Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblicher Grundstückshandel: Veräußerung von Miteigentumsanteilen an einem einzigen Grundstück, Abgrenzung eines Veräußerungsgewinns vom laufenden Gewinn, Miteigentumsanteile als Zählobjekte bei der Dreiobjektgrenze - Gewerbebetrieb: Nachhaltigkeit, Verkehrsbeteiligung, Abgrenzung zur Vermögensverwaltung
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt jemand ein Grundstück, das er noch am selben Tag den von einer Bauträgergesellschaft zu benennenden Personen zum Kauf anbietet, und erwerben die 12 von der Bauträgergesellschaft benannten Personen (Bauherren) das Grundstück später zu unterschiedlichen Bruchteilen, so handelt es sich um gewerblichen Grundstückshandel.
Orientierungssatz
1. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert, daß eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Dadurch sollen aus dem Merkmal des Gewerbebetriebs Tätigkeiten ausgeklammert werden, die von Gewinnabsicht getragen, aber nicht auf Leistungsaustausch oder Güteraustausch gerichtet sind. Geschäftsbeziehungen mit mehreren, womöglich ständig wechselnden Kunden sind kein unerläßliches Erfordernis. Vielmehr genügt es, wenn sich beispielsweise der Steuerpflichtige nach außen eines Maklers bedient (vgl. BFH-Rechtsprechung; Streitfall bezüglich gewerblichen Grundstückshandels).
2. Sowohl für das Merkmal der Nachhaltigkeit als auch bezüglich der sog. Dreiobjektgrenze im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels stellen Miteigentumsanteile an einem Grundstück jedenfalls dann selbständige Veräußerungsobjekte dar, wenn sie in unterschiedlichen Größenordnungen an einzelne Bauherren übertragen werden (vgl. BFH-Rechtsprechung zur Nachhaltigkeit sowie zur Abgrenzung eines gewerblichen Grundstückshandels von privater Vermögensverwaltung).
3. Veräußert eine Grundstücks-GbR die Miteigentumsanteile an ihrem einzigen Grundstück im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels, so führt die Veräußerung nicht zu einem begünstigten Veräußerungsgewinn, sondern zu laufendem Gewinn (vgl. BFH-Urteil vom 9.9.1993 IV R 30/92).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an welcher im Streitjahr (1983) zu je 1/2 der Architekt A und der Dipl.-Kfm. B beteiligt waren. Außerdem war B im Streitjahr zu 50 v.H. an einer Fa. X-GmbH beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 11. Mai 1983 erwarb die Klägerin ein unbebautes Grundstück zum Kaufpreis von 166 500 DM. Am selben Tag gab die Klägerin ein notarielles Verkaufsangebot ab. Darin bot sie den von der Fa. X-GmbH "noch zu benennenden natürlichen oder juristischen Personen" den Kauf des Grundstücks unbefristet und unwiderruflich zu einem Gesamtkaufpreis von 378 500 DM an. Der Kaufvertrag sollte mit der notariellen Beurkundung der Annahmeerklärung zustande kommen. Eine Annahme des Angebots durch die X-GmbH selbst war ausdrücklich ausgeschlossen. Da zu dem Angebotszeitpunkt die einzelnen Käufer noch nicht feststanden, sollte die X-GmbH den an die Klägerin zu entrichtenden Kaufpreis verauslagen.
Auf dem Grundstück sollte im Rahmen eines Bauherrenmodells ein Wohngebäude mit 14 Wohneinheiten errichtet werden. Die 12 von der X-GmbH gefundenen Bauherren schlossen sich am 29. November 1983 zu der geplanten Bauherrengemeinschaft zusammen und nahmen am selben Tag jeweils für sich und für den von ihnen zu erwerbenden Miteigentumsanteil zu unterschiedlichen Kaufpreisen das Verkaufsangebot der Klägerin an. Vertragsgemäß erklärten sie die Auflassung des jeweils zu übertragenden Miteigentumsanteils an sich selbst.
Die Gesellschafter der Klägerin haben bei dem Bauprojekt nicht mitgewirkt.
Die Klägerin hat keine weiteren Grundstücksgeschäfte getätigt und sich nach der Vertragsabwicklung aufgelöst. Im Oktober 1984 gaben die Erwerber die Teilungserklärung zur Schaffung von Wohnungseigentum ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) qualifizierte abweichend von der abgegebenen Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung den aus der Grundstücksveräußerung resultierenden Gewinn nicht als sonstige Einkünfte (Spekulationsgeschäft), sondern als gewerblich. Dementsprechend erließ das FA auch einen Gewerbesteuermeßbescheid. Die Einsprüche der Klägerin hatten lediglich der Höhe nach teilweise Erfolg.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Klägerin, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Gewinnfeststellungsbescheid 1983 in der Weise zu ändern, daß die Einkünfte als sonstige Einkünfte erfaßt werden und den Gewerbesteuermeßbescheid ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Zu Recht haben das FA und das FG die Veräußerung der Miteigentumsanteile als gewerblichen Grundstückshandel beurteilt.
Der Begriff des gewerblichen Unternehmens i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung stimmt inhaltlich im Kern mit dem Begriff des Gewerbebetriebs i.S. von § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) überein. Danach ist ein gewerbliches Unternehmen (Gewerbebetrieb) jede selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Es darf sich aber weder um Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um Ausübung eines freien Berufes noch um eine andere selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts handeln (vgl. § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung --GewStDV--, § 15 Abs. 2 EStG ab 1984). Außerdem muß die Betätigung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) den Rahmen privater Vermögensverwaltung überschreiten (z.B. Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 unter C III. 3. b, aa).
