Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Gegen einen Grundsteuermeßbescheid, den das Finanzamt als Landesbehörde für ein Grundstück des Landes erläßt, muß der steuerberechtigten Gemeinde nach Art. 19 Abs. 4 GG - über die Vorschriften der Reichsabgabenordnung hinaus - der Rechtsschutz vor den Steuergerichten gewährt und die Rechtsmittelbefugnis zuerkannt werden.
Ist Grundbesitz einer deutschen Gebietskörperschaft von dieser für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt worden, so kann vermutet werden, daß die Besatzungsmacht diesen Grundbesitz, wenn sie ihn für ihre Zwecke beschlagnahmt hat, ebenfalls für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt hat. Umgekehrt ist anzunehmen, daß steuerpflichtiger Grundbesitz einer deutschen Gebietskörperschaft auch nach der Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht für ihre Zwecke von dieser nicht zu einem öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt worden ist. In beiden Fällen ist der Nachweis des Gegenteils offen.
Normenkette
GrStG § 4/1/a; AO § § 212a, 229 a. F, § 229/1, § 229/2, § 235/1, § 229/3, § 238/1, § 231; FGO § 40/2; GG Art. 19 Abs. 4; FGO § 33 Abs. 1, § 40/3
Tatbestand
Das Land N. (Kurverwaltung des Staatsbades S.) ist Eigentümer des zum Staatsbad gehörigen Verwaltungsgebäudes. Der Grundsteuermeßbetrag für dieses Grundstück war zum 1. Januar 1938 auf 1.038 RM festgesetzt worden. Im Jahre 1945 wurde das Grundstück zusammen mit mehreren anderen Grundstücken des Staatsbades von der Besatzungsmacht beschlagnahmt.
Der Finanzminister des Landes N. hatte in mehreren Runderlassen die Auffassung vertreten, daß Grundbesitz des ehemaligen Deutschen Reiches und der Länder, der von der Besatzungsmacht beansprucht werde, in entsprechender Anwendung von § 4 Ziff. 1 Buchstabe a des Grundsteuergesetzes (GrStG) grundsteuerfrei sei. Die Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht sei eine Beanspruchung, die derjenige für öffentlich-rechtliche Zwecke gleichzustellen sei. Dabei sei gleichgültig, zu welchem Zweck die Beanspruchung erfolge. Den Verwendungszweck bestimme lediglich die Besatzungsmacht. Die deutsche Verwaltung habe auf ihn keinen Einfluß. Demgemäß wurde angeordnet, den genannten Grundbesitz, solange er von der Besatzungsmacht benutzt werde, von der Grundsteuer freizustellen.
Auf Grund dieser Anordnung beantragte die Kurverwaltung des Staatsbades beim Finanzamt, u. a. auch das streitige Grundstück von der Grundsteuer zu befreien. Die steuerberechtigte Gemeinde erhob mit Schreiben vom 10. Mai 1949 beim Minister der Finanzen Einwendungen gegen die genannte Anordnung. Die Gemeinde wies vor allem darauf hin, daß ein Teil der wichtigsten Gebäude von der Besatzungsmacht nicht zu Verwaltungszwecken, sondern als Truppenläden, Klubs selbstzahlender Einheiten und für ähnliche Dinge verwendet würde. Trotz dieser Einwendungen beharrte der Minister der Finanzen auf seinem Standpunkt und wies das Finanzamt an, die beschlagnahmten Grundstücke von der Grundsteuer freizustellen. Im Verfolg dieser Anordnung wurde auch das streitige Grundstück mit Bescheid vom 18. Juni 1949 nach dem Stande vom 1. Januar 1948 befreit. Der Bescheid wurde lediglich der Kurverwaltung bekanntgegeben. In der Folgezeit erhob die Gemeinde - wie die Akten zeigen - immer wieder mündlich und schriftlich Einwendungen gegen die Freistellung des Staatsbades von der Grundsteuer. Diese Einwendungen hatten offenbar keinen Erfolg. Das Finanzamt änderte lediglich mit Bescheid vom 13. Oktober 1950 den Freistellungsbescheid vom 18. Juni 1949 dahin ab, daß die Befreiung nicht nach dem Stande vom 1. Januar 1948, sondern erst vom 1. Januar 1949 gelte. Auf den Einspruch der Kurverwaltung hin wurde jedoch - entsprechend einer mit Zustimmung des Ministeriums der Finanzen ergangenen Anordnung der Oberfinanzdirektion - der Bescheid vom 13. Oktober 1950 aufgehoben und das Grundstück wieder nach dem Stande vom 1. Januar 1948 von der Grundsteuer freigestellt.
