Leitsatz (amtlich)
Ob eine Konzessionsabgabe zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt, ist entsprechend dem Abschn. 23 Abs. 2 Nr. 2 KStR u. a. davon abhängig, daß ein bestimmter Prozentsatz des Sachanlagevermögens als Handelsbllanzgewinn verbleibt.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 6 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die Stadt X, betreibt ein Gas- und Versorgungsunternehmen als Eigenbetrieb (im folgenden: Eigenbetrieb). Der Eigenbetrieb zahlte an die Klägerin Konzessionsabgaben, die er unter Zugrundelegung der Höchstsätze nach § 2 Abs. 2 der Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung von Elektrizität, Gas und Wasser der Gemeinden und Gemeindeverbände vom 4. März 1941 - Reichsanzeiger Nrn. 57 und 120 -, zuletzt geändert durch die Verordnung PR Nr. 1/75 zur Änderung der KAE vom 7. März 1975 - Bundesanzeiger Nr. 49 S. 1 - (KAE) berechnete. In den Jahren 1968 bis 1972 zahlte der Eigenbetrieb zu Lasten seines Gewinns folgende Beträge:
1968 1969 1970 1971 1972
DM DM DM DM DM
39 373 41 032 42 367 54 943 75 125.
Im Anschluß an eine bei dem Eigenbetrieb durchgeführte Betriebsprüfung, die sich auf die Veranlagungszeiträume 1968 bis 1972 erstreckte, vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unter Bezugnahme auf Abschn. 23 Abs. 2 Nr. 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) die Auffassung, die gezahlten Konzessionsabgaben seien verdeckte Gewinnausschüttungen, soweit die Beträge zu einem Gewinn führten, der unter dem nach § 5 Abs. 2a KAE maßgebenden Mindesthandelsbilanzgewinn von 1,6 v. H. des Sachanlagevermögens am Anfang des Wirtschaftsjahres gelegen habe. Das FA erhöhte dementsprechend das Einkommen des Eigenbetriebs in den Streitjahren 1968 bis 1972.
Im Rahmen der Betriebsprüfung überprüfte das FA ferner den von der Klägerin in den Streitjahren 1968 bis 1972 geltend gemachten Verlustabzug gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zu diesem Zweck nahm das FA unter Berücksichtigung der nach § 5 Abs. 2a KAE abzugsfähigen Höchstbeträge der Konzessionsabgaben eine Neuberechnung der zu versteuernden Einkommen und der danach verbleibenden Verlustabzüge der Jahre 1963 bis 1967 vor.
Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des geltenden Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer für die Jahre 1968 bis 1972 auf null DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sowohl die Klägerin als auch das FA haben zunächst auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Die Klägerin hat jedoch später angeregt, eine mündliche Verhandlung anzusetzen, weil inzwischen die Parteien zur der Überzeugung gelangt seien, daß der Klärung der Rechtsfrage eine mündliche Verhandlung besser diene.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht eine verdeckte Gewinnausschüttung in der vom FA geltend gemachten Höhe angenommen.
Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) Subjekt der Körperschaftsteuer wegen des Eigenbetriebs (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. März 1974 I R 7/77, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391; vom 6. Oktober 1976 I R 115/75, BFHE 120, 355, BStBl II 1977, 94; vom 1. August 1979 I R 106/76, BFHE 128, 387, BStBl II 1979, 716). Die Revisionsentscheidung muß damit gegen die Stadtgemeinde der Klägerin mit dem entsprechenden Hinweis auf die Stadtwerke ergehen (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1978 I R 149/75, BFHE 126, 396, BStBl II 1979, 192).
Auf die Beziehungen zwischen der Klägerin (der Trägerkörperschaft) und dem Eigenbetrieb finden nach der Rechtsprechung des BFH die Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung Anwendung, wie sie zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern gelten (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Einkommensteuergesetz und Körperschaftsteuergesetz, § 6 KStG Anm. 244, Stichwort "Betrieb gewerblicher Art"). Dabei geht die neuere Rechtsprechung von der Möglichkeit aus, daß zwischen der Trägerkörperschaft und dem Betrieb gewerblicher Art Vereinbarungen getroffen werden, obwohl der Betrieb gewerblicher Art kein eigenes Rechtssubjekt ist. Dem steht das Urteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391 nicht entgegen, obwohl die frühere Rechtsprechung bei der Prüfung der Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, darauf abstellte, daß der Betrieb gewerblicher Art ein selbständiges Rechtssubjekt sei (vgl. etwa Urteil vom 29. November 1960 I 145/60 U, BFHE 72, 179, BStBl III 1961, 67). Das Urteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391 schließt nicht aus, daß diese Grundsätze zur verdeckten Gewinnausschüttung im Rahmen der gesonderten Einkommensermittlung des Betriebs gewerblicher Art anzuwenden sind; denn das Einkommen ist so zu ermitteln, als ob der Betrieb gewerblicher Art im Verhältnis zur Trägerkörperschaft ein selbständiges Rechtssubjekt wäre (vgl. BFHE 126, 396, BStBl II 1979, 192). Danach ist auch im vorliegenden Falle der Eigenbetrieb so zu behandeln, als sei er eine Kapitalgesellschaft; es ist zu prüfen, ob der einer Kapitalgesellschaft gleichzustellende Betrieb gewerblicher Art durch die Konzessionszahlungen seiner wie eine Gesellschafterin zu behandelnden Trägerkörperschaft Vermögensvorteile gewährt hat, die unter sonst gleichen Umständen bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt worden wären (BFH-Urteil vom 16. April 1980 I R 75/78, BFHE 133, 19, BStBl II 1981, 492).
