Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung bei Antrag auf Terminsverlegung
Leitsatz (NV)
1. Es ist Aufgabe des Vorsitzenden (nicht des Berichterstatters), bei einem Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung die Glaubhaftmachung der erheblichen Gründe zu verlangen.
2. Die Ablehnung einer Terminsverlegung kann trotz Vorliegens erheblicher Gründe ausnahmsweise ermessensgerecht sein, wenn offenkundig Prozeßverschleppungsabsicht vorliegt oder wenn der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten in anderer Weise erheblich verletzt hat.
Normenkette
FGO § 119 Nr. 3, § 155; ZPO § 227 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhob Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1982 bis 1984. Mit Verfügung des Vorsitzenden des Finanzgerichts (FG) vom 4. September 1990 wurde die mündliche Verhandlung auf den 13. November 1990 anberaumt. Am 7. September 1990 wurde die Ladung dem Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt. Am 7. November 1990 teilte die Ehefrau des Bevollmächtigten dem Berichterstatter telefonisch mit, ihr Ehemann sei ins Krankenhaus eingeliefert worden; der Termin zur mündlichen Verhandlung solle auf Januar 1991 verschoben werden. Der Berichterstatter bat um einen schriftlichen Antrag und um eine ärztliche Bescheinigung. Ebenfalls am 7. November 1990 ging beim FG ein von der Ehefrau des Bevollmächtigten in dessen Auftrag unterzeichnetes Schreiben des Bevollmächtigten ein. In dem Schreiben heißt es, der Bevollmächtigte befinde sich seit dem 7. November 1990 wegen einer Operation im Krankenhaus in A und beantrage die Verlegung des Termins in den Monat Januar 1991.
Das FG verhandelte am 13. November 1990 ohne den Bevollmächtigten. Im klageabweisenden Urteil wies das FG den Antrag des Bevollmächtigten auf Verlegung des Termins zurück,,,weil die krankheitsbedingte Verhinderung des Klägervertreters nicht glaubhaft gemacht worden ist (vgl. Vermerk über das Telefongespräch des Berichterstatters mit der Frau des Klägervertreters am 7.11. 1990) und die Klin. ihren prozessualen und steuerlichen Mitwirkungspflichten seit März 1990 nicht nachgekommen ist (vgl. gerichtliche Verfügung vom 15.3. 1990 sowie BFH-Beschluß vom 20.6. 1974 IV B 55-56/73, BStBl II 1974, 637".
Die Klägerin hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, mit der sie u.a. die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung der Terminsverlegung rügt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Die Revision war wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr.3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG hat durch die in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin durchgeführte mündliche Verhandlung den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG-) verletzt. Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Termin ,,aus erheblichen Gründen" verlegt werden. Liegen erhebliche Gründe im Sinne dieser Vorschrift vor, verdichtet sich das dem FG eingeräumte Ermessen zu einer Rechtspflicht. In diesem Fall muß der Termin zur mündlichen Verhandlung zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1990 III B 102/90, BFHE 163, 115, BStBl II 1991, 240, m.w.N.).
2. Die Einlieferung des Bevollmächtigten der Klägerin am 7. November 1990 in das namentlich bezeichnete Krankenhaus kam als erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO in Betracht. Diese Verhinderung des Bevollmächtigten war vergleichsweise leicht überprüfbar. Sofern jedoch Zweifel am Vorliegen des Verhinderungsgrundes bestanden, war es gemäß § 227 Abs. 2 ZPO Aufgabe des Vorsitzenden, die Glaubhaftmachung zu verlangen. Ein solches Verlangen hat der Vorsitzende auf den schriftlichen Antrag des Bevollmächtigten vom 7. November 1990 nicht geäußert. In Ermangelung dessen durfte das FG im Urteil den Verlegungsantrag nicht mit der Begründung zurückweisen, die krankheitsbedingte Verhinderung des Bevollmächtigten sei nicht glaubhaft gemacht worden.
3. Zwar kann ausnahmsweise die Ablehnung einer Terminsverlegung trotz Vorliegens erheblicher Gründe ermessensgerecht sein, wenn offenkundig Prozeßverschleppungsabsicht vorliegt oder wenn der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten in anderer Weise erheblich verletzt hat (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 91 FGO Tz.1, mit Nachweisen). Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht schon deshalb vor, weil die Klägerin den in der Aufklärungsverfügung des Berichterstatters enthaltenen Auflagen zur Vorlage von Unterlagen und Nachweisen nicht nachgekommen ist. Die Klägerin hatte zum einen im Schriftsatz vom 24. Oktober 1990 ausgeführt, daß sie die Auflagen des Berichterstatters nicht für gerechtfertigt halte. Zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Klägerin die geforderten Auflagen noch in der mündlichen Verhandlung ohne Verzögerung des Rechtsstreits hätte erfüllen können (vgl. Art. 3 § 3 Abs. 2 Nr.1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit). Daran war sie jedoch verhindert, weil ihr Bevollmächtigter dem Senat nachgewiesen hat, daß er vom 7. bis 20. November 1990 im Krankenhaus behandelt wurde.
4. Gemäß § 119 Nr.3 FGO ist stets anzunehmen, daß das Urteil auf der Versagung des rechtlichen Gehörs beruht.
Fundstellen
Haufe-Index 418568 |
BFH/NV 1993, 180 |