Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsfrage, ob eine betriebliche Unterstützungskasse die persönliche Körperschaftsteuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen könne, weil sie ihrem Trägerunternehmen ein zu niedrig verzinsliches langfristiges Darlehen gewährt habe, ist von grundsätzlicher Bedeutung.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 7
Tatbestand
Im Klageverfahren, welches die Körperschaftsteuerveranlagungen 1970 bis 1973 betraf, war streitig, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Unterstützungskasse in der Form eines eingetragenen Vereins, die Körperschaftsteuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG deshalb nicht in Anspruch nehmen könne, weil die Kasse ihrem Trägerunternehmen ein zu niedrig zu verzinsendes Darlehen gewährt habe.
Die Klägerin wurde im Jahre 1951 gegründet. Das Kassenvermögen betrug zum 31. Dezember 1973 rd. 100 000 DM. Dieses Vermögen bestand von Anfang an ausschließlich in einer Darlehensforderung gegen das Trägerunternehmen, eine OHG. Das Darlehen wird seit seiner Hingabe im Jahr 1951 mit 4 v. H. verzinst. Die OHG behandelte die Verpflichtung gegenüber der Klägerin als langfristige Verbindlichkeit (Dauerschuld im gewerbesteuerrechtlichen Sinn).
Aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahre 1973 hat der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) die persönliche Steuerbefreiung der Klägerin abgelehnt. Das FA zog die Einnahmen der Klägerin zur Körperschaftsteuer heran, mit der Begründung, die Verzinsung der Darlehensforderung mit 4 v. H. sei unangemessen niedrig und daher steuerschädlich.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG führte aus, es könne unentschieden bleiben, ob nach der Satzung der Klägerin die ausschließliche und unmittelbare Verwendung des Vermögens dauernd gesichert sei. Die Abweisung der Klage rechtfertige sich für die Streitjahre jedenfalls daraus, daß die Klägerin ihre Mittel nicht tatsächlich ausschließlich für ihre sozialen Zwecke eingesetzt habe. Die Hingabe von Darlehen an das Trägerunternehmen stehe der Steuerfreiheit an sich nicht entgegen (Hinweis auf Urteil des BFH vom 29. Januar 1969 I 247/65, BFHE 95, 4, BStBl II 1969, 269). Es diene jedoch nicht dem eigenständigen Zweck einer betrieblichen Unterstützungskasse, wenn diese nur unangemessen niedrige Zinsen erhalte. Als angemessen wäre ein Zinssatz von 6 v. H. oder von 1 v. H. über Bundesbankdiskontsatz als seinerzeit übliche Rendite für festverzinsliche Anleihen anzusehen. Gerade in den Streitjahren hätte die Klägerin höhere Zinsen erzielen können. Diese Ertragschancen im Rahmen ihres sozialen Zweckes wahrzunehmen, wäre die Klägerin gehalten gewesen. Daß ihre Geschäftsführung diese Anlagemöglichkeit, welche den Zinsertrag nahezu hätte verdoppeln können, nicht wahrgenommen habe, liege nicht im Interesse und dem satzungsmäßigen Zweck der Klägerin, sondern im geschäftlichen Interesse des Trägerunternehmens, welches auf diese Weise in der Hochzinszeit über billiges Geld verfügt habe. Dem könne die Klägerin nicht mit dem Hinweis auf die Sicherheit der Geldanlage entgegentreten. Anlagen in hochverzinslichen Festgeldern wären ebenfalls nicht mit nennenswerten Risiken verbunden gewesen.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend. Es handele sich um das Interesse eines größeren Kreises von Steuerpflichtigen an einer einheitlichen Handhabung des Rechts. Eine einheitliche Praxis der Finanzbehörden bestehe in dieser Frage nicht. Die Problematik der Angemessenheit von Zinsen habe für einen größeren Kreis von Steuerpflichtigen grundsätzliche Bedeutung.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Das FA hält die Beschwerde nicht für begründet.