Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für Abzinsung eines Gesellschafterdarlehens
Leitsatz (NV)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein als verzinslich vereinbartes Gesellschafterdarlehen allein deshalb steuerrechtlich als unverzinslich behandelt werden kann, weil Zinsen tatsächlich nicht gezahlt worden sind und der Darlehensgeber einen Rangrücktritt zu Gunsten anderer Gläubiger der Gesellschaft erklärt hat.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3; AO § 41 Abs. 2 S. 1; FGO § 69 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine GmbH, wurde 1996 gegründet. In den Folgejahren erhielt sie von ihren Gesellschaftern in größerem Umfang Darlehen, die nach einem vom 23. Oktober 1998 datierenden Gesellschafterbeschluss mit 2 % verzinst werden sollten. Zugleich hatten die Gesellschafter zur Abwendung einer Überschuldung der Antragstellerin Rangrücktritte für alle gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschafterdarlehen erklärt. Im Jahr 2006 wies die Antragstellerin erstmals ein positives Ergebnis aus.
Bei der Veranlagung der Antragstellerin für das Streitjahr (2001) nahm der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) an, dass die Gesellschafterdarlehen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzuzinsen seien. Er erließ einen dem entsprechenden Gewerbesteuermessbescheid, den die Antragstellerin nach erfolglosem Vorverfahren mit der Klage angriff. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Nachdem das FA einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte, beantragte die Antragstellerin eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids durch das FG. Dieses lehnte den Antrag ebenfalls ab. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur antragsgemäßen AdV des streitgegenständlichen Bescheids. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob --wie im Bescheid angenommen-- die Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber ihren Gesellschaftern gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen sind.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das wiederum ist der Fall, wenn bei summarischer Überprüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts spricht, verlangt § 69 FGO nicht (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 89, m.w.N.).
2. Im Streitfall geht es um die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung eine Verbindlichkeit abzuzinsen. Von der Abzinsung sind aber u.a. Verbindlichkeiten ausgenommen, die verzinslich sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG). Diese Regelungen gelten wegen § 6 i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes auch für den Bereich der Gewerbesteuer.
3. Das FG hat angenommen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG im Streitfall zweifelsfrei nicht eingreife. Dem ist nicht beizupflichten.
a) Die Antragstellerin hat ausweislich der angefochtenen Entscheidung einen vom 23. Oktober 1998 datierenden Gesellschafterbeschluss vorgelegt, nach dem alle seinerzeit bestehenden und zukünftig gewährten Gesellschafterdarlehen mit 2 % verzinst werden sollten. Dass dieser Beschluss an dem genannten Tag tatsächlich gefasst worden ist, haben weder das FA noch das FG angezweifelt. Der Senat geht deshalb im summarischen Verfahren davon aus, dass zwischen der Antragstellerin und ihren Gesellschaftern eine entsprechende Verzinsung vereinbart worden ist. Ob und ggf. wann und in welcher Weise eine Zinsvereinbarung tatsächlich getroffen wurde, wird ggf. im Verfahren zur Hauptsache geklärt werden müssen. Dasselbe gilt für die Frage, inwieweit die streitgegenständlichen Darlehen von der Vereinbarung erfasst werden und wie in diesem Zusammenhang die nach Aktenlage im November 1998 erfolgte Abtretung von Geschäftsanteilen zu würdigen ist. Bis zur Klärung dieser Frage ist es als ernstlich möglich anzusehen, dass jene Darlehen nach Maßgabe des Gesellschafterbeschlusses verzinslich waren. Die Verzinslichkeit eines Darlehens schließt nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG eine Abzinsung aus.
b) Das FG hat dies erkannt, eine Abzinsung aber dennoch für geboten erachtet und zur Begründung auf § 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) verwiesen. Danach sind Scheingeschäfte und Scheinhandlungen für die Besteuerung unerheblich. Die Vereinbarung zur Verzinsung der Darlehen hat das FG als Scheingeschäfte in diesem Sinne angesehen; zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Vertragsparteien offenkundig die notwendigen Folgerungen aus der Vereinbarung nicht gezogen hätten. Diese Beurteilung erscheint bei summarischer Betrachtung nicht zweifelsfrei.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann zwar ein Darlehensvertrag ein Scheingeschäft i.S. des § 41 Abs. 2 Satz 1 AO sein, wenn bei seinem Abschluss erkennbar ist, dass der Darlehensnehmer auf Dauer nicht zu Zahlungen auf die Darlehensverbindlichkeit in der Lage sein wird (BFH-Urteil vom 7. November 2006 IX R 4/06, BFHE 216, 479, BStBl II 2007, 372). Von dieser Rechtsprechung wird der Streitfall aber schon deshalb nicht unmittelbar berührt, weil sowohl das FA als auch das FG angenommen haben, dass die Antragstellerin die nach ihrem Vortrag zu verzinsenden Beträge als Darlehen erhalten hat. Im summarischen Verfahren besteht kein Anlass, diese Beurteilung in Zweifel zu ziehen. Zudem wäre anderenfalls die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids schon deshalb ernstlich zweifelhaft, weil die Antragstellerin bei Fehlen einer steuerlich anzuerkennenden Darlehensvereinbarung möglicherweise insoweit keine Verbindlichkeiten ausweisen dürfte und unter diesem Gesichtspunkt die Grundlage für eine Abzinsung entfiele. Der Antragstellerin kann die AdV deshalb nur dann versagt werden, wenn einerseits die Darlehensverträge zweifelsfrei anzuerkennen sind und andererseits der damit verbundenen Zinsabrede zweifelsfrei die Anerkennung zu versagen ist.
