Leitsatz (amtlich)
Der Sitz des Unternehmens im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 2 GüKG ist an einem bestimmten Ort nur dann gegeben, wenn der Unternehmer an diesem Ort tatsächlich das Unternehmen betreibt. Die bloße Anmeldung eines Güternahverkehrsgewerbes an einem Ort, die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb des Güternahverkehrs an diesem Ort durch die für diesen Ort zuständige Verkehrsbehörde, die Zulassung des Kraftfahrzeugs durch die für diesen Ort zuständige Zulassungsbehörde und die Entrichtung von Steuern und der sozialen Beiträge für den Fahrer des Kraftfahrzeugs an die für diesen Ort zuständigen Stellen reichen nicht aus, um einen Sitz des Unternehmens an diesem Ort zu begründen, wenn der Unternehmer tatsächlich das Unternehmen von einem anderen Ort aus betreibt.
Normenkette
BefStG 1955 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; GüKG § 6 Abs. 2
Tatbestand
Der Bf., der bis zum 31. Dezember 1956 Gesellschafter eines Speditionsunternehmens war, jedoch als solcher seine wirtschaftliche Existenz nicht mehr als gesichert ansah, hat seinen Wohnsitz in A. Um sich ein sichereres Einkommen zu verschaffen, übernahm er als Unternehmer im Auftrag eines Beförderungsunternehmens, das seinerseits wiederum Aufträge von der X.-Companie in B. erhielt, laufend die Beförderung von Heizöl von B. in den Raum C. Aus diesem Anlaß meldete er sich am 15. September 1955 in D. "für einen zweiten Wohnsitz" polizeilich an, ohne jedoch dort tatsächlich Wohnung zu nehmen; er beschränkte sich darauf, in D. ein Wohnzimmer für 40 DM monatlich bei dem Gemeindeangestellten S. zu mieten. Nach der geographischen Lage von D. liegen sowohl der Beladeort B. als auch die in Betracht kommenden Entladeorte innerhalb der für D. maßgebenden Nahzone. Am Tage der polizeilichen Anmeldung in D. meldete der Bf. dort als sein Gewerbe ein Güternahverkehrsunternehmen für Flüssigkeitstransporte an. Auf seinen Antrag erteilte die für D. örtlich zuständige untere Verkehrsbehörde am 25. Oktober 1955 die zur Durchführung von Güternahverkehr erforderliche Erlaubnis. Die für den genannten Beförderungszweck vom Bf. gekauften zwei Tanklastzüge waren auf seinen Antrag am 7. bzw. 24. Oktober 1955 von der für D zuständigen Zulassungsstelle zugelassen worden. Der Gemeindeangestellte S., bei dem der Bf. ein Wohnzimmer gemietet hatte, übernahm für den Bf. gegen Zahlung einer monatlichen Vergütung von 40 DM die Erledigung bestimmter Arbeiten, so die laufenden Kraftfahrzeugsteuer- und Gewerbesteuerangelegenheiten, die Zahlung der sozialen Versicherungsbeiträge für die Fahrer, die Zahlung der Gebühren für Rundfunk und für das erst im Januar 1956 angelegte Telefon. Zur Erfüllung dieser Aufgaben stand dem S. ein vom Bf. bei der benachbarten Kreissparkasse neu errichtetes "Bankkonto" zur Verfügung, für das ihm "Bankvollmacht" erteilt war. Dieses Konto wurde durch Zahlungen seitens des Bf. gespeist. S. übernahm auch, etwa für den Bf. eingehende Post ihm nach A. zuzuleiten. Den Einsatz der Fahrzeuge, für die übrigens in D. keine Unterkunft bestand und die D. auch kaum berührten, die Instandsetzung und Instandhaltung der Kraftfahrzeuge, die Ausstellung der Rechnungen und die Entrichtung der Umsatzsteuer an das für D. örtlich zuständige Finanzamt besorgte der Bf., der selbst nur selten in D. war, von seinem Wohnsitz A. aus. Dorthin wurden ihm auch die Aufträge über die von B. in den Raum C. von ihm durchzuführenden Öltransporte mittels Fernschreibers erteilt. Der Gemeindeangestellte S. hatte keine Kenntnis von den durchgeführten Beförderungen und war auch ohne Einfluß auf den Einsatz der Fahrzeuge, zumal auch die Fahrer in A. oder in der Umgebung von A. wohnten. Am 1. Oktober 1956 beantragte der Bf. bei der oberen Verkehrsbehörde, die einem Dritten erteilte Güterfernverkehrsgenehmigung auf ihn mit dem Sitz seines Unternehmens in A. zu übertragen.