In der Folgezeit gab die Gemeinde erneut zu erkennen, daß sie sich mit der Freistellung des Staatsbades von der Grundsteuer nicht einverstanden erklären könne. Sie führte, wenn auch erfolglos, ein Verwaltungsstreitverfahren gegen das Land beim Verwaltungsgericht durch. Schließlich beantragte sie mit Schreiben vom 23. Juli 1954 beim Finanzgericht, im Berufungsverfahren gemäß § 228 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) den Freistellungsbescheid des Finanzamts für rechtswidrig zu erklären und aufzuheben. Das Finanzgericht behandelte diesen Antrag als Berufung. Die Berufung selbst wurde als unzulässig verworfen. Die Entscheidung der Vorinstanz beruht auf folgenden Erwägungen: Den Gemeinden stehe nach den Vorschriften der AO ein Rechtsmittel gegen Grundsteuermeßbescheide nicht zu. Eine Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden könne auch nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet werden; denn die Gemeinde als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts könne sich dort, wo sie in ihrer Eigenschaft als Träger von Hoheitsrechten einem anderen Träger von Hoheitsrechten gegenübertrete, nicht auf diese Verfassungsbestimmung berufen. Aber auch sachlich könne die Berufung keinen Erfolg haben. Es handle sich um eine entschädigungslose Beschlagnahme von Grundeigentum einer deutschen öffentlich-rechtlichen Körperschaft durch die Besatzungsmacht. Die nach Besatzungsrecht erzwungene entschädigungslose Zurverfügungstellung von Grundbesitz auf Seiten des Landes stelle schlechthin grundsteuerbefreienden öffentlichen Dienst im Sinne des § 4 Ziff. 1 Buchstabe a GrStG dar.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Gemeinde, die auf unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gestützt wird, führt (allerdings aus anderen als den von der Beschwerdeführerin - Bfin. - vorgebrachten Gründen) zur Aufhebung der Vorentscheidung.
I. - Nach § 212 a Abs. 3 AO liegt in der Festsetzung des Steuermeßbetrages zugleich auch die Feststellung der sachlichen Steuerpflicht und der persönlichen Steuerpflicht (Steuerschuldnerschaft). Hieraus ergibt sich, daß über Befreiungen von der Grundsteuer, die auf § 4 GrStG gestützt werden, durch Grundsteuermeßbescheid entschieden wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 248/55 S vom 20. Januar 1956, Slg. Bd. 62 S. 186, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 69). Das Rechtsmittelverfahren gegen Grundsteuermeßbescheide ist das Berufungsverfahren (§ 228 Ziff. 1 AO). Im Berufungsverfahren selbst ist gegen die Entscheidung des Finanzamts der Einspruch und erst gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts die Berufung zugelassen (§ 229 AO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs stellt die Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Rechtszuges nicht etwa nur einen Verfahrensmangel dar; vielmehr handelt es sich um das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung. Die Nichtwahrung des Rechtszuges ist von Amts wegen, nicht etwa nur auf Rüge hin zu beachten. Im Streitfalle durften die Einwendungen der Gemeinde gegen den Freistellungsbescheid des Finanzamts nicht als Berufung, sondern mußten als Einspruch behandelt werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Vorinstanz zu dem Ergebnis gekommen ist, daß der Gemeinde überhaupt kein Rechtsmittel gegen den Grundsteuermeßbescheid zusteht. Denn über diese Streitfrage kann nur in demselben Rechtszug entschieden werden, der für das Meßbetragsverfahren gegeben ist. Allerdings hätte die Möglichkeit bestanden, statt des Einspruchs Berufung einzulegen. In diesem Falle hätte aber der Vorsteher des Finanzamts bis zum Ablauf eines Monats (von der Einlegung des Rechtsmittels ab gerechnet) seine Einwilligung erklären müssen. Da hier diese Einwilligung nicht vorliegt, muß das von der Gemeinde eingelegte Rechtsmittel als Einspruch behandelt werden. Da die Vorinstanz dies verkannt hat, unterliegt ihre Entscheidung der Aufhebung. Die Sache geht an das Finanzamt, das zunächst über den Einspruch der Gemeinde gegen die Freistellung des streitigen Grundstücks von der Grundsteuer nach dem Stande vom 1. Januar 1948 zu entscheiden hat. Hierbei wird es die nachstehenden Ausführungen zu beachten haben.
II. - Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat in seinem Beschluß I B 43/55 U vom 22. November 1955 (Slg. Bd. 62 S. 115, BStBl 1956 III S. 44) entschieden, daß den Gemeinden ein Rechtsmittel gegen Gewerbesteuermeßbescheide nicht zusteht und eine Rechtsmittelbefugnis insoweit auch nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG hergeleitet werden kann. Zur Begründung wird in dieser Entscheidung u. a. auf folgendes hingewiesen:
Bis zum Erlaß des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) vom 16. Oktober 1934 hätten die Länder und Gemeinden als Träger von Hoheitsrechten im Hinblick auf ihre Vertretung im Steuerausschuß eine allgemeine Rechtsmittelbefugnis gegen Bescheide der Finanzämter, an denen der Steuerausschuß mitgewirkt hatte, gehabt. Dieses Recht sei durch das StAnpG (§ 21 Ziff. 41) im Zusammenhang mit der Ersetzung des Steuerausschusses durch den Beirat beseitigt worden. Gleichzeitig mit dem Erlaß des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vom 1. Dezember 1936 seien durch § 28 Ziff. 13 und Ziff. 23 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom gleichen Tage Bestimmungen in die AO aufgenommen worden, die den Gemeinden gewisse Mitwirkungsrechte im Besteuerungsverfahren, insbesondere bei der Gewerbesteuer, eingeräumt hätten. Es handle sich um die Vorschriften des § 36 Abs. 2 bis 4 und des § 100 Abs. 3 AO. Diese Vorschriften seien auch noch nach der Wiedereinführung des Steuerausschusses sowie der Vertretung der Gemeinden in ihm durch die §§ 23 ff. des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) vom 6. September 1950 unverändert bestehen geblieben. Daraus, daß von der Wiedereinräumung der Rechtsmittelbefugnis an die Gemeinden abgesehen worden sei, müsse geschlossen werden, daß der Gesetzgeber die durch das Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen gewährten Mitwirkungsrechte in Verbindung mit der Vertretung im Steuerausschuß (§ 25 Abs. 1 Ziff. 2 FVG) als für die Wahrung der Interessen der Gemeinden ausreichend betrachtet habe.
Nach Art. 19 Abs. 4 GG könne "jemand", der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt werde, den Rechtsweg beschreiten. "Jemand" könne zwar nach dem damit verbundenen weiten Begriff außer einer natürlichen Person auch eine juristische Person des privaten oder des öffentlichen Rechts sein. Zu beachten sei jedoch, daß Art. 19 Abs. 4 GG eine Rechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt voraussetze. Die Vorschrift wolle den Rechtsträger dort schützen, wo er als Gewaltunterworfener im Banne der machtüberlegenen Obrigkeit stehe. Deshalb könne sich eine Körperschaft des öffentlichen Rechts dort, wo sie in ihrer Eigenschaft als Träger von Hoheitsrechten einem anderen Träger von Hoheitsrechten gegenübertrete, auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht berufen. Hinsichtlich der Gewerbesteuer seien aber wegen der zwischen ihnen aufgeteilten Funktionen der Steuermeßbetragsfestsetzung (§ 212a AO) einerseits und der Steuerfestsetzung (§ 212b AO) sowie der Steuererhebung (§ 1 GewStG) andererseits sowohl der Staat als auch die Gemeinden Hoheitsträger. Da es somit an dem in der Vorschrift vorausgesetzten Unterordnungsverhältnis fehle, könne Art. 19 Abs. 4 GG keine Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden gegen Gewerbesteuermeßbescheide begründen.
