Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenkungsteuer bei Übernahme von anteilsbezogenen Verwendungen
Leitsatz (NV)
- Der Gegenstand der Schenkung richtet sich grundsätzlich danach, was nach der Schenkungsabrede, d.h. nach dem übereinstimmenden Willen von Schenker und Bedachtem, geschenkt sein soll. Haben die Beteiligten den Schenkerwillen jedoch nicht vollzogen, kann er für die Erhebung der Schenkungsteuer auch nicht erheblich sein. Für die Bestimmung des Schenkungsgegenstandes ist deshalb entscheidend, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker ‐ endgültig ‐ tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dies ist die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974) darstellende Bereicherung des Bedachten, an die die Wertermittlung gemäß den §§ 11, 12 ErbStG anknüpft.
- Ebenso wie ein Kommanditanteil Gegenstand einer (mittelbaren) Schenkung sein kann (zum BGB-Gesellschaftsanteil: BFH-Urteil vom 14. Dezember 1995 II R 79/94, BFHE 179, 166, BStBl II 1996, 546), kann auch die Werterhöhung eines Kommanditanteils (mittelbar) schenkweise erfolgen. Die Grundsätze der mittelbaren (Anteils-)Schenkung können auch auf anteilsbezogene Verwendungen ‐ wie etwa die Zahlung von Nachschüssen -, die von dem Zuwendenden übernommen werden, Anwendung finden, denn die Bereicherung des Beschenkten wirkt sich auch in diesem Fall in der Kommanditbeteiligung aus.
Normenkette
ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 5; BewG §§ 3, 97 Abs. 1 Nr. 5, § 98a; BGB §§ 133, 516 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist neben seinem Vater (V) und drei weiteren Personen Kommanditist der A-GmbH & Co. KG (KG) mit einer Kommanditeinlage (Kapitalanteil) von 750 000 DM. Die Kapitalanteile der Kommanditisten werden auf festen Kapitalkonten verbucht. Daneben werden für jeden Kommanditisten so genannte Kapitalverlustkonten geführt, auf denen den Gesellschaftern die anteiligen Verluste belastet werden. Eine Nachschusspflicht der Kommanditisten zur Auffüllung dieser Kapitalverlustkonten besteht nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages der KG vom 15. Mai 1981 nicht. Der Ausgleich der Konten soll nach § 18 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages durch Gutschrift zukünftiger Gewinne erfolgen.
Nach Belastung der Kapitalverlustkonten mit dem im Jahre 1986 erwirtschafteten Fehlbetrag wiesen diese einen Gesamtsaldo von 3 255 836,20 DM auf, wovon 488 375,43 DM auf den Kläger entfielen. Die Gesellschafter beschlossen am 22. Oktober 1987, einen Teilausgleich für die Kapitalverlustkonten herzustellen. Bezüglich des Kapitalverlustkontos des Klägers erfolgte der Teilausgleich dadurch, dass V einen Teilbetrag von 450 000 DM aus einem Darlehen, das er der KG gewährt hatte, zur Verrechnung mit dem Kapitalverlustkonto stellte. In gleicher Weise wurde im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses 1987 verfahren. Die Gesellschafter beschlossen am 1. Dezember 1988, einen Teilausgleich der Kapitalverlustkonten herzustellen, wobei V zur Verrechnung mit dem Kapitalverlustkonto des Klägers (Stand nach Verbuchung des Jahresfehlbetrages 1987: 346 479,17 DM) einen weiteren Teilbetrag von 300 000 DM aus dem der KG gewährten Darlehen zur Verfügung stellte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah in diesen Vorgängen freigebige Zuwendungen des V an den Kläger in Höhe von 450 000 DM bzw. 300 000 DM und setzte durch Bescheide vom 26. Januar und 2. März 1993 ―unter Berücksichtigung von Vorschenkungen― Schenkungsteuer in Höhe von 39 600 DM und 33 000 DM fest.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger die Aufhebung der Bescheide begehrte, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führt in seiner klageabweisenden Entscheidung aus, V habe dem Kläger unentgeltlich seine Gläubigerposition in Bezug auf die Darlehensforderungen gegen die KG mit der Maßgabe übertragen, diese zur Minderung des Saldos auf dem Kapitalverlustkonto zu verwenden. Die dadurch eingetretene Minderung der Salden habe zu einer objektiven Bereicherung des Klägers geführt, weil dieser nunmehr zukünftige Gewinne früher zugeteilt und ausgezahlt erhalten könne, ohne dass diese zuvor zur Auffüllung der Kapitalverlustkonten verwendet werden müssen. Die umgebuchten Kapitalforderungen seien nach § 12 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) i.V.m. § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem Nennwert zu bewerten.