Auf Grund dieses von der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr Außenstelle V. bei einer Nachschau am 26./27. Oktober 1956 festgestellten Sachverhalts sah das Finanzamt als Standort der Fahrzeuge den Ort A. und damit die Beförderungen als im nicht genehmigten Güterfernverkehr durchgeführte Beförderungen an. Es forderte vom Bf. mit Bescheid vom 17. Mai 1957 für die Zeit vom 21. Oktober bis 31. Dezember 1955 Beförderungsteuer in Höhe von 4315,05 DM und mit Bescheid vom gleichen Tage für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1956 Beförderungsteuer in Höhe von 20 832,35 DM nach.
Das Finanzamt wies die gegen die Steuerbescheide eingelegten Einsprüche als unbegründet zurück.
Auch das Finanzgericht wies die Berufungen, die es wegen ihres engen rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhangs zur einheitlichen Entscheidung verbunden hatte, als unbegründet zurück. Standort des Fahrzeugs, gleichviel ob im Güternahverkehr oder im Güterfernverkehr eingesetzt, könne nur ein Ort sein, in dem sich entweder der Sitz des Unternehmens oder eine nicht nur vorübergehende geschäftliche Niederlassung des Unternehmens befindet. Hiernach könne D. nicht als Standort anerkannt werden. Denn dort habe sich weder der Sitz des Unternehmens noch eine nicht nur vorübergehende geschäftliche Niederlassung befunden. Die Anmeldung des Unternehmens in D. müsse also nur zum Schein erfolgt angesehen werden, um eben die vorgeschriebene Genehmigung des Güterfernverkehrs zu umgehen und die Beförderungen im Nahverkehr durchführen zu können. Nach § 5 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) sei daher A. als Standort der Fahrzeuge anzusehen. Damit liege nicht genehmigter Güterfernverkehr vor. Zuständig zur Erteilung der Steuerbescheide sei daher entgegen der Meinung des Bf. auch das Finanzamt Z. gewesen.
Entscheidungsgründe
Auch der Rb. muß der Erfolg versagt bleiben.
Der Bf. macht geltend, seine beiden Kraftfahrzeuge im Güternahverkehr verwendet zu haben, wobei Standort der Fahrzeuge D. gewesen sei. Nach § 6 Abs. 2 GüKG gilt bei den im Güternahverkehr verwendeten Kraftfahrzeugen der im Kraftfahrzeugschein eingetragene Sitz (Wohnsitz) des Unternehmers als Standort, wobei vorausgesetzt ist, daß der Unternehmer an seinem im Kraftfahrzeugschein eingetragenen Wohnsitz entweder den Sitz seines Unternehmens oder eine geschäftliche Niederlassung hat. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, dann hat die zuständige Verkehrsbehörde den Standort zu bestimmen und hierüber eine amtliche Bescheinigung zu erteilen (§ 6 Abs. 2 GüKG und Abschn. 1 Abs. 2 der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsgesetz vom 6. März 1953 -- Bundesanzeiger 1953 Nr. 47 vom 10. März 1953 --).
