverfahrens. In diesem Verfahren müsse jede Maßnahme für zulässig erklärt werden, die der Aufklärung des Sachverhalts dienlich sei, so auch die Parteivernehmung. Es müsse auch jede Besorgnis in Richtung auf einen Verlust von Beweismitteln oder auf Erschwerung ihrer Benutzung genügen, um den Beweissicherungsantrag als berechtigt erscheinen zu lassen. Vorsorglich berufe er sich nun auch auf das Zeugnis seiner Angestellten, Frau M., deren beschleunigte Vernehmung auf Grund ihres Gesundheitszustandes erforderlich sei.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 82 FGO sind auf die Beweisaufnahme im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit grundsätzlich die Vorschriften der §§ 450 bis 494 ZPO sinngemäß anzuwenden. Zu diesen Vorschriften gehören auch die §§ 485 bis 494 ZPO, die das sog. Beweissicherungsverfahren zum Gegenstand haben. Nach § 485 Satz 2 ZPO ist - soweit im vorliegenden Falle einschlägig - ein Antrag auf Sicherung eines Augenschein-, Zeugen- oder Sachverständigenbeweises nur zulässig, wenn entweder der Gegner zustimmt oder wenn zu besorgen ist, daß das Beweismittel verloren oder seine Benutzung erschwert werde. Nach § 487 ZPO muß das Gesuch um Beweissicherung die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, über welche die Beweisaufnahme erfolgen soll. Ferner muß der Grund dargelegt und glaubhaft gemacht sein, der die Besorgnis rechtfertigt, daß das Beweismittel verloren oder seine Benutzung erschwert werde.
Einem im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit gestellten Antrag auf Beweissicherung kann nur entsprochen werden, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. Das ist hier nicht der Fall.
Eine Beteiligtenvernehmung des Steuerpflichtigen ist unzulässig. Das Beweissicherungsverfahren kann sich kraft der in § 485 ZPO enthaltenen Beschränkung auf Augenschein-, Zeugen- oder Sachverständigenbeweis nicht auf die Beteiligtenvernehmung erstrecken. Der Steuerpflichtige hat überdies weder überzeugend dargelegt noch glaubhaft gemacht, daß seine spätere Vernehmung voraussichtlich nicht mehr oder nur erschwert möglich sein werde. Der Umstand, daß der Steuerpflichtige 66 Jahre alt und durch das Verfahren seelisch belastet ist, reicht hierfür allein nicht aus.
Auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen hinsichtlich des Zeugen Dr. X rechtfertigte dessen Vernehmung im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens nicht. Der Aufenthalt eines Zeugen im nahen Ausland gibt für sich allein keinen Anlaß zur Besorgnis, der Zeuge werde zu gegebener Zeit nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen zu einer Aussage zur Verfügung stehen.
Die Benennung der Zeugin M. war nicht Gegenstand des beim FG gestellten Beweissicherungsantrags. Die insoweit vom Steuerpflichtigen im Beschwerdeverfahren gegebene Darstellung kann daher auch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen. Sofern hinsichtlich dieser Zeugin die Voraussetzungen der §§ 485 ff. ZPO erfüllt sind, bleibt es dem Steuerpflichtigen unbenommen, einen erneuten Antrag auf Beweissicherung beim FG zu stellen. Rein vorsorglich sei indes bemerkt, daß auch hinsichtlich dieser Zeugin ein Beweissicherungsgrund bisher nicht glaubhaft gemacht wurde.
Das vom Steuerpflichtigen in seiner Beschwerde hervorgehobene Amtsermittlungsprinzip rechtfertigt keine andere Beurteilung. Abgesehen davon, daß § 82 FGO die Vorschriften der ZPO über die Beweisaufnahme für sinngemäß anwendbar erklärt, ohne daß - im Gegensatz zu § 155 FGO - einschränkend auf die Unterschiede der Verfahrensarten abgestellt wird, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit geringere Voraussetzungen für eine Beweissicherung ausreichend sein sollten als im Verfahren nach der ZPO. Die §§ 485 ff. ZPO ermöglichen in bestimmten Fällen eine Beweiserhebung zu einem früheren Zeitpunkt, als dies bei normalem Ablauf des Verfahrens geschehen könnte. Der Grund für diese Regelung liegt darin, daß keinem Prozeßbeteiligten zugemutet werden kann, durch den mit einem Rechtsstreit zwangsläufig verbundenen Zeitablauf Beweismittel zu verlieren und dadurch etwa in Beweisnot zu geraten. Diese Interessenlage der Beteiligten besteht in gleicher Weise im Parteiprozeß wie im Amtsermittlungsverfahren. Die sich aus dem Amtsermittlungsverfahren ergebende Besonderheit könnte allenfalls darin gesehen werden, daß das Gericht auch ohne Gesuch eines Beteiligten die Beweiserhebung vornehmen kann. Hierüber ist indes im vorliegenden Falle nicht zu befinden.
Lagen somit die erforderlichen Beweissicherungsgründe nicht vor, so konnte es nicht mehr darauf ankommen, ob die Tatsachen, über welche nach dem Antrag des Steuerpflichtigen eine Beweiserhebung erfolgen soll, hinreichend bezeichnet wurden.
Fundstellen
Haufe-Index 68712 |
BStBl II 1970, 96 |
BFHE 1970, 288 |