Leitsatz (amtlich)
Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1975 kann auch für ein in einem ausländischen Schiffsregister eingetragenes Seeschiff gewährt werden.
Normenkette
InvZulG 1975 § 4b
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) trat im Herbst 1974 mit der Firma A in Verhandlungen über den Kauf eines Motorschiffes, das sich zu diesem Zeitpunkt auf einer ausländischen Werft im Bau befand. Die Verhandlungen führten zu dem am 18. November 1974 von der Klägerin und A unterzeichneten Letter of Intent. Aus ihm ergibt sich, daß A und die Klägerin Einigung darüber erzielt hatten, daß die Klägerin das Motorschiff zu noch auszuhandelnden Voraussetzungen erwerben werde. Der Letter of Intent galt jedoch u. a nur vorbehaltlich der "gegenseitigen Vereinbarung einer Vertragsform" zwischen der Klägerin und A. Diese Vereinbarung mußte bis spätestens zum 30. November 1974 unterzeichnet worden sein, es sei denn, es wurde gegenseitig eine Verlängerung dieses Termins vereinbart. Ohne eine solche Verlängerung sollte der Letter of Intent null und nichtig sein.
Nachdem die Klägerin die A mit Fernschreiben vom 22. November 1974 über den Sachstand unterrichtet hatte, sandte sie am 25. November 1974 an A fernschriftlich einen Textvorschlag für das beabsichtigte "Memorandum of Agreement". In diesem Fernschreiben machte die Klägerin abschließend den Vorschlag, A möge den Text der Vereinbarung niederschreiben, ihn unterzeichnen und per Luftpost/Eilboten an die Klägerin senden, damit diese ihrerseits gegenzeichnen und eine Durchschrift an A zurücksenden könne.
Mit Fernschreiben vom 28. November 1974 machte A teilweise Gegen- und Abänderungsvorschläge, u. a. auch hinsichtlich des Kaufpreises. Noch am selben Tag unterrichtete die Klägerin die A fernschriftlich davon, mit welchen von der A vorgeschlagenen Vertragsbedingungen sie einverstanden sei und welche sie ablehne. Dieses Fernschreiben endet mit dem Hinweis: "Erwarte Antwort möglichst morgen."
Hierauf entgegnete A mit Fernschreiben vom 2. Dezember 1974, daß sie mit den Vorschlägen der Klägerin einverstanden sei. Ferner wies sie darauf hin, daß nunmehr beide Seiten ein endgültiges Einverständnis erzielt hätten. Sie bat deshalb die Klägerin, die nunmehr erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, insbesondere um das Schiff wie geplant zu übernehmen.
Mit ihrem Fernschreiben vom 3. Dezember 1974 bestätigte die Klägerin u. a. den Inhalt des Fernschreibens der A vom Vortag. Das Memorandum of Agreement wurde von A am 3. Dezember 1974 und von der Klägerin am 5. Dezember 1974 unterzeichnet und danach von der Klägerin am selben Tag an A gesandt.
Das Schiff wurde der Klägerin am 16. Dezember 1974 übergeben.
Am 6. Dezember 1974 übereignete die Klägerin das Schiff treuhänderisch an die Firma B. Die Klägerin weist das im Schiffsregister des Staates Z eingetragene Schiff in ihrer Bilanz als Anlagevermögen aus.
Das Wirtschaftsjahr der Klägerin endet jeweils am 30. Juni eines Jahres.
Im Januar 1976 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -), ihr für das Wirtschaftsjahr 1974/1975 eine Investitionszulage gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 u. a. für die Anschaffung des Motorschiffs zu gewähren. Insoweit lehnte das FA jedoch den Zulageantrag ab, weil das Schiff nicht nachweislich nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 bestellt worden sei.
Die Sprungklage hatte keinen Erfolg.
Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) hatte die Klägerin das Schiff bereits mit dem Fernschreiben vom 28. November 1974 verbindlich bestellt. Nach dem Letter of Intent vom 18. November 1974 habe zwar ein wirksamer Kaufvertrag nur durch Unterzeichnung eines schriftlichen Vertrags zustande kommen können, weil die Unterzeichnung eines Vertrags nach dem Willen der Parteien förmliches Wirksamkeitserfordernis für das Zustandekommen des Kaufvertrags gewesen sei. Die Wirksamkeit des Letter of Intent sei jedoch am 30. November 1974 erloschen; denn bis zum Ablauf dieses Tages sei ein schriftlicher Kaufvertrag nicht unterzeichnet und die im Vorbehalt vorgesehene Frist nicht einvernehmlich verlängert worden. Damit sei die Unterzeichnung des Vertrags nicht mehr erforderlich gewesen. Dementsprechend sei der Kaufvertrag mit dem Zugang des Fernschreibens der A vom 2. Dezember 1974 zustande gekommen, das ein verbindliches Vertragsangebot dargestellt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Einigung der A und der Klägerin über den Vertragsinhalt erzielt worden. Die nach Ansicht des FG gemäß § 4 b InvZulG 1975 maßgebliche bindende Erklärung der Klägerin zu dieser Einigung sei aber schon vor dem 1. Dezember 1974, nämlich mit dem Fernschreiben vom 28. November 1974, abgegeben worden.
Die Klage konnte nach Ansicht des FG selbst dann keinen Erfolg haben, wenn man von der Wirksamkeit des Letter of Intent über den 30. November 1974 hinaus ausgehe. Ein Wirtschaftsgut sei mit Rücksicht auf die Zielsetzung des § 4 b InvZulG nämlich schon dann "bestellt", wenn eine - rechtlich noch nicht bindende - Erklärung des Steuerpflichtigen über den Kauf eines Wirtschaftsguts vorliege, die vollinhaltlich alsbald als seine bindende Vertragserklärung wiederholt werde. Das Fernschreiben der Klägerin vom 28. November 1974 sei als eine derartige Erklärung anzusehen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt Verletzung des § 4 b InvZulG 1975. Entgegen der Auffassung des FG sei die im Vorbehalt des Letter of Intent vereinbarte Frist stillschweigend verlängert worden. Dies ergebe sich aus dem Ablauf der Vertragsverhandlungen und dem Inhalt der einzelnen Fernschreiben. Das FG habe demgegenüber seine Ansicht, die fragliche Frist sei nicht verlängert worden, nicht begründet. Selbst wenn man das Fernschreiben vom 28. November 1974 als Bestellung ansehe, so fehle es an der erforderlichen Bindung; denn auf das Vertragsverhältnis sei vereinbarungsgemäß englisches Recht anzuwenden. Nach diesem sei aber ein Vertragsangebot grundsätzlich nicht bindend.
Entgegen der Ansicht des FG setze der Begriff "bestellen" im Sinne des § 4 b InvZulG 1975 zumindest ein verbindliches Vertragsangebot voraus. Die Auslegung des Begriffs durch das FG widerspreche sowohl dem kaufmännischen als auch dem bürgerlich-rechtlichen Sprachgebrauch.
Im übrigen ist die Klägerin der Ansicht, daß auch die Anschaffung eines im Ausland gebauten Schiffes den mit § 4 b InvZulG 1975 angestrebten wirtschaftlichen Erfolg erziele.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Investitionszulage in Abänderung des Investitionszulagebescheids vom 15. Juni 1976 auf ... DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Nach § 4 b Abs. 1 InvZulG 1975 i. d. F. vom 24. Februar 1975 (BGBl I 1975, 528, BStBl I 1975, 205) wird Steuerpflichtigen im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) für begünstigte Investitionen, die sie in einem Betrieb (einer Betriebstätte) im Inland vornehmen, auf Antrag eine Investitionszulage gewährt. Bei Gesellschaften im Sinn des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG wird die Zulage der Gesellschaft gewährt. Zu den begünstigten Investitionen rechnet nach § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975 u. a. die Anschaffung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die nicht zu den geringwertigen Wirtschaftsgütern gehören, sofern diese Wirtschaftsgüter nachweislich nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 bestellt und vor dem 1. Juli 1976 geliefert worden sind.
Was unter dem Begriff "bestellen" zu verstehen ist, erläutert das Gesetz nicht. Nach der Entscheidung III R 101/76 des erkennenden Senats vom heutigen Tag (BStBl II 1979, 580) ist ein Wirtschaftsgut jedenfalls in dem Zeitpunkt "bestellt" im Sinn des § 4 b InvZulG 1975, in dem ein rechtswirksamer Kaufvertrag abgeschlossen worden ist. Verpflichtet sich der Steuerpflichtige entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen erst durch die Unterzeichnung eines Vertrags zur Abnahme des Wirtschaftsguts, so hat der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut - erst - zu dem Zeitpunkt "bestellt" im Sinn des § 4 b InvZulG 1975, in dem er den Vertrag rechtsverbindlich unterzeichnet hat.