bb) Eine solche Schlussfolgerung ist entgegen der Ansicht des FG nicht daraus abzuleiten, dass die Antragstellerin weder die vereinbarten Zinsen gezahlt noch entsprechende Verbindlichkeiten verbucht hat. Denn das Unterbleiben von Zahlungen kann zwanglos damit erklärt werden, dass die Zahlung von Zinsen gegen § 31 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der seinerzeit geltenden Fassung verstoßen hätte, und im Hinblick auf das Fehlen eines Verbindlichkeitsausweises ist z.B. ein Buchungsfehler nicht auszuschließen. Zu beiden Punkten wird die Antragstellerin zwar im Hauptverfahren nähere Erläuterungen geben müssen, die das FG sodann tatrichterlich würdigen müsste. Bisher steht der tatsächliche Hintergrund der vom FG benannten Umstände aber nicht zweifelsfrei fest, weshalb im derzeitigen Verfahrensstadium insoweit von dem für die Antragstellerin günstigsten Sachverhalt auszugehen ist.
cc) Ebenso folgt das Fehlen einer ernsthaften Zinsvereinbarung nicht zweifelsfrei daraus, dass die Gesellschafter der Antragstellerin für ihre Darlehensforderung Rangrücktrittserklärungen abgegeben haben. Denn der Rangrücktritt einer Gesellschafterforderung ist eine im Wirtschaftsleben nicht seltene Reaktion auf eine wirtschaftliche Krise einer Kapitalgesellschaft. Er kann geeignet sein, eine Überschuldung der Gesellschaft zu vermeiden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Januar 2001 II ZR 88/99, BGHZ 146, 264; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Aufl., § 32a Rz 12, m.w.N.), und wird in der Praxis vielfach zu diesem Zweck eingesetzt. Mit der Vereinbarung einer Unverzinslichkeit der Forderung sind Rangrücktrittserklärungen regelmäßig nicht verbunden. Daher kann aus einer solchen Erklärung ebenfalls nicht zweifelsfrei auf das Fehlen einer ernstlichen Zinsvereinbarung geschlossen werden; das gilt auch dann, wenn --wie möglicherweise im Streitfall-- in Bezug auf ein verzinsliches Darlehen von Beginn an ein Rangrücktritt erklärt wird.
4. Im Ergebnis kann daher im summarischen Verfahren nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die in Rede stehenden Darlehen für Zwecke der Besteuerung als verzinslich anzusehen sind. Auf die Höhe des vereinbarten Zinssatzes stellt § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG seinem Wortlaut nach nicht ab; daher ist zumindest ernstlich zweifelhaft, ob die Unterschreitung des gesetzlichen Abzinsungssatzes von 5,5 % eine Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG rechtfertigt. Der Senat verzichtet auf weitere Ausführungen zu dieser Frage, nachdem auch die Finanzverwaltung davon ausgeht, dass jeder Zinssatz von mehr als 0 % zur Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG --und damit zum Absehen von einer Abzinsung-- führt (Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 26. Mai 2005, BStBl I 2005, 699, Tz. 13). Daher ist im Streitfall ernstlich in Betracht zu ziehen, dass die vom FA vorgenommene Abzinsung der Gesetzeslage nicht entspricht.
5. Dass der streitgegenständliche Bescheid unabhängig von der Abzinsungsfrage zweifelsfrei rechtmäßig sein könnte, ist weder vom FA geltend gemacht noch vom FG erörtert worden; aus dem sonstigen Akteninhalt ergibt sich dafür ebenfalls kein Anhaltspunkt. Daher ist die Vollziehung des Bescheids bis zum Abschluss des Hauptverfahrens antragsgemäß auszusetzen. Die AdV wird ohne Sicherheitsleistung (§ 69 Abs. 2 Satz 3 FGO) gewährt, da das FA die Notwendigkeit einer Sicherheitsleistung weder in der ersten Instanz noch im Beschwerdeverfahren angesprochen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 2212444 |
BFH/NV 2009, 1804 |
BB 2009, 2083 |