Leitsatz (amtlich)
Die wiederholte entgeltliche Mitwirkung eines bekannten früheren Berufssportlers bei industriellen Werbeveranstaltungen ist auch dann eine selbständig ausgeübte gewerbliche Tätigkeit, wenn der Steuerpflichtige seine Leistungen nicht ausdrücklich anbietet, sondern die Firmen sich an ihn wenden, und wenn der Steuerpflichtige während dieser Veranstaltungen an bestimmte Programmabläufe gebunden ist.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Nr. 1; GewStDV § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein bekannter früherer Berufssportler, ist u. a. als selbständiger Kaufmann -- Handelsvertreter für Sportartikel -- tätig. Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) geänderte Einkommensteuerbescheide (für 1971 und 1973 endgültige Bescheide) sowie Gewerbesteuermeßbescheide für die drei Streitjahre, durch welche der Kläger mit bestimmten -- durch Einnahmen-Überschußrechnung ermittelte -- Einkünften aus Werbeveranstaltungen für Industriefirmen zur Gewerbesteuer herangezogen wurde. Es handelte sich vor allem um Honorare für Autogrammstunden sowie für die Mitwirkung in Werbefilmen, bei Fotoreklamen und Pressekonferenzen. Der Einspruch, in dem der Kläger die Ansicht vertrat, es handle sich um Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG), blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1980, 300).
Das FG führte aus, daß der Kläger seinen populären Namen und sein Bild "vermarktet", d. h. gegen Entgelt den interessierten Firmen für Werbezwecke zur Verfügung gestellt habe. Damit habe er am allgemeinen Wirtschaftsverkehr durch die Deckung bestehenden Werbebedarfs mit seiner Person teilgenommen. Die nachträgliche Heranziehung des Klägers verstoße nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Steueranspruch sei noch nicht verjährt und auch nicht verwirkt gewesen. Eine verbindliche Zusage, die bezeichneten Einkünfte nicht der Gewerbesteuer zu unterwerfen, habe das FA dem Kläger nicht erteilt.
Der Kläger rügt in der Revision Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er sei vom FA durch seine Heranziehung zur Gewerbesteuer überrascht worden. Das FA habe ihn -- bei voller Kenntnis des Sachverhalts -- sechs Jahre hindurch bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung in dem Glauben gelassen, daß er nicht gewerbesteuerpflichtig sei. Dadurch habe das FA seine Betreuungspflicht verletzt. Vorsorglich werde Verjährung der Gewerbesteueransprüche geltend gemacht. Jedenfalls seien die Ansprüche verwirkt. Er, der Kläger, habe bei seinen Honorarverhandlungen eine Gewerbesteuerbelastung nicht berücksichtigt. Das Vorgehen des FA stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Zu Unrecht habe das FG angenommen, daß das FA nicht in der Lage gewesen sei, die Herkunft der streitigen Beträge zu erkennen. Das FG selbst führe an, daß die Steuererklärungen für die Streitjahre den Vermerk "sonstige Honorare aus Werbung" enthalten hätten. Das FG habe außerdem zu Unrecht das Vorliegen eines Gewerbebetriebs angenommen (Hinweis auf Sommer, Einkünfte von Sportlern aus Werbeverträgen, Betriebs-Berater -- BB -- 1981, 177). Er, der Kläger, sei nicht selbständig tätig gewesen. Es treffe auch nicht zu, daß er im wesentlichen selbst über Zeit, Ort und Umfang seiner Tätigkeit zu entscheiden gehabt hätte. Auch sei die Tätigkeit nicht nachhaltig ausgeübt worden. Zwischen den einzelnen Werbeaktionen hätten meist längere Zeiträume gelegen. Auch sei er, der Kläger, nicht an die Firmen oder Werbeagenturen herangetreten, sondern diese hätten sich an ihn gewandt.
Der Kläger beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und -- sinngemäß -- die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Die in den Streitjahren ausgeübte Tätigkeit des Klägers erfüllte die Merkmale eines Gewerbebetriebs (§ 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes -- GewStG --, § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung -- GewStDV --). Das FG hat ohne Rechtsfehler bejaht, daß es sich um eine selbständige, nachhaltig ausgeübte Tätigkeit handelte, die mit Gewinnabsicht unternommen wurde, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellte und die nicht als selbständige Tätigkeit i. S. des § 18 EStG beurteilt werden kann.
