Leitsatz (amtlich)
Eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen, ist nicht berechtigt, selbst Klage gegen einen Feststellungsbescheid i. S. der §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 zu erheben.
Normenkette
FGO § 57 Nr. 1, § 48 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR). Gesellschaftszweck ist die Errichtung von Wohnungen im sozialen Wohnungsbau und deren Vermietung. Ende 1977 hatte die Gesellschaft 76 Gesellschafter.
Der Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) verteilte in dem angefochtenen Feststellungsbescheid für 1977 abweichend von der von der Revisionsbeklagten vorgenommenen Verlustverteilung den laufenden Verlust entsprechend der jeweiligen Kapitalbeteiligung der einzelnen Gesellschafter zum 31. Dezember 1977, während die Revisionsbeklagte die Verteilung nach ihren allgemeinen Vertragsbedingungen vorgenommen hatte.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage durch sein in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 353 veröffentlichtes Urteil statt. Es nahm an, daß die Revisionsbeklagte Klage erhoben habe, und bejahte die Zulässigkeit der Klage. Die Revisionsbeklagte sei nach § 57 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beteiligtenfähig. Der angefochtene Verwaltungsakt sei gegen sie als Feststellungsobjekt ergangen (§§ 179 Abs. 2 Satz 2 und 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung - AO 1977 -). Es sei unerheblich, daß die Revisionsbeklagte als GdbR nicht rechtsfähig sei. Im Steuerprozeß komme es für die Beteiligteneigenschaft nur darauf an, wer nach den Steuergesetzen Steuersubjekt sei (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 57 Anm. 1 B; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 57 FGO Anm. 1; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. November 1979 VII R 97/77, BFHE 129, 526, BStBl II 1980, 301) und gegen wen die Finanzbehörde Ansprüche als Steuersubjekt geltend mache (BFH-Urteil vom 13. Februar 1973 VII R 76/70, BFHE 108, 486, BStBl II 1973, 502). Beides treffe für die Revisionsbeklagte zu. Die Revisionsbeklagte sei als Feststellungsbeteiligte Steuersubjekt, weil für sie Feststellungserklärungen hätten abgegeben werden müssen (§ 58 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -, § 34 AO 1977) und weil der Feststellungsbescheid mit Wirkung gegen die Beigeladenen unter dem Namen der Revisionsbeklagten hätte wirksam werden können (Hinweis auf § 183 Abs. 1 und 2 AO 1977 und BFH-Urteil vom 12. August 1976 IV R 105/75, BFHE 120, 129, BStBl II 1977, 221, 223). Deshalb habe der BFH auch anerkannt, daß eine Personengesellschaft an einem die einheitliche Feststellung betreffenden finanzgerichtlichen Verfahren beteiligt sein könne (BFH-Urteil vom 24. November 1977 IV R 113/75, BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467). Mit der Anfechtungsklage gegen einen Feststellungsbescheid könnten auch einzelne darin enthaltene Feststellungen selbständig angefochten werden (BFH-Urteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509). Die Revisionsbeklagte sei auch klagebefugt, weil sie geltend mache, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten, weil die Rechte ihrer Gesellschafter beeinträchtigt würden.
Die Klage sei auch begründet. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines Grundstücks, das mehreren gehöre, seien den in der Form einer GdbR verbundenen Beteiligten grundsätzlich nach dem Verhältnis zuzurechnen, das die Gesellschafter bestimmt hätten (§ 722 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 42 AO 1977.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Revisionsbeklagte beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit dieses über die Klage der Gesellschafter des Immobilienfonds (I-Fonds) entscheiden möge.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung verletzt § 57 Nr. 1 FGO. Die Verletzung dieser Vorschrift ist zwar nicht gerügt worden. Da es sich hierbei aber nicht um einen Verfahrensfehler, sondern um die Verletzung materiellen Rechts handelt (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Februar 1970 IV B 93/69, BFHE 99, 6, BStBl II 1970, 545), kann diese Rechtsverletzung auch ohne Rüge berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO).
1. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß der I-Fonds als GdbR Klägerin (§ 57 Nr. 1 FGO) in diesem Verfahren sein kann und Klägerin ist.
a) Zwar würde die mangelnde Rechtsfähigkeit einer GdbR anders als im Zivilprozeß (vgl. § 50 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) der Anerkennung als Partei im finanzgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht im Wege stehen. Im finanzgerichtlichen Verfahren kommt es neben anderen Voraussetzungen auch darauf an, wer nach den Steuergesetzen Steuersubjekt ist (BFHE 108, 486, BStBl II 1973, 502), d. h. wer hinsichtlich der im Streit befindlichen Steuer aus diesem Steuerrechtsverhältnis in Anspruch genommen wird oder werden soll. Daher kommt auch nichtrechtsfähigen Gebilden die Steuerrechtsfähigkeit und damit auch die Beteiligtenfähigkeit zu, wenn sie den Tatbestand erfüllen, an den das Gesetz die subjektive Steuerpflicht knüpft, wie z. B. nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen nach § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geht es nicht um die Besteuerung der Gesellschaft, sondern um die Einkommensteuer der Gesellschafter (vgl. BFHE 120, 129, 134, BStBl II 1977, 221). Demzufolge kann im vorliegenden Fall nicht die GdbR Klägerin nach § 57 Nr. 1 FGO sein; nur die Gesellschafter der GdbR können Kläger sein (vgl. auch BFHE 129, 526, BStBl II 1980, 301).
b) Entgegen der Ansicht des FG ist die GdbR auch nicht deshalb steuerrechts- und damit beteiligtenfähig nach § 57 Nr. 1 FGO, weil "für sie als Feststellungsbeteiligte Feststellungserklärungen abgegeben werden mußten (Hinweis auf § 58 EStDV und § 34 AO 1977)". § 58 EStDV normiert keine Verpflichtung der Gesellschaft zur Abgabe von Erklärungen für die Gesellschaft, woraus sich möglicherweise eine Berechtigung herleiten ließe, als Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren aufzutreten. § 58 EStDV verpflichtet vielmehr die in § 34 AO 1977 aufgeführten Personen zur Abgabe der Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Beteiligten und nicht der Gesellschaft. Die in § 58 EStDV getroffene Regelung spricht mithin nicht für die vom FG angenommene Klägerstellung der GdbR, sondern dagegen. Es geht auch der in diesem Zusammenhang vom FG gemachte Hinweis auf das Urteil in BFHE 120, 129, BStBl II 1977, 221 fehl. Denn dort ist gerade ausgeführt worden, es mache einen wesentlichen Unterschied, ob es sich darum handele, daß - wie etwa bei der Umsatzsteuer, der Gewerbesteuer oder Grunderwerbsteuer - die frühere Personengesellschaft selbst als Steuersubjekt in Anspruch genommen werden solle oder ob es um die einheitliche Gewinnfeststellung einer früheren Gesellschaft gehe, mit der Ansprüche gegen die Gesellschaft gar nicht geltend gemacht, sondern nur die Besteuerungsgrundlagen der Gesellschafter gesondert festgestellt würden.
c) Schließlich ist entgegen der Ansicht des FG die GdbR im vorliegenden Fall auch nicht deshalb Klägerin nach § 57 Nr. 1 FGO, weil der angefochtene Bescheid gegen sie gerichtet gewesen sei und sie sich hiergegen wehren können müsse. Es trifft zu, daß jemand als Kläger geltend machen kann, seine Steuerrechtsfähigkeit sei zu Unrecht bejaht worden (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1969 I R 190/67, BFHE 96, 335, BStBl II 1969, 656; Tipke/Kruse, a. a. O., § 57 FGO, Tz. 1; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rdnr. 5977). Entgegen der Ansicht des FG hat sich aber der Feststellungsbescheid wie auch die Einspruchsentscheidung nicht gegen die GdbR gerichtet, sondern gegen die Gesellschafter. Beide Bescheide weisen zwar im Adressenfeld lediglich die I-Fonds GdbR aus, im übrigen sind aber in dem Feststellungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung die Gesellschafter selbst und die auf sie entfallenden Verlustanteile einzeln aufgeführt. Damit sind aber nach der Rechtsprechung des BFH die Gesellschafter als Adressaten der Steuerverwaltungsakte hinreichend bestimmt. Zwar kann ein einheitlicher Feststellungsbescheid bei einer GdbR nur durch die Angabe der einzelnen Gesellschafter charakterisiert werden. Die Gesellschafter sind daher notwendige Adressaten eines solchen Feststellungsbescheides (BFH-Urteile vom 24. März 1970 I R 141/69, BFHE 98, 531, BStBl II 1970, 501, und vom 28. März 1979 I R 219/78, BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718). Die Rechtsprechung des BFH hat es aber weiter für eine zutreffende Adressierung eines solchen Bescheides als ausreichend angesehen, daß im Adressenfeld eine Sammel- oder Kurzbezeichnung angegeben ist, wenn sich im übrigen aus dem Bescheid die weiteren Angaben über die Gesellschafter entnehmen lassen. Entscheidend ist nur, daß aus dem Gesamtinhalt des Bescheides erkennbar ist, für welche Personen die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden und wie hoch diese sind (BFH-Urteile vom 26. September 1974 IV R 24/71, BFHE 114, 156, BStBl II 1975, 311; vom 27. April 1978 IV R 187/74, BFHE 126, 114, BStBl II 1979, 89, und BFHE 120, 129, BStBl II 1977, 221). Ist hiernach die Steuerrechtsfähigkeit der GdbR durch das FA nicht bejaht worden, bestand auch keine Veranlassung, die Beteiligtenfähigkeit der GdbR nach § 57 Nr. 1 FGO anzunehmen.
