Leitsatz (amtlich)
Wird ein Gewerbebetrieb im ganzen verpachtet, so erlischt in der Regel die werbende Tätigkeit des Verpächters. Der Wert der verpachteten Wirtschaftsgüter ist daher dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes des Pächters hinzuzurechnen.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist die Hinzurechnung des Firmenwertes und des Wertes des Inventars beim Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG.
Der Kläger (Steuerpflichtiger) ist Pächter einer Apotheke. Verpächterin ist die Witwe des früheren Inhabers, auf die die Apotheke im Wege des Erbgangs übergegangen ist.
Das FA (Beklagter) wich in dem Gewerbesteuerbescheid von der Erklärung des Steuerpflichtigen insoweit ab, als es dem Einheitswert des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen einen höheren Firmenwert hinzurechnete. Der hinzugerechnete Restbuchwert des Inventars entsprach der Erklärung des Steuerpflichtigen.
Die Sprungberufung, mit der der Steuerpflichtige geltend machte, die Werte für den Inventar- und Firmenwert hätten nicht dem Einheitswert seines Betriebsvermögens hinzugerechnet werden dürfen, weil sie noch zum Gewerbekapital der Verpächterin gehörten, hatte Erfolg. Das FG ist der Ansicht, eine Hinzurechnung von im Eigentum der Verpächterin stehenden Wirtschaftsgütern zum Einheitswert des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen wäre nur dann zulässig gewesen, wenn sie nicht zu deren Gewerbekapital gehörten. Da indessen die Verpächterin die stillen Reserven aus diesem Betrieb noch nicht aufgelöst habe, müsse nach den Grundsätzen des Urteils des BFH Gr. S. 1/63 S vom 13. November 1963 (BFH 78, 315, BStBl III 1964, 124) davon ausgegangen werden, daß sie den Gewerbebetrieb in anderer Form fortführe. Die mithin zu ihrem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter Firmenwert und Inventar hätten daher nicht beim Gewerbekapital des Steuerpflichtigen angesetzt werden dürfen.
Das FA rügt mit seiner Revision die unrichtige Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG. Es ist der Ansicht, daß Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG nicht unter allen Umständen dazu führen müssen, auch die Steuerpflicht zu bejahen. Es müsse jeweils geprüft werden, ob nach dem GewStG ein Gewerbebetrieb im Sinne von § 2 GewStG vorliege, der auch noch eine werbende Tätigkeit ausübe. Das treffe jedoch bei der Verpächterin nicht zu, da ihre Tätigkeit nicht über die einer Vermögensverwaltung hinausgehe. In diesem Fall habe lediglich der Pächter einen werbenden Betrieb.
Das FA ist weiter der Ansicht, daß die Hinzurechnungen auch ihrer Höhe nach gerechtfertigt gewesen seien. Der Teilwert des vom Pächter genutzten Firmenwertes entspreche 25 v. H. des durchschnittlichen Umsatzes der letzten drei vor dem maßgebenden Bewertungsstichtag liegenden Kalenderjahre.
Das FA beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung den Gewerbesteuerbescheid 1963 wiederherzustellen.
