Leitsatz (amtlich)
1. Verkauft ein Bauträger ein Grundstück mit einem im Bau befindlichen Mietwohnhaus (oder ein Grundstück mit einem bis zum Baubeginn vorbereiteten Bauvorhaben) und verpflichtet er sich zugleich (wenn auch in einem besonderen Vertrag) zur Fertigstellung des begonnenen (oder vorbereiteten) Bauvorhabens, so ist Gegenstand der als sachlich einheitliches Vertragswerk zu bewertenden Verträge das Grundstück mit dem fertiggestellten Gebäude. Dies gilt auch dann, wenn das Grundstück vor der Fertigstellung des Bauwerkes übereignet wird.
2. Dem Erwerber steht in diesem Fall keine Grunderwerbsteuerfreiheit wegen des Erwerbs eines Grundstücks im Zustand der Bebauung zur Fertigstellung des Bauvorhabens (oder eines unbebauten Grundstücks zur Durchführung des Bauvorhabens) zu.
2. Stellt das FA den Erwerbsvorgang nach Übersendung des Kaufvertrages, der einen Hinweis auf einen gesondert abgeschlossenen Werkvertrag enthält, und nach einer Erklärung des Erwerbers, daß er beabsichtige, auf dem Grundstück ein Gebäude zu errichten oder ein begonnenes Bauvorhaben fertigzustellen, durch schriftlichen Bescheid von der Grunderwerbsteuer frei, so ist das FA gleichwohl berechtigt, die Grunderwerbsteuer nachzuerheben, wenn sich später nach Vorlage des Werkvertrages und der Würdigung beider Verträge ergibt, daß die Bebauung nicht dem Erwerber, sondern dem Veräußerer zuzurechnen ist.
Normenkette
GrEStG NW § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrESWG NW 1958 § 1 Nr. 1; GrESWG NW 1958 § 1 Nr. 4; GrESWG NW 1958 § 3 Abs. 1; GrESWG NW 1958 § 3 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger kaufte durch drei notariell beurkundete Verträge vom Oktober 1969 (Verträge A, B und C) von der A. KG (KG) in X. belegene Grundstücke.
Die Kaufverträge lauteten dahin, daß die Grundstücke in dem Zustand verkauft würden, in dem sie sich gegenwärtig befänden.
Als Kaufpreis wurden ausgewiesen: im Vertrag A 1 500 000 DM, im Vertrag B 250 000 DM und im Vertrag C 250 000 DM.
Nach dem Wortlaut der Kaufverträge waren zur Fertigstellung der Bauvorhaben noch die folgenden Beträge erforderlich: Kaufvertrag A 150 000 DM, Vertrag B 200 000 DM und Vertrag C 230 000 DM. In diesem Zusammenhang hieß es wörtlich:
"Der Käufer übernimmt die Bauleistung selbst und läßt die Gebäude im eigenen Namen als Bauherr vollenden. Hinsichtlich der Bauleistungen werden die Beteiligten einen Werkvertrag gesondert schließen."
Der Kläger verpflichtete sich, bestimmte Grundstücksbelastungen vom Tage der Bezugsfertigkeit an mit den zugrunde liegenden Forderungen zuzüglich der Tilgungsstreckungen (im Vertrag A auch Darlehens- und Zuschußverträge mit der Wohnungsbauförderungsanstalt) als eigene und persönliche Schuld zu bezahlen.
Im einzelnen wurden Grundpfandrechte in der folgenden Höhe übernommen: Vertrag A 1 500 000 DM, Vertrag B 250 000 DM und Vertrag C 250 000 DM.
Die Vertragspartner erklärten in den Kaufverträgen (im Falle des Grundstücks B erst am 29. Dezember 1969) die Auflassung und bewilligten und beantragten die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch.
Die Bau- und Finanzierungsverträge, die dem Finanzamt (FA) zunächst nicht bekannt wurden, beinhalteten, daß der Kläger die Bauvorhaben als Bauherr mit sofortiger Wirkung übernehme, während sich die KG verpflichte, das Bauvorhaben für den Kläger fertigzustellen, und zwar auf dessen Rechnung und in dessen Namen.
Als Baupreis vereinbarten sie Pauschalpreise in Höhe der in den Kaufverträgen genannten zur Fertigstellung der Bauvorhaben erforderlichen Beträge.
