Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründungsvoraussetzungen der auf § 115 Abs.2 Nrn. 1 bis 3 FGO gestützten NZB
Leitsatz (NV)
Zu den Begründungsvoraussetzungen einer auf §115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3, § 126 Abs. 5
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt -- HZA --) als Hauptverpflichtete in mehreren externen gemeinschaftlichen Versandverfahren, in denen für die in den neuen Bundesländern stationierten sowjetischen Streitkräfte bestimmter Alkohol von Belgien nach Deutschland befördert wurde, als Abgabenschuldnerin in Anspruch genommen, weil die Versandverfahren nach den Erkenntnissen des HZA nicht ordnungsgemäß beendet wurden. Im ersten Rechtsgang hob der Senat die Vorentscheidung mit dem in der Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern (ZfZ) 1998, 24 wiedergegebenen Urteil vom 9. September 1997 VII R 3/96 auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) zurück.
Auf Grund der im zweiten Rechtsgang nachgeholten Feststellungen gelangte das FG zu der Überzeugung, daß die Eingangsbescheinigungen in den vorliegenden Fällen eindeutig gefälscht worden seien. Aus dem Umstand, daß der Zeuge B., von dem sämtliche Unterschriften auf den Eingangsbescheinigungen stammen sollten, schon vor Beginn der streitigen Versandverfahren aus dem Dienst der Zollverwaltung ausgeschieden war, und seiner Aussage, daß die Unterschriften nicht von ihm stammten, schloß es, daß die Unterschriften gefälscht worden seien. Selbst wenn die Unterschriften von dem Zeugen B. stammen sollten, sei dieser im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung dazu nicht befugt gewesen, so daß die Eingangsbescheinigungen auch in diesem Fall unecht seien. Damit komme es auf die Frage, ob die auf den Eingangsbescheinigungen angebrachten Stempel echt seien, nicht mehr an. Sei die Unterschrift jeweils eindeutig gefälscht, handele es sich auf jeden Fall um eine unechte Eingangsbescheinigung.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Klägerin die Zulassung der Revision gegen die Vorentscheidung, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe (§115 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweiche (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und ein Verfahrensfehler vorliege (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen, die §115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung bzw. Bezeichnung der Zulassungsgründe stellt, nicht gerecht wird.
1. Von grundsätzlicher Bedeutung sollen die Fragen sein:
a) ob ein Hauptverpflichteter oder ein anderer Beteiligter des gemeinschaftlichen Versandverfahrens den Nachweis führen kann, daß die Sendung bei der Bestimmungszollstelle wiedergestellt wurde,
b) ob dieser Nachweis dadurch erbracht werden kann, daß sich auf der Eingangsbescheinigung ein echter Stempelabdruck befindet,
c) wie die Wiedergestellung in Fällen nachgewiesen werden kann, in denen "korrupte" Zollbeamte mit von der Partie gewesen sein können,
d) ob allein ein echter Stempelabdruck -- selbst wenn die Unterschrift daneben nicht von dem vermeintlichen Namensträger stammen sollte -- auf der Eingangsbescheinigung zum Nachweis der Wiedergestelltung ausreicht.
Von grundsätzlicher Bedeutung soll die Sache ferner sein, weil das FG von der im Strafrecht anerkannten Beurteilung abgewichen sei, indem es alleine aufgrund der Aussage des Zeugen B. auf eine Fälschung der Echtheitsbescheinigung (gemeint ist wohl die Eingangsbescheinigung) geschlossen habe; es habe die in der Strafrechtslehre bestehende Rechtsfigur der "versteckten Anonymität" nicht berücksichtigt.
Die grundsätzliche Bedeutung dieser Fragen ist jedoch in der Nichtzulassungsbeschwerde nicht ausreichend dargelegt worden (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehört, daß die Klägerin nicht nur eine konkrete Rechtsfrage benennt, sondern auch auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Rechtsfrage handeln (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676). Daß die angestrebte Revisionsentscheidung Auswirkungen auf eine Vielzahl von Fällen hätte, begründet die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache allein noch nicht (BFH-Beschluß vom 3. Mai 1994 VII B 22/ 94, BFH/NV 1995, 79). Ferner sind zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache Angaben dazu erforderlich, inwiefern die richtige Antwort auf die in dem angestrebten Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage zweifelhaft ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sie umstritten ist und welche unterschiedlichen Auffassungen zu ihr in der Rechtsprechung oder im Schrifttum vertreten werden (Klärungsbedürftigkeit, vgl. BFH-Beschluß vom 21. August 1986 V B 46/86, BFH/NV 1987, 171).