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die bei V durch die Forderungsabtretung eingetretene Entreicherung bei ihm, dem Kläger, zu einer Bereicherung um eben diese Darlehensansprüche geführt habe. Seine Bereicherung habe vielmehr in der Minderung des Saldos auf dem Kapitalverlustkonto bestanden. Wirtschaftlich sei ihm nur die (vage) Chance zugewandt worden, in Zukunft früher über Gewinne zu verfügen als er es ohne die väterliche Zuwendung hätte tun können. Eine solche Chance stelle jedoch noch keine Bereicherung dar. Diese trete erst in dem Zeitpunkt ein, in dem tatsächlich Gewinnanteile in seiner Hand verfügbar seien.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG Düsseldorf vom 2. Oktober 1998 4 K 2628/93 Erb sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Das angefochtene Urteil verstößt gegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.d.F. des Gesetzes zur Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts vom 17. April 1974 (BGBl I 1974, 933) ―ErbStG 1974― i.V.m. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der Auffassung des FG, Gegenstand der freigebigen Zuwendung des V an den Kläger sei eine Kapitalforderung gegen die KG gewesen, schließt sich der erkennende Senat nicht an.
a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974; vgl. auch § 516 Abs. 1 BGB). Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5. Februar 1986 II R 188/83, BFHE 146, 164, BStBl II 1986, 460, und vom 18. Dezember 1972 II R 87-89/70, BFHE 108, 393, BStBl II 1973, 329). Auszugehen ist danach zunächst vom Parteiwillen, im Falle der freigebigen Zuwendung vom Willen des Zuwendenden, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll. Haben die Beteiligten den Schenkerwillen jedoch nicht vollzogen, kann er für die Erhebung der Schenkungsteuer auch nicht erheblich sein (BFH-Urteile vom 6. März 1985 II R 114/82, BFHE 143, 287, BStBl II 1985, 380, und vom 26. September 1990 II R 50/88, BFHE 162, 139, BStBl II 1991, 32). Denn nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974 entsteht die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden erst mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Für die Bestimmung des Schenkungsgegenstandes ist deshalb entscheidend, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker ―endgültig― tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dies ist die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974) darstellende Bereicherung des Bedachten, an die die Wertermittlung gemäß den §§ 11, 12 ErbStG anknüpft (BFH-Urteile in BFHE 162, 139, BStBl II 1991, 32; vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83; vom 17. Juni 1998 II R 51/96, BFH/NV 1998, 1378, und vom 21. Mai 2001 II R 10/99, BFH/NV 2001, 1404).
Der erkennende Senat folgt nicht der Auslegung der (Gesellschafter-)Vereinbarungen durch das FG, Gegenstand der Zuwendung des V an den Kläger sei eine Kapitalforderung gewesen. Er ist an diese Auslegung des FG auch nicht gebunden (BFH-Urteil vom 8. Februar 1989 II R 85/86, BFHE 160, 1, BStBl II 1990, 587, zu 3.). Entgegen der Auffassung des FG sind als Gegenstände der Zuwendungen des V an den Kläger nicht abgetretene Darlehensforderungen, sondern die in der Rückführung des Kapitalverlustkontos liegende zweimalige Werterhöhung der Kommanditbeteiligung des Klägers zu sehen. Denn der Kläger sollte nach den Umständen des Streitfalls zu keinem Zeitpunkt tatsächlich und rechtlich über eine Forderung gegen die KG frei verfügen können. Die Forderung sollte vielmehr ausschließlich zur Verrechnung mit dem Kapitalverlustkonto eingesetzt werden. Danach war der Kläger nicht nur nicht berechtigt, die Forderungen gegen die KG aus eigenem Recht geltend zu machen, sondern verpflichtet, die Verrechnung mit seinem Kapitalverlustkonto hinzunehmen. Er war somit endgültig nicht um die Darlehensforderungen, sondern um die als Folge der Verrechnung eingetretenen Werterhöhungen seiner Beteiligung am Vermögen der KG bereichert.