Der Kläger versicherte gegenüber dem beklagten FA, er werde die im Bau befindlichen Gebäude fertigstellen. Er beantragte Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 4 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrESWG). Das FA erließ Freistellungsverfügungen, die es dem Kläger bekanntgab.
Die Anträge auf Umschreibung des Eigentums wurden am 4. November 1969 (Vertrag A), am 29. Dezember 1969 (Vertrag B) und am 10. Dezember 1969 (Vertrag C) beim Grundbuchamt eingereicht. Der Eigentumswechsel wurde eingetragen am 20. April 1970 (Vertrag A) und am 17. März 1970 (Verträge B und C).
Bezugsfertig war das Bauvorhaben A am 15. Juli 1970 bzw. 1. November 1970, das Bauvorhaben B am 15. Dezember 1970 und das Bauvorhaben C am 1. Juni 1970.
Durch Schreiben vom 13. Oktober 1972 forderte das FA den Kläger erfolglos auf, seine Bauherreneigenschaft im einzelnen darzulegen.
Durch Steuerbescheide vom 5. Juli 1973 unterwarf das FA sodann den Vertrag A der Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von 1 650 000 DM, den Vertrag B nach einer Gegenleistung von 450 000 DM und den Vertrag C nach einer Gegenleistung von 480 000 DM.
Mit den hiergegen eingelegten Einsprüchen machte der Kläger unter erstmaliger Vorlage der Bau- und Finanzierungsverträge unter anderem geltend, daß die Voraussetzungen des § 1 Nr. 4 GrESWG vorlägen. Er habe die Grundstücke in unfertigem Bauzustand erworben und als Bauherr fertiggestellt.
Das FA erhöhte die festgesetzten Grunderwerbsteuerbeträge durch die Einspruchsentscheidungen vom 23. Juni 1976 (unter Berücksichtigung der vom Kläger übernommenen Tilgungsstreckungsbeträge als Teil der Gegenleistung).
Im Klageverfahren hat der Kläger jeweils beantragt, die Grunderwerbsteuerbescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen ersatzlos aufzuheben. Er hat geltend gemacht, daß die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 1 Nr. 4 GrESWG gegeben seien.
In der mündlichen Verhandlung hat das FA sich dahin eingelassen, daß die Bemessungsgrundlage in den drei Steuerbescheiden um insgesamt 580 000 DM zu vermindern sei. Dem ist das Finanzgericht (FG) gefolgt. Im übrigen hat es die verbundenen Klagen abgewiesen. Seine Entscheidung hat es im wesentlichen wie folgt begründet:
Sowohl bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als auch bei Anwendung der Rechtsprechung des erkennenden Senats ergebe sich, daß § 1 Nr. 4 GrESWG nicht anwendbar sei. Nach der Rechtsprechung des BFH scheitere die Steuerfreiheit daran, daß die KG sich als Bauträgerin zur Fertigstellung bzw. zur Herstellung (Vertrag B) des Bauvorhabens nach den von ihr gefertigten Bauplänen verpflichtet habe. Bei Anwendung der Rechtsprechung des FG sei davon auszugehen, daß die abgeschlossenen Werkverträge nicht ernsthaft vereinbart worden seien. Entgegen der Einlassung des Klägers beruhe die Aufteilung der Gesamterwerbspreise in Kaufpreise und Werkvertragsentgelte nicht auf tatsächlichen Erhebungen über die bereits erbrachten Bauleistungen. Die ausgewiesenen Kaufpreise und Werkentgelte seien ohne erkennbaren Bezug zur Realität.
Das FA sei durch die Freistellungsbescheide vom 28. November 1969 nicht daran gehindert gewesen, die Grunderwerbsteuer zu erheben. Zwar habe der BFH in einem nichtveröffentlichten Urteil vom 28. Juni 1978 II R 66/76 entschieden, daß Schreiben, wie sie das FA am 28. November 1969 versandt habe, als Freistellungsbescheide zu qualifizieren seien, die nur in den Voraussetzungen der §§ 225 bzw. 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) a. F. berichtigt werden könnten. Im vorliegenden Fall seien jedoch die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO a. F. gegeben. Denn dem FA seien bei Erlaß der Freistellungsbescheide vom 28. November 1969 nur die Kaufverträge, nicht aber die Werkverträge bekannt gewesen. Deshalb lägen neue Tatsachen vor.