III. - Bei der Grundsteuer ist die Rechtslage nicht die gleiche wie bei der Gewerbesteuer. Bei Erlaß der Realsteuergesetze vom 1. Dezember 1936 wurde allerdings einheitlich für beide Steuern bestimmt, daß das Finanzamt durch Steuermeßbescheid den Steuermeßbetrag festsetzt (§ 28 Ziff. 41 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936). Ein Unterschied ergab sich insofern, als für die Grundsteuer - abweichend von der Regelung für die Gewerbesteuer - eine Mitwirkung des Beirats bei der Festsetzung der Steuermeßbeträge nicht vorgesehen wurde (§ 28 Ziff. 11 a. a. O.). Außerdem wurden den Gemeinden ähnliche Mitwirkungsrechte, wie sie ihnen bei der Gewerbesteuer eingeräumt wurden (§ 36 Abs. 2 bis 4 und § 100 Abs. 3 AO), bei der Grundsteuer nicht zuerkannt. Die früher bestehende Befugnis der Gemeinden, als Träger von Hoheitsrechten Rechtsmittel einzulegen, war aber bereits vor Erlaß des GrStG weggefallen (§ 21 Ziff. 41 StAnpG). An dieser Rechtslage hat sich auch nach der Wiedereinführung des Steuerausschusses sowie der Vertretung der Gemeinden in ihm durch die §§ 23 ff. FVG für die Grundsteuer nichts geändert. Denn eine Mitwirkung des Steuerausschusses ist bei der Festsetzung der Steuermeßbeträge für die Grundsteuer nicht vorgesehen (§ 24 Abs. 1 FVG). Da auch keine Mitwirkungsrechte der Gemeinden im Sinne des § 36 Abs. 2 bis 4 und des § 100 Abs. 3 AO vorgesehen und den Gemeinden auch keine Rechtsmittel gegen Grundsteuermeßbescheide eingeräumt sind (§§ 235 und 238 Satz 1 AO), steht der Gemeinde bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und dem Finanzamt über die Festsetzung eines Grundsteuermaßbetrages allenfalls die Aufsichtsbeschwerde nach § 46 AO zu.
Bei der Grundsteuer teilen sich - ebenso wie bei der Gewerbesteuer - Finanzämter und Gemeinden in die bei der Veranlagung anfallenden Arbeiten. Die Festsetzung der Steuermeßbeträge obliegt den Finanzämtern, die Festsetzung und Erhebung der Grundsteuer ist Sache der Gemeinden. Finanzamt und Gemeinden treten sich somit im Regelfall (das heißt, wenn ein Dritter als Steuerschuldner in Anspruch genommen wird) auch bei der Grundsteuer in gleicher Weise als Hoheitsträger gegenüber wie bei der Gewerbesteuer. Der erkennende Senat ist bisher noch nicht mit der Frage befaßt worden, ob die den Gemeinden im Grundsteuermeßbetragsverfahren eingeräumte Stellung ausreichend ist. Er ist auch noch nicht mit der Frage befaßt worden, ob etwa bei der Grundsteuer - abweichend von der Entscheidung des I. Senats für die Gewerbesteuer - eine Rechtsmittelbefugnis der Gemeinden gegen Grundsteuermeßbescheide aus Art. 19 Abs. 4 GG hergeleitet werden kann. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, diese Frage hier zu entscheiden.