Die Rechtsprechung hat die Prüfung, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben ist, bisher anhand der KAE vorgenommen (vgl. die BFH-Urteile vom 18. Dezember 1956 I 140/56 U, BFHE 64, 452, BStBl III 1957, 169; vom 16. April 1957 I 77/56 U, BFHE 64, 582, BStBl III 1957, 218; vom 11. Oktober 1960 I 72/59 U, BFHE 71, 661, BStBl III 1960, 496; vom 2. Mai 1962 I 175/61 U, BFHE 75, 195, BStBl III 1962, 339, und vom 29. Mai 1968 I 46/65, BFHE 93, 57, BStBl II 1968, 692). Maßgebend dafür war die Schwierigkeit, den Preis zu bestimmen, den ein Versorgungsunternehmen an einen unbeteiligten Dritten zu zahlen hätte. Deshalb hat die Rechtsprechung die in der KAE für das Preisrecht ausgesprochenen Grundsätze als Anhalt für die steuerrechtliche Prüfung der Angemessenheit der Konzessionsabgaben angesehen. Der Senat sieht keinen Anlaß, von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung abzuweichen. Den Grundsätzen dieser Rechtsprechung entspricht es auch, wenn das FG die Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, nach Abschn. 23 Abs. 2 Nr. 2 KStR 1964 (BStBl I 1965, 303) beurteilte, die die Streitjahre betreffen. Diese stellen - abweichend von § 5 KAE - nicht auf eine bestimmte Mindestverzinsung des Eigenkapitals ab, sondern machen die Abzugsfähigkeit der Konzessionsabgaben davon abhängig, daß dem Betrieb gewerblicher Art ein bestimmter Prozentsatz (nämlich 1,6 v. H.) des Sachanlagevermögens als Handelsbilanzgewinn verbleibt. Die für die Streitjahre gültige Fassung der KStR 1964 beruht auf den KStR 1961 (BStBl I 1962, 897), in denen erstmals für die Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 1958 beginnen (vgl. Abschn. 23 Abs. 2 KStR 1961), die Abzugsfähigkeit der Konzessionsabgaben auf eine von der KAE unabhängige Grundlage gestellt wurde. Als Mindesthandelsbilanzgewinn wurden darin 4 v. H. aus 40 v. H. des Sachanlagevermögens angesehen. Bis zum Inkrafttreten der KStR 1961 galten die KStR 1958 (BStBl I 1959, 901), die für die Frage der Abzugsfähigkeit auf die KAE verwiesen (Abschn. 23 Abs. 2 KStR 1958). Die Änderung, die mit den KStR 1961 eintrat, ist auf das Urteil in BFHE 64, 452, BStBl III 1957, 169, zurückzuführen. Dort ist ausgeführt, daß der Bundesminister der Finanzen (BMF), wenn er die Prüfung der Angemessenheit der Konzessionsabgabe in den Beteiligungsfällen von der KAE völlig lösen wolle, aufgrund der Erfahrungen in der Praxis im Interesse der Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung Grundsätze aufstellen müsse, nach denen die steuerliche Angemessenheit im Einzelfall untersucht werden solle. Die Rechtsprechung könne erst dann zu der Frage Stellung nehmen, ob diese Grundsätze und die ihr zugrunde liegenden Erwägungen einen besseren und gerechteren Maßstab für die Überprüfung der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Konzessionsabgabe in den Beteiligungsfällen darstellten als die in der KAE zum Ausdruck kommenden Grundgedanken.
