Entscheidungsstichwort (Thema)
Atypisch stiller Gesellschafter; Mitunternehmerrisiko; Mitunternehmerinitiative
Leitsatz (NV)
1. Zur Frage, ob die Vereinbarung pauschaler (vereinfachter) Methoden zur Bestimmung des Abfindungsanspruchs eines atypisch stillen Gesellschafters geeignet ist, das volle mitunternehmerische Risiko zu begründen.
2. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass von einer besonderen Ausprägung der Initiativbefugnisse nur dann auszugehen ist, wenn dem stillen Gesellschafter Aufgaben der Geschäftsführung zur selbstständigen Ausübung übertragen werden.
Normenkette
EStG §§ 15-16; FGO §§ 76, 115-116
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 21.08.2008; Aktenzeichen 3 K 3988/05 F) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --X-GmbH (GmbH)-- betreibt den Handel mit Gütern aller Art, insbesondere mit Lebensmitteln. Am Kapital der GmbH war der Beigeladene (D.) mit 33,3 % beteiligt. Nachdem D. den Anteil unentgeltlich seiner Ehefrau übertragen hatte, beteiligte er sich aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 27. September 1997 (GV) als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 300 000 DM am Unternehmen der GmbH. Nach dem GV, der die Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern abschließend regeln sollte (§ 2 GV), war ausschließlich die GmbH geschäftsführungsbefugt (§ 4 GV) und der Beigeladene lediglich entsprechend § 233 des Handelsgesetzbuchs (HGB) kontrollberechtigt (§ 5 GV). Am Gewinn und Verlust sollte D. entsprechend dem Verhältnis seiner (stillen) Einlage zum gesamten Eigenkapital teilnehmen; für Verluste bestand jedoch keine Nachschusspflicht des Stillen (§ 9 GV). Bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses stand D. ein Auseinandersetzungsanspruch in Höhe des Werts seiner Einlage zu, der mit dem 5-fachen des zuletzt auf D. entfallenden Jahresgewinns anzusetzen war; im Verlustfall sollte der Buchwert gelten (§ 15 GV). Nachdem die Klägerin erstmals im Jahre 2002 Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung eingereicht hatte, nach denen der Beigeladene für die Jahre 1997 bis 2000 (Streitjahre) als Mitunternehmer (atypisch stiller Gesellschafter) zu qualifizieren sei, erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Betriebsprüfung einen negativen Feststellungsbescheid, mit dem das Bestehen einer mitunternehmerschaftlichen Verbindung nicht anerkannt wurde. Während des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin Kopien von zwei Vereinbarungen vor. Nach der Abrede vom 20. September 1997 bevollmächtigte Frau D. den Beigeladenen unwiderruflich, die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der GmbH nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben. Gemäß der weiteren Kopie (Vereinbarung vom 30. September 1997 zwischen der GmbH und dem Beigeladenen) sollten über den üblichen Geschäftsbetrieb hinausgehende sowie im Einzelnen genannte (Grundlagen-)Geschäfte nur mit Zustimmung des Beigeladenen vorgenommen werden können.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Der Mitunternehmerstellung des D. stehe --so das Finanzgericht (FG)-- zum einen entgegen, dass er bei Beendigung der Gesellschaft nicht am tatsächlichen Zuwachs des Gesellschaftsvermögens unter Einschluss der stillen Reserven und eines Geschäftswerts beteiligt gewesen sei; Letzteres erfordere die Bestimmung des Auseinandersetzungsanspruchs auf der Grundlage einer bei der Unternehmensbewertung üblichen Methode, im Streitfall sei hingegen lediglich im Sinne einer Globalabfindung ein pauschaler Multiplikator vereinbart worden (§ 15 GV). Das hiernach schwach ausgeprägte unternehmerische Risiko sei zum anderen --so die Vorinstanz weiter-- auch nicht durch signifikante Initiativrechte des D. ausgeglichen worden, da dies nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) voraussetze, dass der stille Gesellschafter wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens Einfluss nehmen könne und ihm --sei es als Prokurist oder leitender Angestellter, sei es auf der Grundlage umfassender Weisungsrechte-- typische unternehmerische Entscheidungen im Bereich der laufenden Geschäftsführung eingeräumt werden; nicht ausreichend seien hingegen bloße Zustimmungsvorbehalte oder nur faktische Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Geschäftsführung. Da dem Beigeladenen solche Initiativ- oder Weisungsrechte auch durch die im Einspruchsverfahren vorgelegten Vereinbarungen nicht vermittelt worden seien, bestehe --so das FG sinngemäß-- auch keine Veranlassung, den vom FA "nicht ohne Grund geäußerten Zweifeln" an den Schriftstücken vom 20. und 30. September 1997 nachzugehen.
Entscheidungsgründe
II. Die von der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rüge, das Urteil der Vorinstanz beruhe deshalb auf einem Verfahrensmangel, weil das FG verschiedene Zeugen, die die besondere Ausprägung der unternehmerischen Initiativrechte des Beigeladenen hätten bestätigen können, nicht vernommen und deshalb gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen verstoßen habe, ist unschlüssig (§§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 3, 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dem Vortrag der Klägerin ist weder zu entnehmen, weshalb sich der Vorinstanz eine solche Beweiserhebung auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, noch wird deutlich, inwiefern die nunmehr für erforderlich erachtete Sachverhaltsaufklärung --ausgehend vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG-- zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Abgesehen davon, dass einer der benannten Zeugen (Herr L.) im Erörterungstermin (17. April 2008) angehört worden ist, fehlen zudem jegliche Ausführungen dazu, weshalb der geltend gemachte Verfahrensverstoß nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem FG (21. August 2008) gerügt worden ist (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--; vgl. zu allem Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70, m.w.N.).