2. Die I-Fonds GdbR war auch nicht befugt, nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO Klage zu erheben. Nach dieser Vorschrift können die zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter oder Gemeinschafter eine Klage in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen, erheben. Die Rechtsprechung des BFH hat diese Vorschrift in dem Sinn verstanden, daß nicht die zur Geschäftsführung berufenen Personen, sondern die vertretungsberechtigten Personen gemeint sind, und hat hieraus weiter gefolgert, daß in den Fällen, in denen diese Personen einen Rechtsbehelf einlegen oder Klage erheben, dies dann für die Gesellschaft selbst geschieht (Urteil vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672, unter Hinweis auf die frühere BFH-Rechtsprechung). Diese Rechtsauffassung hat der BFH für Personenhandelsgesellschaften in späteren Urteilen bestätigt, wenn auch nicht immer dieser Ausdruck verwendet wurde, sondern mitunter nur von Personengesellschaften die Rede war (Urteile vom 18. Mai 1973 III R 73-75/72, BFHE 109, 373, BStBl II 1973, 676; vom 13. März 1974 I R 39/72, BFHE 112, 20, BStBl II 1974, 436, 437; vom 24. Mai 1977 IV R 47/76, BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737; vom 21. Januar 1982 IV R 146/78, BFHE 135, 386, BStBl II 1982, 506; vom 11. März 1982 IV R 46/79, BFHE 135, 457, BStBl II 1982, 542, und Beschluß vom 13. Dezember 1979 IV B 79/79, BFHE 130, 5, BStBl II 1981, 329). Inzwischen hat der IV. Senat des BFH diese Rechtsauffassung, wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, auf gewerblich oder freiberuflich tätige Gesellschaften des bürgerlichen Rechts angewandt (vgl. Urteile vom 2. Dezember 1982 IV R 72/79, BFHE 137, 323, BStBl II 1983, 215, und vom 24. März 1983 IV R 123/80, BFHE 138, 337, BStBl II 1983, 598). Der Senat läßt offen, ob dieser Rechtsprechung zur gewerblich oder freiberuflich tätigen GdbR gefolgt werden kann. Wie der Senat in seinem Urteil vom 29. September 1981 VIII R 90/79 (BFHE 134, 505, BStBl II 1982, 216) ausgesprochen hat, sind bei der Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung alle Mitberechtigten nach § 48 Abs. 2 FGO klagebefugt, soweit sich der Feststellungsbescheid gegen sie richtet. Damit ist aber die Anwendung des § 48 Abs. 1 FGO für den Bereich dieser Einkunftsart ausgeschlossen, soweit sich der Feststellungsbescheid gegen die Gesellschafter einer GdbR richtet. Ob im Hinblick auf §§ 124, 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs etwas anderes gilt, wenn eine Personenhandelsgesellschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden (vgl. insoweit BFH-Beschluß vom 5. Mai 1981 VIII B 26/80, BFHE 133, 285, BStBl II 1981, 574).
3. Abgesehen davon ist davon auszugehen, daß trotz der unzutreffenden Bezeichnung in der Klageschrift im Wege der Auslegung der Prozeßerklärung (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1981 VIII R 116/79, BFHE 135, 267, BStBl II 1982, 385) die Klage von den Gesellschaftern eingelegt worden ist. Die vom BFH vertretene Rechtsansicht, daß es für eine zutreffende Adressierung eines Bescheides an die Gesellschafter ausreiche, wenn im Adressenfeld eine Kurzbezeichnung angeführt ist, die Gesellschafter aber im übrigen sich aus der Aufstellung in der Anlage ergeben, rechtfertigt die Annahme, daß sich die Gesellschafter, an die der Bescheid und die Einspruchsentscheidung gerichtet waren, und nicht die Gesellschaft gegen diese Verwaltungsakte haben wehren wollen. Die Vorentscheidung, die rechtsirrig die Klagebefugnis der I-Fonds GdbR bejaht und diese als Klägerin angesehen hat, mußte hiernach aufgehoben werden. Eine Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung kommt nicht in Betracht. Denn das FG hat über die bei ihm anhängige Klage der Gesellschafter der Revisionsbeklagten noch nicht entschieden und muß nun über sie entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 74935 |
BStBl II 1984, 318 |
BFHE 1984, 22 |