Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung; Kapitalkontenanpassung und unterschiedliche Wahlrechtsausübung bei der Realteilung
Leitsatz (NV)
1. Voraussetzung für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist, daß mit der Klärung der Rechtsfrage im Revisionsverfahren zu rechnen ist.
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen in einem Revisionsverfahren die Rechtsfrage geklärt werden kann, ob bei der Realteilung einer Personengesellschaft die Gesellschafter das Wahlrecht zwischen Fortführung der Buchwerte und Aufdeckung der stillen Reserven unterschiedlich ausüben können.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 15
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) schieden zum 31. Dezember 1975 als Kommanditisten aus, der X-GmbH & Co. KG (KG) der Beigeladenen zu 3., aus; die KG befand sich seitdem in Liquidation und stellte ihren Betrieb am 31. März 1976 ein. Aufgrund der Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Kläger übernahm die Kommanditistin Y (Beigeladene zu 2.) die negativen Kapitalkonten der Kläger in Höhe von ./. . . . DM (Kläger zu 1.) und ./. . . . DM (Kläger zu 2.). Außerdem wurden den Klägern die Wirtschaftsgüter derjenigen Unternehmensbereiche übertragen, die sie bei der Gründung der KG in diese eingebracht hatten, insbesondere des Güterfernverkehrs und der Lagerhaltung. Von den Buchwerten dieser Wirtschaftsgüter entfielen . . . DM auf den Kläger zu 1. und . . . DM auf den Kläger zu 2. Die Kläger überführten diese Wirtschaftsgüter in eine von ihnen neu gegründete KG. Diese KG führte die Buchwerte, die die Wirtschaftsgüter bei der Beigeladenen zu 3. gehabt hatten, unverändert fort. Welche Wirtschaftsgüter von den übrigen Gesellschaftern der Beigeladenen zu 3. übernommen wurden und wie diese buchmäßig behandelt wurden, ergibt sich aus dem Urteil des Finanzgerichts (FG) im einzelnen nicht. In der Beschwerdeschrift heißt es, die ehemaligen Mitgesellschafter hätten ,,die Realteilung abgelehnt und . . . die Gewinnrealisierung gewählt".
Der Beklagte und Bescherdegegner (das Finanzamt - FA -) erfaßte im Gewinnfeststellungsbescheid 1975 im Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Kläger für diese Gewinne, und zwar jeweils in Höhe der übergegangenen negativen Kapitalkonten zuzüglich der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter. Letztere wurden zunächst als laufende Gewinne festgestellt. Auf den Einspruch der Kläger erfaßte das FA die Gewinne aus der Übernahme der Wirtschaftsgüter (wie schon den Gewinn aus dem Übergang der negativen Kapitalkonten) als begünstigten Veräußerungsgewinn, so daß sich für den Kläger zu 1. ein Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von . . . DM und für den Kläger zu 2. ein solcher in Höhe von . . . DM ergab.
Die Klage, mit der unter Bezugnahme auf die für die Realteilung geltenden Rechtsgrundsätze Minderung der festgestellten Veräußerungsgewinne um die Werte der übernommenen Wirtschaftsgüter beantragt wurde, blieb ohne Erfolg. Das FG sah - wie das FA - als von den Klägern erzielten Veräußerungspreis die Summe aus übergegangenen negativen Kapitalkonten und Buchwerten der übernommenen Wirtschaftsgüter an, wobei es wegen des Verböserungsverbots offen ließ, ob die Wirtschaftsgüter statt mit den Buchwerten gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG mit den gemeinen Werten hätten angesetzt werden müssen. Aus den Realteilungsgrundsätzen ergibt sich nach Auffassung des FG nicht, daß keine Entnahmegewinne anzusetzen waren. Dazu führte das FG aus: Die Schlußkapitalkonten der Kläger (= 0 DM nach Übergang der negativen Kapitalkonten) hätten den Buchwerten der übernommenen Wirtschaftsgüter angepaßt werden müssen, um das Entstehen von Veräußerungsgewinnen zu vermeiden. Entscheidend dafür, daß bei der Realteilung, die eine Betriebsaufgabe darstelle, kein Aufgabegewinn entstehe, sei nicht die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven durch Anpassung der Anfangskapitalkonten im neugegründeten Unternehmen, sondern die Anpassung der Schlußkapitalkonten an den Wert der übernommenen Wirtschaftsgüter, weil der Aufgabegewinn bei der aufgelösten Personengesellschaft ermittelt werde. Ein Aufgabegewinn entstehe bei der Buchwertfortführung für den einzelnen Gesellschafter nur dann nicht, wenn sein Schlußkapitalkonto an die Buchwerte der von ihm übernommenen Wirtschaftsgüter angepaßt werde.
Das FG hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen und der Beschwerde dagegen nicht abgeholfen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wird geltend gemacht, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Dazu wird unter Hinweis auf Abschn. 139 Abs. 8 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) und abweichende Schrifttumsauffassungen im wesentlichen vorgetragen, angesichts der abweichenden Wahlrechtsausübung durch die übrigen Mitgesellschafter bleibe die immer wieder aufgeworfene Frage zu klären, ob sämtliche Gesellschafter das Wahlrecht in der gleichen Weise ausüben müssen oder nicht. Im Vordergrund stehe die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven, nicht die Anpassung des Schlußkapitalkontos an den Wert der übernommenen Wirtschaftsgüter. Letzteres wäre ein nicht gerechtfertigter Formalismus. Im übrigen hätten die Kläger keine Möglichkeit gehabt, die Schlußkapitalkonten anzupassen, da die seinerzeitigen Mitgesellschafter ihr Wahlrecht anders ausgeübt und somit eine Anpassung im Sinne der Auffassung der Kläger abgelehnt hätten.