Der Steuerpflichtige beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Annahme des FG, der Wert der dem Steuerpflichtigen verpachteten Wirtschaftsgüter hätte nicht dem Einheitswert seines gewerblichen Betriebes hinzugerechnet werden dürfen, ist rechtsirrig. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG sind für die Berechnung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes die Werte der dem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter (mit Ausnahme des Grundbesitzes) hinzuzurechnen, soweit sie im Eigentum Dritter stehen. Diese Hinzurechnung entfällt, wenn die Wirtschaftsgüter zum Gewerbekapital des Vermieters oder Verpächters gehören (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG). Die Vorentscheidung hat zu Unrecht angenommen, daß diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall vorgelegen haben. Sie übersieht hierbei, daß Satz 2 dieser Vorschrift nicht von der Zugehörigkeit dieser Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen der Vermieter oder Verpächter spricht, sondern vielmehr fordert, daß die Wirtschaftsgüter zum Gewerbekapital gehören. Diese Bezugnahme auf einen Begriff des Gewerbesteuerrechts bedeutet, daß es nicht auf die Grundsätze des Einkommensteuerrechts über das Vorliegen von Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern darauf ankommt, ob der Betrieb des Eigentümers der Gewerbesteuer unterliegt. Zwar stimmen im wesentlichen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Gewerbebetriebes nach Einkommensteuerrecht und Gewerbesteuerrecht überein. Die Bejahung von Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG bedeutet indessen nicht, daß damit auch die Gewerbesteuerpflicht gegeben ist. Denn diese erlischt, wenn - abgesehen von der Steuerpflicht kraft Rechtsform - jegliche werbende Tätigkeit aufgegeben wird. Aus diesem Grunde führt die Veräußerung eines Gewerbebetriebes zwar nach dem EStG, nicht aber nach dem GewStG zur Steuerpflicht, weil es sich insoweit nicht um den Gewinn aus einem bestehenden, also werbenden Gewerbebetrieb handelt (vgl. BFH-Urteil I 78/61 S vom 25. Mai 1962, BFH 75, 467, BStBl III 1962, 438). Hieraus folgt, daß ein verpachteter Gewerbebetrieb beim Verpächter in der Regel kein bestehender Gewerbebetrieb ist. Die werbende Tätigkeit wird nunmehr vom Pächter ausgeübt (so auch BFH-Urteil Gr. S. 1/63 S, a. a. O.; Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 2 Anm. 3 S. 8 unten, und § 7 Anm. 8 S. 9; Müthling, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2. Auflage, § 12 Anm. 12 S. 39; Blümich-Boyens-Steinbring-Klein-Hübl, Gewerbesteuergesetz, 8. Auflage, S. 59 und 118, und Wihtol, Gewerbesteuer, § 12 Anm. 6a S. 319).
Steht hiernach fest, daß bei der Verpächterin kein Gewerbebetrieb im Sinne von § 2 Abs. 1 GewStG wegen des Fehlens einer werbenden Tätigkeit gegeben ist, so gehören die verpachteten Wirtschaftsgüter auch nicht zu einem Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Satz 2 GewStG. Die dem Pächter überlassenen Wirtschaftsgüter Firmenwert und Inventar waren daher dessen Einheitswert des Betriebsvermögens hinzuzurechnen. Die Vorentscheidung, die insoweit von einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung ausgegangen ist, mußte aufgehoben werden.
Dem Antrag des FA, den Gewerbesteuerbescheid 1963 wiederherzustellen, kann jedoch nicht entsprochen werden. Dem angefochtenen Gewerbesteuerbescheid liegt die Rechtsauffassung zugrunde, daß zu den dem Steuerpflichtigen von der Verpächterin überlassenen Wirtschaftsgütern neben dem Inventar auch immaterielle Wirtschaftsgüter, hier ein Firmenwert, als dem Betrieb dienend überlassen wurden. Für die Hinzurechnung eines Firmenwertes beim Pächter hat der BFH in seiner neueren Rechtsprechung gefordert, daß in dem Pachtvertrag Vereinbarungen hinsichtlich der Überlassung eines Firmenwertes getroffen worden sind und daß insbesondere ein klar ausscheidbarer Teil des Pachtzinses für die Überlassung des Firmenwertes gezahlt wird (vgl. BFH-Urteile IV R 20/67 vom 29. April 1970, BFH 99, 485, BStBl II 1970, 726; I R 94/70 vom 14. Oktober 1970, BFH 100, 407, BStBl II 1971, 28; III R 9/71 vom 6. August 1971, BFH 102, 573, BStBl II 1971, 677, und das Urteil des VIII. Senats VIII R 19/68 vom 5. Oktober 1971, BStBl II 1972, 62). Die Vorentscheidung enthält keine Feststellungen darüber, ob in dem Pachtvertrag Vereinbarungen in dieser Hinsicht getroffen wurden. Die Vorinstanz wird daher unter Berücksichtigung der oben angeführten Rechtsprechung festzustellen haben, ob der zwischen dem Steuerpflichtigen und der Verpächterin geschlossene Pachtvertrag die Überlassung eines Firmenwertes und die klar abgegrenzte Pachtzahlungsverpflichtung hierfür vorsieht.
Fundstellen
Haufe-Index 413071 |
BStBl II 1972, 357 |
BFHE 1972, 358 |