Zu all dem enthält die Nichtzulassungsbeschwerde keine Ausführungen. Sie begnügt sich vielmehr damit, allgemein darauf zu verweisen, daß es "unzählige Problemfälle, die sowohl dem erkennenden Finanzgericht, wie auch dem Revisionssenat des Bundesfinanzhofs bekannt sind" gäbe. Wie aber bereits erwähnt, reicht die Behauptung, daß eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle anhängig ist, nicht, um die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage zu begründen. Im übrigen wird lediglich die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Fragen behauptet und im einzelnen ausgeführt, daß nur dem Stempelabdruck auf der Eingangsbescheinigung, zu dessen Echtheit das FG keine Feststellungen getroffen habe, eine aussagefähige Bedeutung zukomme und daß das FG von der im Strafrecht anerkannten Beurteilung abgewichen sei, indem es allein aufgrund der Zeugenaussage des B. (gemeint ist wohl die Aussage, daß die Unterschrift mit seinem Namen auf den Eingangsbescheinigungen nicht von ihm stamme) auf eine Fälschung der Eingangsbescheinigungen geschlossen habe.
Die Fragen sind zudem nicht klärungsbedürftig. Die unter Buchst. a genannte Frage ist bereits durch das im ersten Rechtszug ergangene Senatsurteil vom 9. September 1997 VII R 3/96 (ZfZ 1998, 24) beantwortet. Im übrigen erscheint es dem Senat nicht zweifelhaft, daß nach den vom FG getroffenen Feststellungen die auf den Eingangsbescheinigungen befindlichen Unterschriften unecht und damit die Eingangsbescheinigungen, selbst wenn die Stempel echt wären, als gefälscht anzusehen sind.
2. Auch die Divergenzrüge, die die Klägerin mit einer Abweichung der angefochtenen Entscheidung von den Senatsurteilen vom 9. September 1997 VII R 3/96 (ZfZ 1998, 24) und vom 24. September 1996 VII R 107/95 (BFH/NV 1997, 452) begründet, ist unzulässig. Insoweit macht die Klägerin nur geltend, das FG habe die Vorgaben der Revisionsentscheidung (VII R 3/96) im ersten Rechtszug nicht erfüllt, weil es sich bei der ihm aufgetragenen Prüfung der Echtheit der Eingangsbescheinigungen lediglich auf die Feststellung beschränkt habe, daß die darauf befindlichen Unterschriften unecht sind. Für eine ausreichende Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde insoweit wäre es aber erforderlich gewesen, daß die Klägerin einzelne Rechtssätze der angefochtenen und der angeblich divergierenden Entscheidungen des BFH gegenüberstellt, die voneinander abweichen. Allein die Behauptung, daß das FG die Vorgaben der Entscheidung des BFH im ersten Rechtszug nicht erfüllt habe, vermag eine Divergenz nicht zu begründen.
In diesem Vorbringen der Klägerin könnte allenfalls die Rüge eines Subsumtionsfehlers oder die Rüge, daß §126 Abs. 5 FGO nicht beachtet worden ist, gesehen werden. Ein Subsumtionsfehler wäre aber im Zulassungsverfahren unbeachtlich (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 16. März 1994 II B 102/93, BFH/NV 1995, 34). Die Nichtberücksichtigung des §126 Abs. 5 FGO könnte ein Verfahrensmangel sein (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Februar 1991 II B 85/90, BFH/NV 1992, 43), dessen Vorliegen aber nicht ausreichend bezeichnet worden ist, weil nicht dargetan wurde, daß das FG eine vom BFH in dem zurückverweisenden Urteil entschiedene Rechtsfrage anders als dieser beurteilt hat.
3. Schließlich ist die Nichtzulassungsbeschwerde auch insoweit unzulässig, als mit ihr der Verfahrensfehler (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) mangelnder Sachverhaltsaufklärung (§76 Abs. 1 FGO) gerügt wird, weil das FG den Beweisantritten der Klägerin zur Begutachtung der Stempelabdrucke nicht nachgekommen sei. Insoweit hat die Klägerin jedenfalls versäumt darzutun, daß die angefochtene Entscheidung auf dem angeblichen Fehler beruht. Nach Auffassung des FG kam es nicht darauf an, ob die Stempel auf den Eingangsbescheinigungen echt waren. Das FG hat diese Bescheinigungen vielmehr schon deshalb für gefälscht gehalten, weil die darauf befindlichen Unterschriften nach seinen Feststellungen unecht waren.
Fundstellen
Haufe-Index 153976 |
BFH/NV 1999, 204 |