2. Unsubstantiiert ist ferner die Rüge, die Vorinstanz sei im Hinblick auf die Anforderungen an das mitunternehmerische Risiko (Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens gemäß üblicher Methoden für die Ermittlung des Geschäftswerts) von der Rechtsprechung des BFH und ferner bezüglich der Beurteilung der Mitunternehmerinitiative des D. vom Urteil des FG Düsseldorf vom 25. Oktober 2006 7 K 2887/05, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 704 (Revision IV R 100/06) abgewichen. Die Darlegung einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbsatz FGO) erfordert, dass --was die Beschwerde nicht beachtet hat-- abstrakte und tragende Rechtssätze im Urteil der Vorinstanz sowie in den in Bezug genommenen Entscheidungen so genau bezeichnet werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42, m.w.N.).
3. Nicht durchzugreifen vermag weiterhin der Vortrag, die Revision sei zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Halbsatz FGO). Ebenso wie die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt auch der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Halbsatz FGO) nicht nur eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage voraus, deren Beantwortung im allgemeinen Interesse liegt; erforderlich ist zudem, dass die als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage im künftigen Revisionsverfahren auch geklärt werden kann (sog. Entscheidungserheblichkeit, BFH-Beschluss vom 6. April 2009 XI B 61/08, juris, m.w.N.).
a) Hiernach vermögen die Ausführungen der Beschwerde, nach denen es der Klärung bedürfe, ob die in der Praxis gebräuchlichen und auf der Multiplikation der Firmenergebnisse beruhenden Wertermittlungen als verkehrsübliche (vereinfachte) Methoden zur Bestimmung des Abfindungsanspruchs eines ausscheidenden Gesellschafters geeignet seien, das volle Mitunternehmerrisiko im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu begründen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Juni 1981 IV R 61/78, BFHE 134, 261, BStBl II 1982, 59), die Revision nicht zu eröffnen.
Zwar ist es zutreffend, dass der IDW Standard "Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen" --IDW S 1 i.d.F. vom 2. April 2008-- darauf hinweist, dass für Zwecke der Bewertung kleiner und mittelgroßer Unternehmen in der Praxis gelegentlich auf vereinfachte Preisfindungen unter Anwendung von Ergebnismultiplikatoren zurückgegriffen wird und sich demgemäß der Preis für das Unternehmen als Produkt eines als repräsentativ angesehenen Ergebnisses vor Steuern mit einem branchen- bzw. unternehmensspezifischen Faktor ergeben kann (Abschn. 8.3.4.). Gleichwohl gibt der Streitfall keine Gelegenheit, die aufgeworfene Rechtsfrage zu klären. Abgesehen davon, dass das Adverb "gelegentlich" darauf schließen lässt, dass in der Praxis über die Anwendung vereinfachter Bewertungsverfahren nur anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden wird, kann jedenfalls kein Zweifel daran bestehen, dass der in § 15 GV vorgenommene Rückgriff auf den Gewinn nur eines Jahres nicht als ein "repräsentatives Ergebnis" anzusehen ist, auf das eine --auf die Bestimmung des "wirklichen" Werts der Beteiligung gerichtete-- vereinfachte Bewertung gestützt werden könnte. Hiermit übereinstimmend sieht das vereinfachte Ertragswertverfahren nach den §§ 199 ff. des Bewertungsgesetzes n.F. (BewG n.F.) vor, dass der hierfür anzusetzende, zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag regelmäßig aus dem Durchschnitt der Betriebsergebnisse in den letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren abzuleiten ist (§ 201 Abs. 1 und 2 BewG n.F.). Demgemäß können der Beschwerdeschrift auch keine Erläuterungen dazu entnommen werden, ob und aus welchem Grunde es sich bei dem in § 15 GV vereinbarten Multiplikator (5) um einen branchen- bzw. unternehmensspezifischen Faktor handelt.
b) Die Revision ist ferner nicht deshalb zuzulassen, weil es nach Ansicht der Beschwerde der Klärung bedarf, ob umfassende Vetorechte dem stillen Gesellschafter eine ausgeprägte Mitunternehmerinitiative des Inhalts vermitteln, dass hierdurch sein nur begrenztes mitunternehmerisches Risiko ausgeglichen wird.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist zum einen geklärt, dass von einer besonderen Ausprägung der Initiativbefugnisse dann auszugehen ist, wenn dem stillen Gesellschafter Aufgaben der Geschäftsführung zur selbstständigen Ausübung übertragen werden (BFH-Urteil vom 7. November 2006 VIII R 5/04, BFH/NV 2007, 906). Geklärt ist zum anderen, dass eine solche mitunternehmerische Geschäftsführungsbefugnis auch dann zu bejahen ist, wenn der Inhaber des Handelsgewerbes Maßnahmen in bestimmten Tätigkeitsbereichen der Geschäftsführung nur gemeinsam mit dem (widerspruchsberechtigten) stillen Gesellschafter durchführen kann (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2003 VIII R 6/93, BFH/NV 2004, 1080). Ob letztere Voraussetzungen erfüllt werden, ist mithin keine --in einem Revisionsverfahren zur Fortbildung des Rechts zu klärende-- Frage von allgemeinem Interesse; vielmehr ist der Umfang der konkret vereinbarten Widerspruchsrechte von der Tatsacheninstanz zu ermitteln und unter Berücksichtigung sämtlicher rechtlicher und tatsächlicher Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Aus dem nämlichen Grund vermag auch der Hinweis auf das Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2007, 704 (Revision IV R 100/06), das zudem zu einem dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt ergangen ist (Sonderrecht des stillen Gesellschafters auf Bestellung und Abberufung eines alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers), der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Fundstellen
Haufe-Index 2239386 |
BFH/NV 2009, 1981 |