IV. - Die weitere Frage ist jedoch, ob der Gemeinde nicht eine Rechtsmittelbefugnis in den Fällen eingeräumt werden muß, in denen das Land als Steuerschuldner in Betracht kommt und das Finanzamt bei der Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages als Landesbehörde nach den Weisungen des Landes verfährt. Bei der Grundsteuer sind sämtliche sachlichen Entscheidungen dem Finanzamt zugewiesen. Es setzt durch Steuermeßbescheid den Steuermeßbetrag fest (§ 212a Abs. 1 AO). Es hat zu entscheiden bei einem Streit über die Haftung für die Grundsteuer (§ 212 c Abs. 1 AO) sowie den Wegfall der Steuerpflicht (§ 226 Abs. 1 und 2 AO). Alle diese Entscheidungen sind im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (Berufungsverfahren) durch die Steuergerichte nachprüfbar (vgl. § 235 AO). Mit diesen Vorschriften wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn diese Nachprüfung den Steuergerichten in den Fällen entzogen wäre, in denen das Land selbst als Steuerschuldner in Betracht kommt. Die frühere, den Gemeinden als Hoheitsträger zustehende Rechtsmittelbefugnis beruhte auf der Erwägung, daß diese Befugnis für die Fälle zuerkannt werden mußte, in denen zufolge Mitwirkung des Steuerausschusses die Gemeinde als Hoheitsträger überstimmt werden konnte. Wenn ein Land im Verfahren über die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages nicht lediglich als Aufsichtsbehörde, sondern zugleich auch als Steuerschuldner in Betracht kommt, liegt Interessenkollision vor. Es besteht in solchen Fällen die Gefahr einer Beeinträchtigung der Belange der Gemeinden. Zumindest kann bei einer Gemeinde der Eindruck einer Verletzung ihrer Interessen entstehen, wenn die Aufsichtsbehörde in eigener Sache dem Finanzamt Anweisungen zur Festsetzung des Steuermeßbetrages erteilt und diese Festsetzung durch die Steuergerichte nicht überprüft werden könnte. Nach der Auffassung des Senats kann es sich nur um ein Versehen des Gesetzgebers handeln, daß für diese Fälle noch keine Regelung getroffen ist, die den Belangen der Gemeinden Rechnung trägt. Solange eine solche Regelung fehlt, muß der steuerberechtigten Gemeinde insoweit nach Art. 19 Abs. 4 GG - über die Vorschriften der AO hinaus - der Rechtsschutz vor den Steuergerichten gewährt und die Rechtsmittelbefugnis zuerkannt werden (vgl. hierzu auch Gutachten des Großen Senats des Bundesfinanzhofs Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951, Slg. Bd. 55 S. 277, BStBl 1951 III S. 107).
V. - Zur letzten Frage, ob das streitige Grundstück zu Recht oder zu Unrecht von der Grundsteuer befreit worden ist, kann nicht abschließend Stellung genommen werden. Der erkennende Senat hat zwar in einem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Urteil einmal die Auffassung vertreten, daß eine nach Besatzungsrecht erzwungene entschädigungslose Zurverfügungstellung von Grundbesitz auf Seiten der Gebietskörperschaft grundsteuerbefreienden öffentlichen Dienst darstellt. Diese Ausführungen können aber in dieser allgemeinen Form nicht aufrechterhalten werden. Einmal kann die Befreiung nicht auf "entschädigungslose" Zurverfügungstellung gestützt werden; denn im Grundsteuerrecht kommt es für die Befreiung von der Grundsteuer nicht entscheidend darauf an, ob ein Entgelt für die Benutzung bezahlt wird oder nicht. Entscheidend ist, ob die Voraussetzungen hinsichtlich des Eigentums und der Benutzung für steuerbegünstigte Zwecke durch den Eigentümer erfüllt sind. Bei Grundbesitz des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde und eines Gemeindeverbandes, der von der Besatzungsmacht in Anspruch genommen worden ist, können - im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse, die sich aus der Besetzung ergeben haben - die Voraussetzungen der Befreiung nach § 4 Ziff. 1 Buchstabe a GrStG hinsichtlich des Eigentums und der Benutzung durch den Eigentümer als erfüllt angesehen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 17/57 S vom 15. März 1957, BStBl 1957 III S. 183, sowie Abschnitt 97 Abs. 1 der Grundsteuer-Richtlinien - GrStR -). Im allgemeinen kann bei Grundbesitz einer deutschen Gebietskörperschaft, der von dieser für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt worden ist, auch vermutet werden, daß die Besatzungsmacht diesen Grundbesitz, wenn sie ihn für ihre Zwecke beschlagnahmt hat, ebenfalls für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt hat. Umgekehrt ist anzunehmen, daß steuerpflichtiger Grundbesitz einer deutschen Gebietskörperschaft auch nach der Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht für ihre Zwecke von dieser nicht zu einem öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt worden ist. In beiden Fällen muß aber für die Beteiligten der Nachweis des Gegenteils zugelassen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 408785 |
BStBl III 1957, 276 |
BFHE 1958, 114 |
BFHE 65, 114 |
StRK, GrStG:4 R 6 |
NJW 1957, 1536 |