Entscheidungsstichwort (Thema)
"Wohnung" i.S. des § 10e EStG: Mindestausstattung, Mindestwohnfläche, 13 qm großes Appartement in Studentenwohnheim - nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Leitsatz (amtlich)
Ein 13 qm großes Appartement in einem Studentenwohnheim mit Gemeinschaftsteeküche ist keine Wohnung i.S. des § 10e EStG.
Orientierungssatz
1. Kosten für eine Wohnung, die auf den Übergangszeitraum zwischen dem Ende einer Vermietung und dem Beginn einer unentgeltlichen Überlassung der Wohnung an ein Kind der Steuerpflichtigen entfallen, sind nach § 12 Nr.1 Satz 2 EStG nicht abziehbar und können daher nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgesetzt werden. Die Aufwendungen sind insgesamt nicht abziehbar; sie dürfen auch nicht aufgeteilt werden.
2. Unter einer Wohnung i.S. des § 10e EStG ist die Zusammenfassung mehrerer Räume zu verstehen, in denen ein selbständiger Haushalt geführt werden kann. Es müssen daher auch eine Küche oder zumindest eine Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und WC vorhanden sein. Außerdem müssen in Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten die Räume baulich gegenüber anderen Räumen abgeschlossen sein. Ab welcher Wohnfläche ein selbständiger Haushalt auf Dauer in den Räumen geführt werden kann, entscheidet sich nach der Verkehrsanschauung, die wesentlich durch die örtlichen Verhältnisse und den Wohnungsmarkt bestimmt wird. Daher werden an die Größe von Wohnungen z.B. in Altenheimen und Studentenwohnheimen geringere Anforderungen gestellt als an Wohnungen in sonstigen Wohngebäuden.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1, 6, § 12 Nr. 1 S. 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 18.08.1994; Aktenzeichen VI 421/91) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Sie kauften im Jahr 1989 ein 13 qm großes, möbliertes Appartement in einem Studentenwohnheim, dessen Besitz am 1. November 1989 auf die Kläger überging. 8 qm der Wohnfläche entfielen auf den Wohn/Schlafbereich sowie 5 qm auf den Eingangsbereich und Dusche/Toilette. Das Eigentum umfaßte das Sondereigentum an der Wohnung und das Teileigentum an einer separaten Teeküche. Das Appartement war vermietet.
Nach Auszug des Mieters Ende Januar 1990 renovierten die Kläger das Appartement. Von Mitte April 1990 bis Ende März 1991 bewohnte der Sohn der Kläger, der sich wegen seines Studiums bereits bis zum 28. Februar 1990 außerhalb des elterlichen Haushalts aufhielt, das Appartement unentgeltlich. Anschließend vermieteten die Kläger das Appartement wieder.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1990 machten die Kläger 4 150 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend (Grundsteuer, Wohngeld für die Monate Januar bis März 1990, Zinsen, Fahrtkosten, Renovierungskosten und Absetzungen für Abnutzung für drei Monate).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ im Einkommensteuerbescheid für 1990 die Fahrt- und Renovierungskosten nicht und die übrigen Kosten nur zu 1/3 bzw. 1/12 zum Abzug als Werbungskosten zu (insgesamt 615 DM). Für den Sohn gewährte das FA wegen ganzjähriger auswärtiger Unterbringung einen Ausbildungsfreibetrag von 4 200 DM. Der Einspruch der Kläger war erfolglos.
Mit der Klage begehrten die Kläger, die vom FA nicht als Werbungskosten anerkannten Aufwendungen von 3 535 DM steuermindernd zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) behandelte hiervon 3 493 DM als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG), kürzte jedoch den Ausbildungsfreibetrag um 150 DM. Es führte aus:
Trotz der Wohnfläche von nur 13 qm sei das Appartement als Wohnung i.S. des § 10e EStG zu beurteilen. In einem abgetrennten Teil seien Dusche und Toilette vorhanden. Es gebe zwar keine Küche, jedoch stehe dem jeweiligen Bewohner des Appartements das unentziehbare Recht zur Nutzung der Teeküche zu, weil sie als Teileigentum dem Sondereigentum am Appartement zugeordnet sei. Räume außerhalb des Wohnungsabschlusses könnten "im Rahmen des § 10e EStG" hinzugerechnet werden. Die geltend gemachten Aufwendungen seien daher --bis auf die Grundsteuer, die lediglich in Höhe von 13 DM auf die Zeit vor Bezug entfalle-- nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar. Jedoch stehe der Ausbildungsfreibetrag den Klägern nur in Höhe von 11/12 zu, da der Sohn im März 1990 nicht auswärts untergebracht gewesen sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 EStG.
Das FA beantragt sinngemäß, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Zu Recht hat das FG die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen nicht nach § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Abzug als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugelassen.