Schließlich weiche das FG-Urteil vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Januar 1982 VIII R 21/77 (BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456) ab, da dieses Urteil immerhin eine unterschiedliche Wahlrechtsausübung offengelassen habe.
Das FA verneint sowohl grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache als auch das Vorliegen einer Divergenz und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625, und Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Rz. 7 m. w. N.). Die von den Klägern aufgeworfene und noch nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage, ob das bei der Realteilung einer Personengesellschft bestehende Wahlrecht zwischen erfolgsneutraler Buchwertfortführung und Gewinnrealisierung von den einzelnen Gesellschaftern der bisherigen Personengesellschaft unterschiedlich ausgeübt werden kann, mag angesichts der in der Beschwerdeschrift aufgezeigten Unterschiedlichkeit der Beurteilung in Verwaltung und Fachschrifttum von grundsätzlicher Bedeutung sein. Voraussetzung für die Zulassung der Revision wäre aber ferner, daß mit einer Klärung der Rechtsfrage im Revisionsverfahren gerechnet werden kann (Gräber / Ruban, a. a. O., Rz. 8, 10, 11). Im Streitfall kann es zu einer Klärung nicht kommen, weil schon aus anderen Gründen von der Entstehung eines Veräußerungsgewinns bei den Klägern ausgegangen werden muß.
Die Kläger haben zwar die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter fortgeführt. Gleichwohl ist es bei ihnen zur Entstehung eines Gewinns gekommen, und zwar deshalb, weil sie nach Übernahme ihrer negativen Kapitalkonten durch die Beigeladene zu 2. Kapitalkonten von jeweils 0 DM hatten. Daraus ergab sich zwangsläufig (vgl. § 16 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 EStG) ein Gewinn in Höhe der übernommenen Buchwerte. Dies hätte nur durch erfolgsneutrale Aufstockung des Kapitalkontos der Kläger in der Schlußbilanz der KG vermieden werden können; zu einer solchen ist es jedoch nicht gekommen. Maßgebend für die Frage, ob und in welcher Höhe bei der Realteilung ein Gewinn entsteht, ist nach dem Urteil in BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456, 459 diese Bilanz.
Davon zu unterscheiden ist die Frage der unterschiedlichen Wahlrechtsausübung. Läßt man eine solche zu, muß gleichwohl jeweils durch Vergleich der Kapitalkonten in der Schlußbilanz der Personengesellschaft und den Werten der übernommenen Wirtschaftsgüter geprüft werden, ob und in welcher Höhe Gewinne entstanden sind. Wird z. B. eine aus A und B (Kapitalkonten je 150) bestehende OHG real geteilt, übernimmt A den Teilbetrieb 1 (Buchwert 100, Teilwert 400), B den Teilbetrieb 2 (Buchwert 200, Teilwert 400) und wählt A die Gewinnrealisierung, B die Buchwertfortführung, so gilt, unterstellt, die unterschiedliche Wahlrechtsausübung sei zulässig, folgendes:
A erzielt einen Aufgabegewinn in Höhe von (400 ./. 100 =) 300.
Bei B muß sichergestellt werden, daß die spätere Auflösung der stillen Reserven des von ihm übernommenen Teilbetriebs (= 200) nur zu einem Gewinn von 200 führt. Nur so wird erreicht, daß insgesamt nicht mehr stille Reserven versteuert werden als bei der Auflösung der OHG vorhanden waren. B muß deshalb in der Schlußbilanz der OHG sein Kapitalkonto erfolgsneutral um 50 auf 200 aufstocken. Die Fortführung dieses Kapitalkontos im Einzelunternehmen des B führte dann dazu, daß aus der Auflösung der stillen Reserven nur ein Gewinn von (400 ./. 200 =) 200 entsteht, so daß A und B zusammen (300 + 200 =) 500 versteuern.
Daraus folgt, daß die Frage der unterschiedlichen Wahlrechtsausübung von der Frage der Notwendigkeit der Kapitalkontenanpassung zu trennen ist. Daß die Kapitalkontenanpassung geboten ist, entspricht der Rechtsprechung des BFH (BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456, 458, und BFH-Urteil vom 10. Februar 1972 IV 317/65, BFHE 104, 543, BStBl II 1972, 419) und ist, soweit ersichtlich, auch im Schrifttum nicht umstritten. Für den Streitfall ergibt sich hieraus, daß die aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist und somit in einem Revisionsverfahren nicht zur Klärung geführt werden kann.
2. Eine Abweichung vom Urteil in BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456, 458 liegt nicht vor. Der BFH hat die Frage der unterschiedlichen Wahlrechtsausübung in diesem Urteil ausdrücklich offengelassen.
Fundstellen
Haufe-Index 417595 |
BFH/NV 1991, 536 |