Die Verböserung durch die Einspruchsentscheidungen ohne vorherigen Hinweis führe nicht zur Aufhebung dieser Entscheidungen. Nach Sachlage müsse angenommen werden, daß der Kläger bei entsprechendem Hinweis die Einsprüche nicht zurückgenommen hätte.
Die im Klageverfahren gestellten Beweisanträge bezögen sich auf nichtentscheidungserhebliche Sachverhalte.
Auch die Behauptung des Klägers, es sei in einem vergleichbaren Fall eine Versteuerung unterblieben, sei nicht entscheidungserheblich.
Der Kläger hat Revision eingelegt und seinen Klagantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit, als die Klage abgewiesen worden ist, und in diesem Ausmaß zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entgegen der Auffassung des Klägers war allerdings Gegenstand der Erwerbsvorgänge jeweils das Grundstück mit bezugsfertigem Gebäude. Die Erwerbsvorgänge waren nicht steuerfrei, weil der Kläger die Grundstücke nicht zur Bebauung bzw. zur Fertigstellung der Bebauung erworben hatte. Der Aufhebung unterliegt das angefochtene Urteil wegen des Ansatzes der Gegenleistung.
1. Die drei Vertragswerke (jeweils ein Kaufvertrag und ein Bauvertrag) ergeben eindeutig, daß Gegenstand dieser Vertragswerke jeweils das Grundstück mit bezugsfertigem Wohnhaus war. Entscheidend ist, daß die KG sich jeweils verpflichtete, die auf den verkauften Grundstücken begonnenen Bauvorhaben fertigzustellen. Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß in einem Falle die Verträge offensichtlich bereits kurz vor Baubeginn geschlossen worden sind. Bei derartigen Verträgen ist regelmäßig davon auszugehen, daß das Grundstück mit den fertiggestellten Gebäuden zum Gegenstand der Kaufverträge gemacht worden ist (vgl. das BFH-Urteil vom 12. März 1980 II R 52/77, BFHE 130, 341, 343, BStBl II 1980, 472).
Diese Auffassung des Senats steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH), wonach es sich bei einem Grundstücksverkauf mit Fertigstellungsverpflichtung in aller Regel um einen einheitlichen Vertrag über den Erwerb des Gebäudes handelt (vgl. Entscheidungen vom 4. Dezember 1975 VII ZR 269/73, BGHZ 65, 359, 362; vom 5. Mai 1977 VII ZR 36/76, BGHZ 68, 372, 375; vom 5. April 1979 VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204, 205). Der Erwerber wolle und solle den vom Veräußerer errichteten Neubau in einem Zuge erhalten und nicht aufgespalten in einen bereits fertiggestellten und einen erst noch fertigzustellenden Teil. Die Fertigstellungsverpflichtung sei grundsätzlich auch als Erstellungsverpflichtung anzusehen, die sich auf das ganze Bauwerk beziehe.
Aus allem folgt, daß die Fertigstellungsverpflichtung gleichwertig neben der Übereignungsverpflichtung steht. Beide Verpflichtungen können in Fällen der vorliegenden Art nur dahin beurteilt werden, daß es ihr einheitliches Ziel ist, dem Erwerber Eigentum an dem Grundstück mit bezugsfertigem Gebäude zu verschaffen. Dabei macht es, wie der Senat entschieden hat, keinen Unterschied, ob zunächst die Fertigstellungsverpflichtung und danach die Übereignungsverpflichtung erfüllt wird oder umgekehrt (vgl. die Urteile vom 25. Juli 1979 II R 105/77, BFHE 128, 544, 550, BStBl II 1980, 11, und vom 23. Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741; Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., vor § 1 Tz. 18 fm). Auch wenn das Grundstück sofort übereignet wird, erhält der Käufer den Vertragsgegenstand erst mit der Fertigstellung des Bauwerkes. Die Übereignung des Grundstückes ist nur eine Teilmaßnahme zur Erfüllung des sachlich einheitlichen Vertrages. Erst im Fertigstellungszeitpunkt ist die Übergabe bzw. die Abnahme des vollständigen Bauwerkes möglich.
Aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der in Nordrhein-Westfalen geltenden Fassung (GrEStG) folgt entgegen der Auffassung des FG nichts anderes. Wenn dort von Rechtsgeschäften die Rede ist, die den Anspruch auf Übereignung begründen, so ist damit lediglich zum Ausdruck gebracht, daß Eigentumsverschaffungsverträge der Grunderwerbsteuer unterliegen. Die Vorschrift trifft aber keine Entscheidung darüber, daß die Frage nach dem Gegenstand des Eigentumsverschaffungsvertrages äußerstenfalls nach dem Bauzustand im Zeitpunkt des Eigentumsüberganges zu beurteilen ist. Es ist vielmehr nach dem Gesamtinhalt des Vertrages bzw. des sachlich einheitlichen Vertragswerkes zu beurteilen, was jeweils Vertragsgegenstand ist, worauf die vertraglichen Hauptverpflichtungen des Veräußerers gerichtet sind, von denen die Übereignungsverpflichtung gegebenenfalls nur eine Verpflichtung ist.
Würde man demgegenüber der Auffassung des FG folgen, so würden sich bei Kaufverträgen mit Fertigstellungsverpflichtung und sofortiger Eigentumsübertragung ungereimte Ergebnisse insofern ergeben, als von unterschiedlichen Vertragsgegenständen auszugehen wäre, je nachdem, wann das einzelne Objekt verkauft und übereignet wird (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, a.a. O., vor § 1 Tz. 18 fp S. 409 unten).
Aus dem einheitlichen Kaufvertrag mit Fertigstellungsverpflichtung können nicht dadurch zwei sachlich voneinander unabhängige Verträge gemacht werden, daß die Fertigstellungsverpflichtung aus dem Kaufvertrag herausgenommen und in einen gleichzeitig geschlossenen Bauvertrag übernommen wird. Beide Verträge bilden auch weiterhin formell (vgl. § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) und vor allem sachlich eine Einheit. Sie sind auch weiterhin auf die Übertragung des Grundstückes mit bezugsfertigem Gebäude gerichtet. Die Aufteilung erfolgt lediglich dem Wortlaut nach. Sie änderte im vorliegenden Fall nichts daran, daß die KG das nach ihren Plänen begonnene bzw. vorbereitete Bauvorhaben zu Ende führen und das fertiggestellte Bauvorhaben sodann dem Kläger übergeben sollte. Der Kläger hat eindeutig ein Grundstück mit bezugsfertigem Gebäude erworben, auch wenn die Übereignungsverpflichtung vor der Fertigstellung des Bauvorhabens erfüllt worden ist.
Dies folgt auch daraus, daß sich das Verhältnis der KG zum Bauvorhaben auch nach dem Vertragsabschluß nicht änderte. Daß es bei der Durchführung der vorbereiteten bzw. begonnenen Bauvorhaben gewisse Abweichungen von der ursprünglichen Planung gab, ist mangels der Geringfügigkeit der Abweichungen nicht erheblich. Sie änderten nichts daran, daß Vertragsgegenstand das Grundstück mit fertiggestelltem Gebäude war.
2. Sind Gegenstand der Erwerbsvorgänge die Grundstücke mit fertiggestellten Bauvorhaben, so kommt eine Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 4 des inzwischen außer Kraft getretenen GrESWG nicht in Betracht. Der Kläger hat keine Grundstücke im Zustand der Bebauung zur Fertigstellung erworben. Die Fertigstellung blieb vielmehr Verpflichtung der KG. Sie ist deshalb nicht dem Kläger zuzurechnen.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers war das FA verfahrensrechtlich nicht daran gehindert, den angefochtenen Steuerbescheid zu erlassen. Dies gilt selbst dann, wenn davon ausgegangen wird, daß die Freistellungsverfügungen als formell endgültige (materiell vorläufige) Freistellungsbescheide zu beurteilen sind und darüber hinaus unterstellt wird, daß die angefochtenen Steuerbescheide nicht auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO a. F. gestützt werden könnten. Denn in diesem Falle wären die angefochtenen Steuerbescheide jedenfalls als Nachversteuerungsbescheide Rechtens.
Wird auf Antrag ein Freistellungsbescheid mit Nachversteuerungsvorbehalt erlassen, so äußert er auch dann Tatbestandswirkung, wenn er materiell unrichtig sein sollte (vgl. das BFH-Urteil vom 24. Februar 1982 II R 42/80, BFHE 135, 237, BStBl II 1982, 405). Solange ein Freistellungsbescheid besteht, ist davon auszugehen, daß das Grundstück zur Verwirklichung des steuerbegünstigten Zwecks erworben worden ist. Dies schließt aber nicht aus, zu einem späteren Zeitpunkt zu überprüfen, ob der Erwerber den steuerbegünstigten Zweck selbst verwirklicht hat, wie dies z. B. bei Erwerb eines Grundstücks zur Bebauung bzw. zur Fertigstellung des Bauwerkes erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1980 II R 52/77, BFHE 130, 341, 342, BStBl II 1980, 472; ferner Boruttau/Egly/Sigloch, a. a. O., Anhang Tz. 850 h, 1028 a). Ist das nicht der Fall, so findet eine Nachversteuerung wegen Nichtverwirklichung des steuerbegünstigten Zwecks statt.
