Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflicht des FG bei der Ermittlung des Endpreises i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG
Leitsatz (NV)
Behauptet ein Arbeitnehmer, der tatsächliche Angebotspreis für die Ware, auf die ihm sein Arbeitgeber einen Rabatt gewährt hat, sei niedriger als der Listenpreis, so kann das FG bei der Ermittlung des in dem Rabatt liegenden Vorteils, der als Arbeitslohn zu erfassen ist, nicht ohne weiteres den Listenpreis als Endpreis zugrundelegen, sondern muß aufgrund seiner Aufklärungspflicht dem Vorbringen, ggf. unter Heranziehung der Beteiligten, nachgehen.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 3, § 19 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Angestellter eines Automobilherstellers (X- AG). Beim Erwerb eines Fahrzeugs von seiner Arbeitgeberin erhielt er einen Personalrabatt, den die Arbeitgeberin nach Abzug des Freibetrags von 2 400 DM als Arbeitslohn behandelte. Im Klageverfahren begehrten die Kläger, den geldwerten Vorteil niedriger anzusetzen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Verweisung auf die Gründe der Einspruchsentscheidung ab.
Die Kläger rügen mit ihrer Revision, das FG habe es versäumt, Feststellungen zu den Gepflogenheiten zu treffen, nach denen im allgemeinen Geschäftsverkehr Pkw der X-AG fremden Letztverbrauchern zu Preisen unter dem Listenpreis des Herstellers angeboten würden. Derartige Feststellungen hätten zu dem Ergebnis geführt, daß auch Pkw der X- AG an fremde Letztverbraucher unter dem Listenpreis angeboten würden. Der so ermittelte niedrigere Angebotspreis als Endpreis hätte zu einem niedrigeren Arbeitslohn als vom FG angenommen geführt.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur Feststellung des unter dem Listenpreis liegenden Angebotspreises als Endpreis i. S. von § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat zutreffend entschieden, daß der dem Kläger von seiner Arbeitgeberin gewährte Preisnachlaß dem Grunde nach als Arbeitslohn (§§ 8, 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu erfassen ist.
Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG lassen aber keine abschließende Prüfung zu, ob der in dem Preisnachlaß liegende Arbeitslohn in zutreffender Höhe ermittelt worden ist.
Nach dem Sachvortrag der Kläger ist der in dem Preisnachlaß liegende geldwerte Vorteil im Streitfall in der Weise berechnet worden, daß als Endpreis i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG der Listenpreis des Pkw angesetzt worden ist. Nach dem Senatsurteil vom 4. Juni 1993 VI R 95/92 (BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687) ist Endpreis i. S. von § 8 Abs. 3 EStG in der Regel der für fremde Letztverbraucher geltende tatsächliche Angebotspreis, der nicht von Preisnachlässen aufgrund gezielter Preisverhandlungen oder persönlicher Beziehungen berührt wird. Das FG hätte im Streitfall nicht ohne weiteres den solchermaßen zu verstehenden Endpreis mit dem Listenpreis gleichsetzen dürfen. Zwar war für das FG nicht offenkundig, daß nach den tatsächlichen Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr für die Fahrzeuge der X-AG niedrigere Preise als die Listenpreise gezahlt wurden. Gleichwohl wäre bei dieser Sachlage die Gleichsetzung des Listenpreises mit dem Endpreis i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG ohne weitere Sachaufklärung nur dann nicht zu beanstanden gewesen, wenn die Kläger zu dem Verhältnis von Listenpreis und Endpreis i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG im Klageverfahren keine abweichenden Behauptungen aufgestellt hätten. In Wirklichkeit war jedoch bei verständiger Würdigung das Vorbringen der Kläger über die Gewährung marktüblicher Rabatte gegenüber dem Listenpreis in der Automobilbranche in Verbindung mit dem Hinweis auf die Vereinbarung zwischen der Y-AG und der Finanzverwaltung des Landes ... über die Art der Ermittlung des geldwerten Vorteils dahin zu verstehen, daß sie behaupteten, nach den Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr seien auch bei den Fahrzeugen der X-AG die tatsächlichen Angebotspreise der Händler an die Letztabnehmer niedriger als die Listenpreise. Dieses Vorbringen war -- wie auch durch das inzwischen ergangene Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Januar 1996 IV B 6 -- S 2334 -- 24/96 (BStBl I 1996, 114) zur Ermittlung des geldwerten Vorteils beim Erwerb von Kraftfahrzeugen vom Arbeitgeber in der Automobilbranche belegt wird -- nicht abwegig. Das FG hätte ihm deshalb aufgrund seiner Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), ggf. unter Heranziehung der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO), nachgehen müssen. Dies ist nicht geschehen.
Das FG wird nunmehr im zweiten Rechtsgang Feststellungen darüber nachzuholen haben, mit welchem Endpreis i. S. des § 8 Abs. 3 EStG der nächstansässige Abnehmer von Pkw der X-AG die betreffenden Fahrzeuge angeboten hat.
Fundstellen