1. Es liegt eine selbständig ausgeübte Tätigkeit vor. Nach den Feststellungen des FG war der Kläger nicht weisungsgebunden in ein anderes Unternehmen eingegliedert. Für das Fehlen einer solchen Eingliederung, die für die Annahme einer nichtselbständigen Tätigkeit gefordert wird, spricht vor allem der Umstand, daß der Kläger für eine größere Zahl von Firmen in wechselndem Umfange wiederholt, d. h. mit zahlreichen Unterbrechungen, tätig war.
a) Die von dem Kläger erhobene Rüge, das FG habe den Sachverhalt verkannt und sei von "völlig falschen tatsächlichen Voraussetzungen" ausgegangen, erfüllt nicht die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge zu stellen sind. Bei der Rüge mangelnder Sachaufklärung müssen die das Verfahrensrecht verletzenden Tatsachen genau angegeben werden (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, Rdnr. 20 zu § 120, m. w. N.). Der Kläger macht jedoch nur geltend, es könne nachgewiesen werden, daß er bei den einzelnen Werbeaktionen weisungsgebunden gewesen sei. Er hätte sich genau den Anweisungen seiner Auftraggeber hinsichtlich der Art seiner Tätigkeit und insbesondere auch in zeitlicher Hinsicht unterordnen müssen. Es könne keine Rede davon sein, daß er im wesentlichen selbst über Zeit, Ort und Umfang seiner Tätigkeit habe entscheiden können. Der Kläger hat jedoch nicht dargetan, welche Beweisanträge er im finanzgerichtlichen Verfahren gestellt hat und welche einzelnen Teile seines Klagevorbringens das FG nicht berücksichtigt habe. Seine pauschale Verweisung auf das gesamte Vorbringen erster Instanz genügt nicht zur Begründung einer Rüge wegen mangelnder Sachaufklärung.
b) Die vom Kläger angegriffene Feststellung des FG, er habe im wesentlichen selbst über Zeit, Ort und Umfang seiner Tätigkeit entscheiden können, ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Erfahrungssätze und damit aus sachlich-rechtlichen Gründen zu beanstanden. Die Beschreibung der Tätigkeit des Klägers in dem FG-Urteil, die im übrigen vom Kläger nicht bestritten wird, läßt erkennen, daß die angegriffene Feststellung in einem eingeschränkten Sinne zu verstehen ist. Denn es ergibt sich aus dem organisatorischen Ablauf der Mitwirkung bei Werbeveranstaltungen, daß der Kläger sich an dieses Programm zu halten hatte. Insofern war der Kläger naturgemäß gebunden. Doch begründet eine solche Einbindung in bestimmte Programmabläufe keine Eingliederung in das Unternehmen des Veranstalters oder Produzenten mit der Folge, daß allein aus diesem Grunde eine nichtselbständige Tätigkeit angenommen werden müßte. Dies hat das FG nicht verkannt. Seine Feststellung, daß der Kläger im wesentlichen selbst über Zeit, Ort und Umfang seiner Tätigkeit habe entscheiden können, ist deshalb dahin zu verstehen, daß der Kläger in der Entscheidung darüber frei war, ob er an Veranstaltungen dieser Art mitwirken wolle oder nicht. Der formell als Verfahrensrüge erscheinende Angriff gegen die bezeichneten Ausführungen des FG stellt sich deshalb näher besehen als -- unbegründete -- Rüge der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes durch das FG dar.
2. Die Tätigkeit wurde auch nachhaltig ausgeübt. Nachhaltig ist eine Tätigkeit, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist, d. h. wenn sie von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen und die dann auch tatsächlich wiederholt wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Dezember 1971 I R 49/70, BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291; vom 28. April 1977 IV R 98/73, BFHE 122, 462, BStBl II 1977, 728). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger war bereits seit 1967 von Industriefirmen für Werbezwecke verpflichtet worden. Im Streitjahr 1971 ist er für drei Firmen tätig geworden (Autogrammstunden), im Jahre 1972 für mindestens zehn Firmen, im Jahre 1973 für eine Firma, für diese jedoch wiederholt. Nach alledem hat der Kläger die bezeichnete Werbetätigkeit in den verschiedenen vom FG festgestellten Formen nachhaltig ausgeübt.
3. Die Gewinnerzielungsabsicht wird vom Kläger nicht bestritten. Für sie spricht auch die Höhe der von dem Kläger erzielten Einkünfte. Im übrigen hat der Kläger selbst in seiner Revisionsbegründung das kaufmännische Argument angeführt, er hätte, wenn er mit einer Heranziehung zur Gewerbesteuer hätte rechnen können, diesen Umstand bei seinen Honorarverhandlungen berücksichtigt.
4. Das FG hat schließlich mit Recht die Beteiligung des Klägers am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr bejaht. Für die Erfüllung dieses Merkmals wird nicht gefordert, daß ein besonderer Betrieb eingerichtet sein müßte, welcher die Leistungen am Markte anbietet. Es genügt, daß der Steuerpflichtige durch sein Verhalten den am Markte tätigen interessierten Unternehmen seine Bereitschaft zu erkennen gibt, an Veranstaltungen des allgemeinen geschäftlichen Verkehrs mitzuwirken. Er braucht nicht selbst für seine Person eine dahin gehende Werbung zu betreiben. Da aus dem früheren Verhalten des Klägers -- auch in einer breiten Öffentlichkeit -- bekannt war, daß er zu solchen Engagements bereit war, kam seine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dadurch zustande, daß die interessierten Firmen sich an den Kläger wandten. Die Art und Weise, wie diese Firmenkontakte zustande kamen, ist deshalb für die rechtliche Beurteilung der in der Folge von dem Kläger ausgeübten Tätigkeit unerheblich.