2. Nach den im Letter of Intent zwischen der Klägerin und der A getroffenen Vereinbarungen wurde der Kaufvertrag erst mit dessen Unterzeichnung wirksam. Nach Auffassung des FG war jedoch die Wirksamkeit des Letter of Intent am 30. November 1974 erloschen, weil bis zum Ablauf dieses Tages ein schriftlicher Kaufvertrag nicht unterzeichnet und die im Vorbehalt vorgesehene Frist nicht einvernehmlich verlängert worden sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Entgegen der Auffassung des FA bindet die Würdigung der einzelnen Erklärungen der Vertragsparteien durch das FG das Revisionsgericht nicht, da die Auslegung des objektiven Gehalts einer Willenserklärung Rechtsanwendung ist und als solche in vollem Umfang der Nachprüfung unterliegt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Mai 1976 I R 166/74, BFHE 119, 478 [480], BStBl II 1976, 717; vom 30. November 1977 I R 27/75, BFHE 124, 56 [60], BStBl II 1978, 149). Nach dem objektiven Inhalt des Fernschreibens vom 28. November 1974 kann dieses nicht als ein vom Letter of Intent unabhängiges, selbständiges Vertragsangebot verstanden werden. Es enthielt vielmehr ebenso wie die vorausgegangenen Fernschreiben Erklärungen, die der Verständigung über einzelne Vertragspunkte dienten (vgl. § 154 Abs. 1 Satz 2 BGB), Erklärungen also, die lediglich der Vorbereitung des noch schriftlich abzuschließenden Vertrags dienten. Hinzu kommt, daß die Klägerin beim Absenden des Fernschreibens vom 28. November 1974 nicht, wie das FG meint, davon ausging, daß innerhalb der zeitlichen Begrenzung durch den Letter of Intent der Vertrag nicht mehr abgeschlossen werden könnte. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, daß das Fernschreiben die Antwort auf ein solches der A vom gleichen Tag war, und daß die Klägerin ihrerseits ausdrücklich um Rückantwort noch möglichst für den nächsten Tag, einen Freitag, bat.
Die Klägerin hat damit das Schiff erst nach dem 30. November 1974 bestellt.
3. Entgegen der vom FA in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung der Investitionszulage nicht deshalb zu verneinen, weil das Schiff in einem ausländischen Schiffsregister eingetragen ist.
§ 4 b InvZulG 1975 setzt voraus, daß der Steuerpflichtige die Investition in einem Betrieb (einer Betriebstätte) im Inland vornimmt. Ein im internationalen Verkehr betriebenes Schiff kann aber grundsätzlich auch ohne Eintragung in einem inländischen Seeschiffsregister einem Betrieb (einer Betriebstätte) im Inland zuzuordnen sein (zur rechtlichen Bedeutung des inländischen Schiffsregisters vgl. Schaps/Abraham, Das Deutsche Seerecht, Kommentar und Materialsammlung, 3. Aufl., 1959, Bd. 1, S. 240 ff., 356 ff.). Eine Einschränkung ergibt sich insoweit entgegen der Auffassung des FA nicht aus dem Sinn und Zweck des § 4 b InvZulG 1975. Der Zielsetzung dieser Vorschrift, die abgeschwächte Wirtschaftstätigkeit und die rückläufige Beschäftigung zu beleben (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksachen 7/2979 und 7/3010), kann auch durch die Anschaffung von nicht im Inland registrierten Seeschiffen entsprochen werden. Hätte der Gesetzgeber derartige Schiffe von der Begünstigung ausschließen wollen, so hätte sich dies aus dem Gesetz selbst (vgl. § 34 c Abs. 4 EStG, § 82 f. Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung) oder aus seiner Entstehungsgeschichte ergeben müssen. Das ist aber nicht der Fall.
4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat - von seiner Rechtsauffassung ausgehend zutreffend - keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichen würden, abschließend darüber zu befinden, ob der Investitionszulageanspruch der Klägerin in der geltend gemachten Höhe begründet ist. Die Sache war daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dieses wird die noch erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 73211 |
BStBl II 1979, 636 |
BFHE 1979, 299 |