Anders als der Kläger meint, hat die Minderung seines Kapitalverlustkontos ihm deshalb wirtschaftlich nicht nur die (vage) Chance eröffnet, früher über Gewinne verfügen zu können als er es ohne die väterliche Schenkung hätte tun können, sondern ihm einen konkreten, bereits mit der Ausführung der Schenkung eingetretenen Vermögenszuwachs gebracht. Es liegt somit im Verhältnis des V zum Kläger eine Vermögensverschiebung vor.
Das Erfordernis der Bereicherung aus dem Vermögen des Schenkers setzt nicht voraus, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt in dem Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht (s. Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 2. Juli 1990 II ZR 243/89, BGHZ 112, 40, 46; BFH-Urteil vom 13. März 1996 II R 51/95, BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548). Nach den Grundsätzen zur "mittelbaren Schenkung" ist ausschlaggebend, was der Bedachte nach dem Willen des Zuwendenden erhalten sollte und tatsächlich erhalten hat, und nicht, auf welche Weise es ihm verschafft wurde (Moench, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, Stand September 2001, § 7 Rdnr. 22). Ebenso wie ein Kommanditanteil Gegenstand einer (mittelbaren) Schenkung sein kann (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 112, 40, 44 f.; s. zum BGB-Gesellschaftsanteil: BFH-Urteil vom 14. Dezember 1995 II R 79/94, BFHE 179, 166, BStBl II 1996, 546), kann auch die Werterhöhung eines Kommanditanteils (mittelbar) schenkweise erfolgen. Die Grundsätze der mittelbaren (Anteils-)Schenkung können auch auf anteilsbezogene Verwendungen ―wie etwa die Zahlung von Nachschüssen―, die von dem Zuwendenden übernommen werden, Anwendung finden, denn die Bereicherung des Beschenkten wirkt sich auch in diesem Fall in der Kommanditbeteiligung aus.
Anders als bei Kapitalgesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 1996 II R 83/92, BFHE 181, 88, BStBl II 1996, 616) steht bei einer Personengesellschaft das (Gesamthands-)Vermögen den Gesamthändern (Gesellschaftern) und nicht der Gesellschaft zu (vgl. § 718 BGB). Zuführungen ins Gesamthandsvermögen wirken sich somit im gesamthänderischen Vermögen der Gesellschafter, in ihrem Gesellschaftsanteil aus (vgl. BFH-Urteil vom 14. September 1994 II R 95/92, BFHE 176, 44, BStBl II 1995, 81).
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichen würden, den zutreffenden (Steuer-)Wert für das Zuwendungsobjekt (Werterhöhung des Gesellschaftsanteils des Klägers) zu ermitteln.
Das FG hat im zweiten Rechtsgang den Wert des KG-Anteils des Klägers vor dem jeweiligen (Teil-)Ausgleich des Kapitalverlustkontos durch V und nachher zu ermitteln und die Differenz als Wert der Bereicherung des Klägers der Besteuerung zugrunde zu legen. Die Bewertung des gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögens der KG (gewerblicher Betrieb) hat nach § 12 Abs. 5 ErbStG 1974 i.V.m. § 97 Abs. 1 Nr. 5 und § 98a BewG in der vor dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung insgesamt zu erfolgen. Der so ermittelte Wert ist nach § 3 BewG aufzuteilen und dem Kläger jeweils ein seinem Vermögensanteil entsprechender Teil zuzurechnen (s. BFH-Urteil in BFHE 179, 166, BStBl II 1996, 546).
Fundstellen
Haufe-Index 747322 |
BFH/NV 2002, 1030 |
HFR 2002, 808 |
ZEV 2002, 427 |