Das FG konnte die Frage der verdeckten Gewinnausschüttung anhand des Abschn. 23 Abs. 2 Nr. 2 KStR 1964 prüfen, obwohl es sich dabei um eine Verwaltungsanweisung handelt. Verwaltungsanweisungen sind keine Rechtsnormen und binden nur die nachgeordneten Verwaltungsbehörden, nicht aber die Gerichte (Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 des Grundgesetzes - GG -). Bei der Regelung in Abschn. 23 Abs. 2 Nr. 2 KStR 1964 handelt es sich jedoch nicht um eine norminterpretierende Anweisung. In ihr schlagen sich vielmehr der Finanzverwaltung zugängliche Erfahrungen zu der Frage nieder, inwieweit der Gewinn des mit einer Konzessionsabgabe belasteten Betriebs gewerblicher Art unter dem Gesichtspunkt des Betriebsvergleichs angemessen erscheint. Bei der Richtlinienregelung handelt es sich um verdichtetes Tatsachenmaterial, das das FG zu berücksichtigen hatte. Die Klägerin hat gegen die Vergleichswerte, wie sie sich aus Abschn. 23 Abs. 2 Nr. 2 KStR 1964 ergeben, keine Einwendungen erhoben.
Soweit die Klägerin geltend macht, daß die verdeckte Gewinnausschüttung nicht von der Erzielung eines bestimmten Mindestgewinns abhängig gemacht werden dürfe, greifen ihre Einwendungen nicht durch. Prüfungskriterium für eine verdeckte Gewinnausschüttung bei Leistungen an einen Gesellschafter ist nach der Rechtsprechung neben dem Preis, der sich am Markt erzielen läßt, auch das Streben nach einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals (BFH-Urteil vom 19. März 1975 I R 137/73, BFHE 116, 12, BStBl II 1975, 722). Dies findet in den KStR 1964 Berücksichtigung, wenn dort für die angemessene Höhe der Konzessionsabgaben sowohl auf bestimmte Prozentsätze der Roheinnahmen (Abschn. 23 Abs. 2 Nr. 1 KStR 1964) als auch auf einen Mindestgewinn abgestellt wird (Abschn. 23 Abs. 2 Nr. 2 KStR 1964). Es entspricht zudem den Besonderheiten der Konzessionsabgaben, wenn ihre Angemessenheit von der Erzielung eines bestimmten Gewinns des Versorgungsunternehmens abhängig gemacht wird. Die Trägerkörperschaft und das Versorgungsunternehmen gehen in der Regel eine auf längere Dauer begründete Gemeinschaft ein, in der eine wechselseitige Förderung stattfindet (Gewährung der Benutzung des Verkehrsraums, Übernahme der öffentlich-rechtlichen Versorgungspflicht der Gemeinde; vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Mai 1968 I 46/65, BFHE 93, 57, BStBl II 1968, 692). Auch im Verhältnis zu unabhängigen Dritten würde in diesem Fall ein Interessenausgleich stattfinden, der auf die Dauer einen bestimmten Mindestgewinn des mit der Konzessionsabgabe belasteten Partners garantiert.
Soweit sich aufgrund der festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen für die Jahre 1963 bis 1967 Minderungen der in diesen Jahren angefallenen Verluste ergeben, hat sich dies über eine Ermäßigung des Verlustabzugs gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 10d EStG auch auf das Einkommen der Streitjahre 1968 bis 1972 ausgewirkt. Darüber ist bei der Veranlagung der Streitjahre zu entscheiden, weil in ihnen der Verlustabzug zum Tragen kommt (BFH-Urteile vom 29. April 1970 IV R 259/69, BFHE 99, 365, BStBl II 1970, 714; vom 19. Februar 1974 VIII R 118/69, BFHE 111, 494, BStBl II 1974, 336).
Das Urteil des V. Senats des Hessischen FG vom 11. Oktober 1968 hindert in den Streitjahren nicht die dargestellte Auswirkung der festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen, selbst wenn sich aus ihm eine andere Auffassung ergeben sollte als der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegt. Eine Bindung nach Treu und Glauben kann schon deswegen nicht eingetreten sein, weil das Urteil des BFH in BFHE 93, 57, BStBl II 1968, 692, das wegen der Zugrundelegung einer bestimmten Mindestverzinsung mit der hier vertretenen Auffassung übereinstimmt, im BStBl II am 24. Oktober 1968 bekanntgemacht wurde. Das Urteil des FG vom 11. Oktober 1968 konnte daher nicht mehr Grundlage für Dispositionen sein, die für die Jahre ab 1969 zu treffen waren.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet. Ein etwaiger Widerruf des Verzichts durch die Klägerin wäre wirkungslos (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1970 III R 122/66, BFHE 101, 49, BStBl II 1971, 201; vom 26. November 1970 IV R 131/69, BFHE 101, 61, BStBl II 1971, 241). Dies gälte selbst dann, wenn die Behauptung der Klägerin zuträfe, daß auch das FA der Auffassung sei, eine mündliche Verhandlung würde der Klärung der Rechtsfrage besser dienen.
Fundstellen
BStBl II 1982, 783 |
BFHE 1983, 412 |