Nachträgliche Werbungskosten sind Aufwendungen, die wirtschaftlich mit einer früheren auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit zusammenhängen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 1995 IX R 48/93, BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151, m.w.N.). Die geltend gemachten Kosten wurden im Streitfall auch für die unentgeltliche Nutzung der Wohnung durch den Sohn aufgewendet. Damit hängen sie auch mit der privaten Nutzung der Wohnung zusammen, die dem Lebensführungsbereich zuzuordnen ist (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Die Aufwendungen dürfen nicht aufgeteilt werden; sie sind insgesamt nicht abziehbar (BFHE 178, 155, BStBl II 1996, 151, m.w.N.).
2. Entgegen der Auffassung des FG sind die Aufwendungen auch nicht als Vorkosten abziehbar.
a) Der Abzug von Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG setzt unter anderem voraus, daß die Aufwendungen mit der Anschaffung einer Wohnung i.S. des § 10e Abs. 1 EStG zusammenhängen. Nach dem Senatsurteil vom 15. November 1995 X R 102/95 (BFHE 179, 290) ist unter einer Wohnung die Zusammenfassung mehrerer Räume zu verstehen, in denen ein selbständiger Haushalt geführt werden kann. Es müssen daher auch eine Küche oder zumindest eine Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und WC vorhanden sein. Außerdem müssen in Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten die Räume baulich gegenüber anderen Räumen abgeschlossen sein.
b) Der Senat hatte bisher noch nicht darüber zu entscheiden, ob der Wohnungsbegriff i.S. des § 10e Abs. 1 EStG auch eine Mindestwohnfläche voraussetzt. Nach der zum Bewertungsrecht und zur Grundsteuer ergangenen BFH-Rechtsprechung ist eine Wohnung nur anzunehmen, wenn die abgeschlossene Wohneinheit eine bestimmte Fläche nicht unterschreitet. Ab welcher Wohnfläche ein selbständiger Haushalt auf Dauer in den Räumen geführt werden kann, entscheidet sich nach der Verkehrsanschauung, die wesentlich durch die örtlichen Verhältnisse und den Wohnungsmarkt bestimmt wird. Daher werden an die Größe von Wohnungen z.B. in Alten- und Studentenwohnheimen geringere Anforderungen gestellt als an Wohnungen in sonstigen Wohngebäuden.
Eine Wohnfläche von Appartements in Studentenwohnheimen von knapp über 20 qm hat der BFH (Urteil vom 17. Mai 1990 II R 182/87, BFHE 160, 335, BStBl II 1990, 705, m.w.N.) als ausreichend angesehen. "Kleinstappartements" in Studentenwohnheimen mit 15,70 qm bis 16,50 qm Gesamtfläche hat er dagegen nicht als Wohnungen beurteilt (Urteil vom 11. Februar 1987 II R 210/83, BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306).
c) Diese Rechtsprechung, der sich der Senat auch für die Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 10e EStG anschließt, wird bestätigt durch die gesetzlichen Vorschriften über die baulichen Mindestanforderungen von Wohnungen in Wohnheimen, die ebenfalls Ausdruck der Verkehrsanschauung sind. Nach § 19 der Heimmindestbauverordnung vom 3. Mai 1983 (BGBl I 1983, 550) müssen z.B. "Wohnplätze" in einem Altenwohnheim für eine Person mindestens über einen Wohnschlafraum mit einer Wohnfläche von 12 qm, eine Küche, eine Kochnische oder einen Kochschrank und über einen Sanitärraum verfügen.
Im Streitfall bleibt der Wohnschlafraum mit 8 qm deutlich unter dieser Grenze. Hinzu kommt, daß sich in dem Appartement weder eine Küche noch eine Kochnische noch ein Kochschrank befindet. Nach der Verkehrsanschauung erfordert eine Wohnung aber eine eigene Kochgelegenheit. Eine außerhalb der abgeschlossenen Räumlichkeiten gelegene Gemeinschaftsküche macht ein möbliertes Zimmer mit Dusche und WC noch nicht zu einer Wohnung.
3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Fundstellen
BFH/NV 1997, 381 |
BStBl II 1997, 611 |
BFHE 183, 104 |
BFHE 1998, 104 |
BB 1997, 1678 (Leitsatz) |
DB 1997, 1649 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 1322-1323 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 709 (Leitsatz) |
HFR 1997, 743-744 (Leitsatz) |
StE 1997, 490 (Leitsatz) |
StRK, R.60 (Leitsatz und Gründe) |
FR 1997, 643 (Leitsatz und Gründe) |
Information StW 1997, 570 (Leitsatz und Gründe) |
LEXinform-Nr. 0141938 |
NJW 1998, 408 |
NJW 1998, 408 (Leitsatz) |
SteuerBriefe 1997, 20 |
BFH/NV BFH/R 1997, 381-382 (Leitsatz und Gründe) |
Grundeigentum 1997, 1235 (Leitsatz und Gründe) |
NJWE-MietR 1997, 213 (Leitsatz und Gründe) |
ZAP, EN-Nr 641 (Leitsatz) |