Es kann davon ausgegangen werden, daß bei den beiden vom Bf. für die Güterbeförderung eingesetzten Fahrzeugen im Kraftfahrzeugschein als Sitz (Wohnsitz) des Unternehmers der Ort D. eingetragen war. Standort der Fahrzeuge aber kann der im Kraftfahrzeugschein eingetragene Ort D. nur dann sein, wenn der Bf. in D. auch den Sitz seines Unternehmens oder eine geschäftliche Niederlassung hatte. Beides ist vom Finanzgericht zu Recht verneint worden. Denn sowohl für den Sitz des Unternehmens als auch für eine geschäftliche Niederlassung ist zu fordern, daß der Unternehmer an diesem Ort einen zum dauernden Gebrauch eingerichteten, ständig oder doch in regelmäßiger Wiederkehr von ihm benutzten Geschäftsraum besitzt und die von ihm ausgeübte Tätigkeit an diesem Ort einen gewissen Mittelpunkt für sein Unternehmen bildet und einen erheblicheren Umfang hat. Hierzu wird auf die Entscheidung des erkennenden Senats II 37/57 U vom 22. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 248, Bezug genommen. In D. aber befand sich, jedenfalls in der Zeit, auf die sich die Steuernachforderung bezieht, keineswegs der Mittelpunkt des Unternehmens des Bf. oder ein gewisser Mittelpunkt seines Unternehmens. Wie das Finanzgericht ohne Tatsachenirrtum festgestellt hat, fand in D. keine für ein Güterbeförderungsunternehmen typische Tätigkeit statt. Der Bf. hatte wohl einen Raum gemietet, er machte aber davon keinen Gebrauch für den Betrieb seines Unternehmens. Die Anmeldung der beiden Fahrzeuge bei der für D. örtlich zuständigen Zulassungsstelle zur Zulassung, die polizeiliche Anmeldung des Bf. in D. für einen zweiten Wohnsitz, die übrigens als solche nach bürgerlichem Recht noch keinen zweiten Wohnsitz begründete, die Anmeldung eines Güternahverkehrsunternehmens in D. als Gewerbebetrieb und die jeweilige Abführung der Kraftfahrzeugsteuer und der sozialen Beiträge für die beiden Kraftfahrer an die für D. örtlich zuständigen Stellen sind keine Vorgänge, die D. zum Mittelpunkt oder zu einem gewissen Mittelpunkt des Güterbeförderungsunternehmens des Bf. machten. D. bildete weder den Ausgangspunkt noch den Endpunkt der Beförderungen, es wurde bei den Beförderungen von den Kraftfahrzeugen nicht einmal regelmäßig berührt; die vom Bf. eingerichtete Stelle in D. hatte betriebsmäßig überhaupt keine Beziehung zu dem Unternehmen, ihr war vom Bf. lediglich die Rolle zugedacht, den Ort D. zum Standort für die Kraftfahrzeuge zu machen, um zu erreichen, daß die Beförderungen von B. in den Raum C. als solche im Güternahverkehr gelten. Es war also durch die vom Bf. getroffenen Maßnahmen tatsächlich weder ein Sitz des Unternehmens noch eine geschäftliche Niederlassung in D. geschaffen worden, selbst wenn, wie der Bf. meint, der Weglassung der Worte "nicht nur vorübergehende" vor den Worten "geschäftliche Niederlassung" im Abs. 2 zum Unterschied von Abs. 1 des § 6 GüKG eine sachliche Bedeutung beizumessen wäre, wofür jedoch keine inneren Gründe sprechen (vgl. hierzu auch Abschn. 1 Abs. 2 der oben angeführten Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Güterkraftverkehrsgesetz). Aus der Erteilung der Erlaubnis zum Güternahverkehr nach §§ 80 ff. GüKG, die allerdings rechtsbegründend ist und nur unter gewissen Voraussetzungen (§ 88 GüKG) zurückgenommen werden kann, kann der Bf. nichts für seine Ansicht herleiten, daß der Standort der Fahrzeuge in D. gewesen sei, zumal in der Erlaubnisurkunde nicht die Angabe des Standorts vorgesehen ist (§ 83 Abs. 1 GüKG). Die Maßnahmen des Bf. stellen lediglich die Schaffung eines Scheintatbestands dar, durch den jedoch nach § 5 GüKG die Vorschriften dieses Gesetzes nicht umgangen werden dürfen.
Hatten nun, wie dargelegt, die Fahrzeuge ihren Standort nicht in D., dann muß ohne Bedeutung bleiben, daß die mit den beiden Fahrzeugen vorgenommenen Güterbeförderungen jeweils nur innerhalb eines Umkreises von 50 km, gerechnet in der Luftlinie vom Mittelpunkt des Ortes D., ausgeführt worden sind. Der Bf. hätte eben, um diese Beförderungen zu solchen im Güternahverkehr zu machen, entweder seine Tätigkeit von A. nach D. verlegen oder wenigstens eine Niederlassung dort begründen müssen. Die sonstigen Ausführungen des Bf. können zu keiner anderen Beurteilung führen.
Hiernach war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409676 |
BStBl III 1960, 304 |
BFHE 1961, 144 |
NJW 1960, 1735 |