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß das FA nach Erlaß der Freistellungsverfügungen prüfen durfte, ob der Kläger den steuerbegünstigten Zweck (die Fertigstellung des Gebäudes) selbst verwirklicht hat. Da dies, wie oben ausgeführt, nicht der Fall ist, ist die Bebauung noch dem Veräußerer zuzurechnen; der steuerbegünstigte Zweck ist deshalb durch den Kläger nicht verwirklicht worden. Damit sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 GrESWG für die Nachversteuerung erfüllt.
Als das FA die angefochtenen Steuerbescheide erließ, waren die Gebäude durch die Veräußerin fertiggestellt. Während des Einspruchsverfahrens gelangte das FA dann zur Kenntnis der "Bau- und Finanzierungsverträge" und konnte daraus eindeutig entnehmen, daß der Kläger wegen der inzwischen erfolgten bestimmungsgemäßen Fertigstellung durch die Veräußerer den steuerbegünstigten Zweck selbst nicht mehr erfüllen konnte. Dieser Umstand stand einer Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks durch den Kläger gleich; denn er war nicht mehr in der Lage, den steuerbegünstigten Zweck selbst zu erfüllen.
Will der Erwerber sichergehen, daß die geplante Verwirklichung des steuerbegünstigten Zwecks zur materiell endgültigen Steuerfreiheit führt, so muß er dem FA den Sachverhalt von Anfang an vollständig unterbreiten. Tut er dies nicht, so trägt er das Risiko, daß das FA die geplante, dem FA aber nicht bekanntgewordene Zweckverwirklichung nicht als eine Zweckverwirklichung durch den Erwerber anerkennt.
4. Das Urteil des FG ist insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen worden ist. Der Senat vermag aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht zu entscheiden, ob das FG die für die Höhe der Steuer maßgebende Gegenleistung richtig berechnet hat.
Eine Überprüfung des angefochtenen Urteils steht dem erkennenden Senat allerdings nur insoweit zu, als sie zu einer Bestätigung des Ansatzes der Gegenleistung oder einer Verminderung der Gegenleistung führen würde. Im übrigen stände einer Überprüfung das Verböserungsverbot entgegen; denn das FA hat keine Revision eingelegt.
Die Überprüfung des Ansatzes der Gegenleistung betrifft unter diesen Umständen lediglich den Ansatz der übernommenen Tilgungsstreckungsdarlehen als Teil der Gegenleistung. In dem angefochtenen Urteil fehlt eine Begründung dafür, warum die Tilgungsstrekkungsdarlehen zur Gegenleistung für den Erwerb der Grundstücke und nicht etwa zu den Vergütungen für die Nutzung der von den Geldgebern zur Verfügung gestellten Darlehensbeträge gehören. Im ersteren Sinne jedenfalls ist diese Frage nicht ohne weiteres zu beantworten (vgl. den Beschluß des Großen Senats vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 390, BStBl III 1966, 144). Die Sache geht deshalb an das FG zurück.
Sollte sich bei der erforderlichen Überprüfung ergeben, daß die Tilgungsstreckungsdarlehen kein Teil der Gegenleistung sind, so ist (in diesem Ausmaß) noch entscheidungserheblich, ob die Auffassung des FA richtig ist, daß die in den Bauverträgen angesetzten (und quittierten) Barpreise nicht geleistet worden sind und deshalb nicht zur Gegenleistung gehören. Diese Prüfung wird nicht dadurch entbehrlich, daß das FA im finanzgerichtlichen Verfahren nur eingeschränkte Klagabweisungsanträge gestellt hat (vgl. den Beschluß des Großen Senats vom 15. November 1971 GrS 7/70, BFHE 103, 456, 462, BStBl II 1972, 120, 123).
Anmerkung: Die Beträge sind verändert worden.
Fundstellen
Haufe-Index 74691 |
BStBl II 1983, 609 |
BFHE 1983, 480 |