Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme bei Beschlüssen
Leitsatz (NV)
1. Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann auch dann beantragt werden, wenn dieses durch Beschluß rechtskräftig beendet worden ist.
2. Zur Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags wegen fehlerhafter Besetzung des Gerichts gehört eine schlüssige Darlegung des geltend gemachten Wiederaufnahmegrundes unter Auseinandersetzung mit dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts und dem senatsinternen Plan über die Mitwirkung der Richter an den Entscheidungen, der vom Vorsitzenden jeweils vor Beginn des Geschäftsjahres aufgestellt wird.
Normenkette
FGO §§ 134, 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 579-580, 578 Abs. 1; GVG § 21g Abs. 2
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat im zweiten Rechtszug Klagen der Antragstellerin wegen Eintragung von Sicherungshypotheken und Anordnung der Zwangsverwaltung abgewiesen. Ein beim Bundesfinanzhof (BFH) gestellter Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für eine gegen das FG-Urteil beabsichtigte Verfahrensrevision und eine Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos.
Im vorliegenden Verfahren beantragt die Antragstellerin die Bewilligung von PKH und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Wiederaufnahme des Verfahrens . . . mit der von ihr beabsichtigten Nichtigkeitsklage. Sie macht u.a. geltend, der Senat sei bei seinem Beschluß . . . nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen und sie deshalb ihren gesetzlichen Richtern entzogen worden (Art.101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes - GG -).
Entscheidungsgründe
Der Antragstellerin kann für die begehrte Wiederaufnahme des Verfahrens keine PKH gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung - Nichtigkeitsklage - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
1. Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann gemäß § 134 FGO nach den Vorschriften des Vierten Buchs der ZPO wieder aufgenommen werden. Nach § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme durch Nichtigkeitsklage oder durch Restitutionsklage erfolgen. Zwar setzt die Wiederaufnahme nach dem Wortlaut des § 578 Abs. 1 ZPO ein durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenes Verfahren voraus. Nach allgemeiner Ansicht kann aber auch ein durch Beschluß rechtskräftig beendetes Verfahren wieder aufgenommen werden (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252, 253 mit Hinweis auf Rechtsprechung und Schrifttum). In diesem Falle ist anstelle einer Nichtigkeitsklage ein Antrag auf Wiederaufnahme zu stellen.
2. Zur Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags gehört die schlüssige Behauptung eines nach den §§ 579, 580 ZPO erheblichen Wiederaufnahmegrundes (vgl. BFH in BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252, 253 m.w.N.). Im Streitfall ergeben die von der Antragstellerin vorgetragenen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - nicht den behaupteten Wiederaufnahmegrund der nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts (§ 579 Abs. 1 Nr.1 ZPO) und die Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art.101 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Antragstellerin beruft sich im wesentlichen auf die Fehlerhaftigkeit des anzufechtenden PKH-Beschlusses aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen. Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedoch kein Wiederaufnahmegrund i.S. der §§ 579, 580 ZPO.
Soweit die Antragstellerin darüber hinaus vorträgt, der Senatsvorsitzende habe gegen das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und den Geschäftsverteilungsplan verstoßen, indem er ,,die Richter. . ., deren etatfreundliche Einstellung zu Rechtssachen er genau kannte, nach seinem höchsteigenen Gusto für die Sitzgruppe in vorliegender Beschlußsache aus den seinem Senat zur Verfügung stehenden Richtern ausgewählt und zur Beschlußfassung bestimmt hat", fehlt es an der Schlüssigkeit der Behauptung fehlerhafter Senatsbesetzung, weil hierfür keinerlei Tatsachen vorgetragen worden sind.
Eine schlüssige Darlegung der nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Senats wegen willkürlicher, auf den konkreten Einzelfall bezogenen Besetzung der Richterbank durch den Senatsvorsitzenden hätte eine Auseinandersetzung mit dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts und dem senatsinternen Plan über die Mitwirkung der Senatsmitglieder an den Entscheidungen, der vom Senatsvorsitzenden jeweils vor Beginn des Geschäftsjahres aufgestellt wird (§ 21g Abs. 2 GVG), geboten. Die Antragstellerin hat aber nicht vorgetragen, aus welchen Gründen die Besetzung des Senats in dem mit dem Wiederaufnahmeantrag anzufechtenden Beschluß nicht den abstrakt-generellen Grundsätzen entsprochen haben soll, die sich aus dem Mitwirkungsplan des Senats ergeben. Ihr Vorbringen enthält lediglich nicht näher substantiierte Vorwürfe gegen den Vorsitzenden und die Richter, die an dem Beschluß mitgewirkt haben.
Nach der senatsinternen Mitwirkungsregelung für das Jahr 1992 ist eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts für den Streitfall nicht ersichtlich. Einer Auseinandersetzung mit den für das Streitjahr geltenden Mitwirkungsgrundsätzen bedarf es nicht, weil nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen die Antragstellerin die Mitwirkung der danach zur Entscheidung berufenen Richter rügt. Der Senat hat im übrigen in dem zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluß . . . im einzelnen ausgeführt, daß die in Beschlußsachen geltende Dreier-Besetzung (§ 10 Abs. 3 FGO), die sich aus dem senatsinternen Mitwirkungsplan ergibt, weder das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters noch die Vorschrift des § 21g Abs. 2 GVG verletzt.
Es ist nach allem davon auszugehen, daß auch nach Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten im PKH-Verfahren durch diesen eine nicht ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts (§ 579 Abs. 1 Nr.1 ZPO) im Streitfall nicht schlüssig gerügt werden könnte.
Für eine Entscheidung über die PKH kommt es nicht darauf an, ob die Antragstellerin den Mitwirkungsplan des Senats gekannt hat oder hätte kennen sollen. Es ist - unter Berücksichtigung der entscheidungserheblichen Tatsachen - allein auf die Erfolgsaussicht des Wiederaufnahmebegehrens i.S. des § 114 ZPO abzustellen, die nach Auffassung des Senats nicht gegeben ist.
Fundstellen
Haufe-Index 418514 |
BFH/NV 1993, 305 |