5. Die Tätigkeit des Klägers stellte sich nach alledem nicht als solche aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 EStG, insbesondere nicht als eine freiberufliche Tätigkeit dar. Weder war sie künstlerischer Natur noch fiel sie unter einen der Katalogberufe des § 18 EStG. Da sie insgesamt gesehen die Merkmale des § 15 Nr. 1 EStG erfüllte, ist kein Raum für die Annahme, daß diese Tätigkeit als Quelle von Einkünften aus Vermietung oder Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG) oder aus sonstigen Leistungen (§ 22 Nr. 3 EStG) angesehen werden könnte. Denn die Einkunftsarten nach §§ 21 und 22 EStG sind subsidiärer Natur. Ihr Vorliegen kann nur angenommen werden, wenn die Einkünfte -- einkommensteuerrechtlich gesehen -- nicht einer der vorausgehenden Einkunftsarten zuzuordnen sind. Dies aber ist hier der Fall, da es sich um gewerbliche Einkünfte i. S. des § 15 EStG handelt, nämlich als Folge davon, daß der Kläger eine gewerbliche Tätigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG i.V. m. § 1 Abs. 1 GewStDV ausgeübt hat.
II.
Die Gewerbesteueransprüche sind weder verjährt noch verwirkt.
1. Der Kläger hatte keine Gewerbesteuermeßbetragserklärungen abgegeben. Nach § 145 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung -- AO -- (Rechtslage vor der Abgabenordnung -- AO 1977 --) begann deshalb die Verjährung mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf die Entstehung des Steueranspruches folgte. Die Gewerbesteueransprüche waren jeweils entstanden mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Festsetzung vorgenommen wurde (§ 3 Abs. 5 Nr. 3 des Steueranpassungsgesetzes -- StAnpG --). Demgemäß begann die Verjährung für den Gewerbesteueranspruch 1971 mit Ablauf des 31. Dezember 1974 und endete mit dem 31. Dezember 1979 (§ 144 Abs. 1 AO). Für den Erhebungszeitraum 1972 endete sie mit dem 31. Dezember 1980 und für den Erhebungszeitraum 1973 am 31. Dezember 1981.
Die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide 1971 und 1973 datierten vom 15. April 1977 und für 1972 vom 1. Juni 1977, die Einspruchsentscheidung vom 14. September 1977. Die Gewerbesteueransprüche waren somit im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsakte nicht verjährt.
2. Auch eine Verwirkung ist nicht eingetreten. Verwirkung greift nur ein, wenn ein Anspruchsberechtigter durch sein Verhalten beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, daß nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsausübung empfunden wird. Nach ständiger Rechtsprechung reicht hierfür das bloße Untätigbleiben der Finanzbehörden nicht aus (BFH-Urteil vom 19. Dezember 1979 I R 23/79, BFHE 129, 462, BStBl II 1980, 368, m. w. N.). Der Senat hat zwar für denkbar angesehen, daß in besonders gelagerten Ausnahmefällen Verwirkung aufgrund bloßen Zeitablaufs zu bejahen sein kann. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Zwar hat der Kläger die in Rede stehende Tätigkeit bereits seit 1967 ausgeübt und war vom FA bis zu der im Jahre 1975 durchgeführten Betriebsprüfung nicht darauf hingewiesen worden, daß seine Tätigkeit als gewerblich beurteilt werden könnte. Dieser Umstand genügt jedoch nicht, um eine Verwirkung der Gewerbesteueransprüche anzunehmen.
Im Streitfall hat das FA über das bloße Unterlassen einer Geltendmachung der Gewerbesteueransprüche hinaus kein Verhalten gezeigt, welches einer späteren Geltendmachung dieser Steueransprüche -- innerhalb der Verjährungsfrist -- im Wege stehen könnte. Selbst wenn das FA für frühere Veranlagungszeiträume die Frage der Gewerbesteuerpflicht der Tätigkeit des Klägers ausdrücklich geprüft und verneint hätte, wäre das Vertrauen des Klägers in die Beibehaltung dieser Rechtsansicht nicht geschützt. Denn nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das FA jeweils von neuem die Rechtslage zu prüfen und es ist dabei an eine frühere unrichtige Rechtsauffassung grundsätzlich nicht gebunden. Die Entscheidung kann nicht anders ausfallen, wenn das FA zu Unrecht jahrelang die Frage der Gewerbesteuerpflicht nicht geprüft hat und der Steuerpflichtige deshalb davon ausgegangen ist, daß er mit weiteren steuerlichen Belastungen nicht zu rechnen brauche.
Einer Heranziehung des Klägers steht schließlich nicht der Umstand entgegen, daß der Kläger bei Kenntnis der Gewerbesteuerpflicht seiner Tätigkeit dafür gesorgt hätte, daß diese weitere steuerliche Belastung bei der Vereinbarung seiner Honorare berücksichtigt worden wäre. Dieser Umstand wäre nur dann rechtserheblich, wenn die Dispositionen des Klägers durch eine positive Zusage des FA veranlaßt worden wären. Eine solche Zusage lag jedoch unstreitig nicht vor.
Fundstellen
BStBl II 1983, 182 |
BFHE 1982, 183 |