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn ihre Entscheidung nicht nur für die Beteiligten wichtig ist, sondern im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung liegt und bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen aufwirft, deren im künftigen Revisionsverfahren zu erwartende Entscheidung der Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu dienen geeignet ist (BFH-Beschlüsse vom 20. September 1966 VII B 3/66, BFHE 86, 791, BStBl III 1966, 653; vom 20. September 1966 VI B 23/66, BFHE 87, 27, und seither ständige Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen sind bei der vorliegenden Sache erfüllt. Die Darlehensgewährung an das Trägerunternehmen ist die in der Praxis häufigste Form der Vermögensanlage der betrieblichen Unterstützungskassen (vgl. Heissmann, Betriebliche Unterstützungskassen, 3. Aufl. 1966, S. 206). Die Zahl der Unterstützungskassen wird von Heissmann (a. a. O., S. V) mit 8 000 bis 9 000 angegeben. Nach dem Sozialbericht 1976 der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 7/4953 vom 1. April 1976, Tz. 89, S. 36) haben 18,2 v. H. aller Unternehmen mit betrieblicher Altersversorgung die Form der Unterstützungskasse gewählt. Die Frage der Angemessenheit einer Verzinsung solcher Darlehen ist daher in einer Vielzahl von Fällen von Bedeutung. Wann eine angemessene Verzinsung vorliegt, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Fest steht nur, daß die Anlage des nichtbenötigten Kassenvermögens ohne nachteilige steuerrechtliche Folgen auch durch Hingabe von Darlehen an das Trägerunternehmen erfolgen kann (vgl. BFH-Urteile I 247/65 und vom 24. Mai 1973 IV R 39/68, BFHE 109, 350, BStBl II 1973, 632). Nach Abschn. 16 Abs. 6 KStR 1969 können die Mittel der Kasse gegen angemessene Verzinsung auch dem Betrieb zur Verfügung gestellt werden, der Träger der Kasse ist. Nähere Ausführungen zur Frage der Angemessenheit finden sich indes dort nicht. Im Schrifttum wird die Angemessenheit der Verzinsung unterschiedlich beurteilt. Herrmann-Heuer (Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 109 zu § 4 KStG) halten die Vereinbarung einer angemessenen Verzinsung für unbedingt notwendig. Eine allgemein gültige Regel, mit welchem Zinsfuß die Darlehen zu verzinsen sind, lasse sich indes nicht aufstellen. Angemessen seien die handelsüblichen Zinsen, wobei - um unnötige Arbeit zu sparen - eine einheitliche Zinsabmachung für die Dauer der Hingabe getroffen werden könne. Ein Zinssatz von 6 v. H. oder 1 v. H. über Bundesbankdiskontsatz dürfte, gemessen an der heutigen wirtschaftlichen Situation (Mitte 1969) - Rendite von festverzinslichen Anleihen -, im allgemeinen keinen Anlaß zu Beanstandungen geben. Heissmann (a. a. O., S. 191) ist der Ansicht, daß, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorlägen, ein solcher Darlehenszins als nicht zu niedrig anzusehen sein dürfte, wenn er eine Untergrenze von 1 v. H. über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank oder aber den gesetzlichen Zinsfuß von 4 v. H. nach § 246 BGB nicht unterschreite. Ein Zinsfuß von nicht mehr als 6 v. H. könne im allgemeinen nicht als zu hoch beanstandet werden.
Die Problematik der angemessenen Verzinsung von Darlehen an das Trägerunternehmen besteht darin, daß der angemessene Zinssatz weder über- noch unterschritten werden darf. Wird er überschritten, so handelt es sich insoweit um Zuwendungen i. S. des Gesetzes über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen vom 26. März 1952 (BGBl I, 206, BStBl I 1952, 227), jetzt - hinsichtlich der Unterstützungskassen -§ 4 d des EStG 1975. Wird der angemessene Zinssatz dagegen unterschritten, so wird hierdurch die persönliche Steuerbefreiung der Unterstützungskasse nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG gefährdet. Dabei ist in Fällen langfristiger Darlehensgewährung - wie hier - auch die bisher nicht geklärte Frage wichtig, ob sich die Vertragsbeteiligten in ihren Vereinbarungen auf Veränderungen des allgemeinen Zinsniveaus einrichten müssen.
Nach alledem kommt der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu.
Fundstellen
Haufe-Index 72067 |
BStBl II 1977, 442 |
BFHE 1977, 325 |