Leitsatz (amtlich)
Wird die Vollziehung eines Steuerbescheids rückwirkend ausgesetzt, so wird dadurch die frühere Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme nicht zu einer unrichtigen Sachbehandlung im Sinn von § 11 des Gesetzes über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung (BGBl I 1961, 429). Eine erhobene Pfändungsgebühr ist daher nicht zu erstatten.
Normenkette
Gesetz über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung vom 12. April 1961 (BGBl I 1961, 429) § 3; Gesetz über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung vom 12. April 1961 (BGBl I 1961, 429) § 11
Tatbestand
Streitig ist, ob das FA eine Pfändungsgebühr zu Recht festgesetzt und erhoben hat.
Bei dem Kläger fand im Februar 1965 eine Lohnsteuerprüfung statt, die dazu führte, daß am 1. März 1965 gegen ihn ein Haftungsbescheid für 454,44 DM Lohnsteuer und 37,38 DM Kirchensteuer, insgesamt 491,82 DM erlassen wurde. Der Kläger erhob hiergegen Einwendungen, weshalb das FA am 1. April 1965 den gesamten Betrag bis zum 20. April 1965 stundete. Zur Überprüfung der Einwendungen forderte das FA im Laufe des April und Mai 1965 mehrmals das Kassenbuch fernmündlich an. Der Kläger legte jedoch das Kassenbuch nicht vor.
Am 10. Juni 1965 pfändete das FA wegen des Rückstandes bei dem Kläger eine Bohrmaschine und forderte deshalb eine Pfändungsgebühr von 7 DM. Am 8. Juli 1965 setzte es mit Wirkung vom 20. April 1965 die Vollziehung des Haftungsbescheids (vom 1. März 1965) bis zur Erledigung des von dem Kläger eingelegten Einspruchs aus. Am 19. Juli 1965 nahm der Kläger den Einspruch zurück und bezahlte anschließend den rückständigen Steuerbetrag.
Gegen die Aufforderung des FA vom 4. Januar 1966, die anfallende Pfändungsgebühr von 7 DM zu bezahlen, legte der Kläger Beschwerde ein. Diese wies die OFD mit Beschwerdeentscheidung vom 14. Juni 1966 als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das FG hat ausgeführt, die Steuerbeträge, derentwegen die Pfändung vorgenommen worden sei, seien mit Ablauf des 20. April 1965 fällig gewesen, da an diesem Tag die zunächst am 1. April 1965 ausgesprochene Stundung abgelaufen sei. Die Pfändung sei rechtswirksam gewesen und zwar selbst dann, wenn eine besondere Mahnung durch das FA nicht mehr ausgesprochen worden sei. Der Kläger habe im Hinblick auf die wiederholten Hinweise des zuständigen Sachbearbeiters, daß eine Stundung nicht mehr zu erwarten sei, mit der Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen rechnen müssen. Die im Juli 1965 verfügte Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids lasse die Pfändung in ihrer Rechtswirksamkeit unberührt, so daß die Pfändungsgebühr zu Recht gefordert worden sei.
In der Revision, die von der Vorinstanz zugelassen worden ist, rügt der Kläger unrichtige Anwendung des geltenden Rechts.
Das FA habe ihm entgegen seinem Antrag keine "Einzelaufstellung" über die zu wenig abgeführten Steuerbeträge - je Arbeitnehmer - übermittelt. Die wiederholten fernmündlichen Aufforderungen des FA, die Rückstände abzudecken, seien rechtlich bedeutungslos. Die Aufforderungen und die Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen hätten schriftlich vorgenommen werden müssen. Mangels Einhaltung der Schriftform sei die Pfändung selbst rechtswidrig. Sie sei im übrigen auch durch die im Juli 1965 ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung wirkungslos geworden, da diese mit Rückwirkung angeordnet worden sei. Da die Pfändung somit rechtsunwirksam gewesen sei, sei die Pfändungsgebühr zu Unrecht erhoben worden und müsse erstattet werden.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und auszusprechen 'daß die Pfändungsgebühr zurückzuzahlen sei. Das FA, das die Vorentscheidung für zutreffend erachtet, beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger begehrt Erstattung der von ihm gezahlten Pfändungsgebühr. Dies ist der Streitgegenstand des Verfahrens. Soweit der Kläger daher gegen das Vorgehen des FA wegen der von ihm vermißten "Einzelaufstellungen" und der Auflage zur Vorlage des Kassenbuchs Beanstandungen erhebt, handelt es sich um Einwendungen, die gegen den Erlaß des Haftungsbescheids gerichtet sind und daher im Verfahren gegen den Haftungsbescheid hätten geltend gemacht werden müssen. In dem vorliegenden Streitverfahren liegen diese Einwendungen außerhalb des Streitgegenstandes und daher neben der Sache.
2. Auch der Einwand des Klägers, daß er vor der Vollstreckungsmaßnahme durch das FA hätte schriftlich gemahnt werden müssen und daß wegen Fehlens einer solchen schriftlichen Mahnung die Pfändung nicht rechtswirksam vorgenommen sei, ist nicht stichhaltig. Es handelt sich bei der Pfändung des FA nicht - wie der Kläger offenbar meint - um ein Zwangsmittel zur Befolgung von Anordnungen im Besteuerungsverfahren nach § 202 AO, sondern um eine Beitreibungsmaßnahme nach § 325 ff. AO, bei der das FA als Vollstreckungsbehörde tätig ist. Die Frage, ob das FA im Streitfall eine schriftliche Mahnung hätte vornehmen sollen (§ 15 BeitrO), kann auf sich beruhen. Denn die schriftliche Mahnung ist keine unerläßliche Voraussetzung der Zwangsvollstreckung, da § 15 BeitrO nur eine Sollvorschrift ist (vgl. Liman-Schwarz, Beitreibungsordnung § 15 Tz. 1). Das Unterlassen der Mahnung berührt die Wirksamkeit der Zwangsvollstreckung nicht. § 20 BeitrO, vgl. auch Liman-Schwarz, Beitreibungsordnung, § 36 Tz. 27; Mattern, Beitreibungsordnung, Bemerkung 1 zu §§ 15 bis 20. Die Gebührenschuld entsteht, sobald der Voll ziehungsbeamte Schritte zur Ausführung des Vollstreckungsauftrags unternommen hat, § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung (AOVKG), Bundesgesetzblatt I 1961 S. 429, BStBl I 1961, 332).
3. Die Verfügung des FA vom Juli 1965 enthält eine Aussetzung der Vollziehung nach § 251 AO a. F. Es kommt nicht darauf an, ob eine solche Maßnahme mit Rückwirkung überhaupt angeordnet werden konnte und in welchem Umfang sie gegebenenfalls auf bereits erlassene Leistungsgebote (Bescheide) Rechtswirkungen entfalten konnte. Denn im Zeitpunkt der Pfändung war die Vollstreckungsmaßnahme rechtlich in Ordnung. Eine unrichtige Sachbehandlung liegt nicht vor. § 11 AOVKG, wonach Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht zu erheben sind, ist nicht gegeben. Denn durch die nachträglich angeordnete Aussetzung der Vollziehung wird die ordnungsgemäß durchgeführte Pfändung nicht zu einer unrichtigen Sachbehandlung (vgl. Schwarz in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Gesetz über die Kosten der Zwangsvollstreckung nach der Reichsabgabenordnung, § 11 Anm. 4 und 12).
Da die Vorentscheidung somit zutreffend entschieden hat, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 68914 |
BStBl II 1970, 291 |
BFHE 1970, 137 |