Für das zuletzt genannte Abgrenzungsmerkmal stellt die Rechtsprechung bei Tätigkeiten auf dem Bau- und Grundstücksmarkt darauf ab, ob die Grundstücksgeschäfte noch als Nutzung des Grundbesitzes durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz angesehen werden können oder ob die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Vermögensumschichtung entscheidend in den Vordergrund tritt (z.B. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82, BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244). Die Veräußerung von Grundbesitz ist daher der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen, wenn der Steuerpflichtige damit höhere Erträge aus dem vorhandenen Vermögen anstrebt. Veräußert er dagegen den Grundbesitz, um Substanzwertsteigerungen auszunutzen, wird er gewerblich tätig (BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244).
a) Die Merkmale Selbständigkeit und Gewinnabsicht sind gegeben und werden auch von der Klägerin nicht bestritten.
b) Die Klägerin hat sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert, daß eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (z.B. BFH-Urteil vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143, 146). Das Merkmal soll aus dem Begriff des Gewerbebetriebs Tätigkeiten ausklammern, die von Gewinnabsicht getragen, aber nicht auf Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet sind (BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851). Geschäftsbeziehungen mit mehreren, womöglich ständig wechselnden Kunden sprechen zwar im allgemeinen für das erforderliche Teilhaben am Marktgeschehen, sind aber kein unerläßliches Erfordernis (BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 X R 44/88, BFH/NV 1990, 798). Vielmehr genügt es beispielsweise, wenn sich der Steuerpflichtige nach außen eines Maklers bedient (BFH-Entscheidungen vom 19. November 1990 VIII B 101/89, BFH/NV 1991, 321; vom 20. August 1986 I R 148/83, BFH/NV 1987, 646, und vom 16. April 1991 VIII R 74/87, BFHE 164, 347, BStBl II 1991, 844). Zutreffend hat das FG entschieden, daß im Streitfall, in dem die X-GmbH nach Abnehmern für die von der Klägerin veräußerten Miteigentumsanteile gesucht hat, nichts anderes gelten kann. Deren werbende Tätigkeit muß sich die Klägerin zurechnen lassen.
c) Die Klägerin hat auch nachhaltig gehandelt. Nachhaltig ist eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit. Im Streitfall liegt die Wiederholung in der Veräußerung von Miteigentumsanteilen an 12 unterschiedliche Erwerber. Denn nicht die X-GmbH, der im übrigen laut notariellem Angebot dessen Annahme untersagt war, sondern die von ihr vermittelten Bauherren haben das Eigentum an den zum Kauf angebotenen Miteigentumsanteilen erworben. Miteigentumsteile stellen jedenfalls dann selbständige Veräußerungsobjekte dar, wenn sie in unterschiedlichen Größenordnungen an einzelne Bauherren übertragen werden (BFH-Entscheidungen vom 12. Februar 1990 X B 124/88, BFH/NV 1990, 640; in BFHE 164, 347, BStBl II 1991, 844; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 15 Rdnr.52).
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Einmaligkeit ihres Handelns auch nicht daraus hergeleitet werden, daß sie nur ein einziges, wenn auch an mehrere Erwerber gerichtetes notarielles Verkaufsangebot abgegeben hat. Zwar hat die Klägerin nur ein Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne verkauft. Auch die Verkaufsabsicht beruhte auf einem einmaligen Entschluß. Die lediglich zeitliche Zusammenfassung mehrerer Rechtshandlungen ist indessen für die Frage einer Wiederholungsabsicht ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 30. Juni 1993 XI R 38, 39/91, BFH/NV 1994, 20). Im Verkauf einer größeren Zahl selbständiger Veräußerungsobjekte an unterschiedliche Erwerber liegt kein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang, sondern eine Mehrzahl selbständiger Tätigkeiten, denen rechtlich und wirtschaftlich eine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 1986 I R 148/83, BFH/NV 1987, 646 m.w.N.). Es mag zwar zutreffen, daß die X-GmbH der Klägerin auch nur einen einzigen Erwerber hätte benennen können. Das ist indessen nicht geschehen. An der Vielzahl der Verkäufe ändert sich entgegen dem Vorbringen der Revision auch dadurch nichts, daß die Erwerber im Rahmen eines Bauherrenmodells in einer GbR zusammengeschlossen waren. Dieser Einwand ist schon deshalb unmaßgeblich, weil die Bauherren die Miteigentumsanteile nicht zur gesamten Hand, sondern zu Bruchteilen erworben haben.
d) Die Grundstücksgeschäfte des Antragstellers haben den Rahmen privater Vermögensverwaltung überschritten.
Die Klägerin kann sich nicht auf die Rechtsprechung des BFH berufen, nach der stets private Vermögensverwaltung anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige nicht mehr als drei Grundstücksgeschäfte getätigt hat (z.B. BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244). Denn wie oben dargelegt, hat die Klägerin nicht das ursprünglich erworbene Grundstück als Ganzes veräußert, sondern unterschiedliche Miteigentumsanteile an verschiedene Erwerber und somit die Zahl von drei Objekten weit überschritten.
Die streitigen Grundstücksgeschäfte können auch nicht deshalb als private Vermögensverwaltung beurteilt werden, weil die Klägerin neben der Veräußerung keinerlei weitere Verwertungsmaßnahmen vorgenommen hat. Solche Aktivitäten wie Parzellierung, Baureifmachung oder Bauplanung hat die Rechtsprechung stets dann gefordert, wenn Zweifel bestehen konnten, ob sich der Verkauf nicht als der letzte Akt einer Vermögensverwaltung darstellte. Die Möglichkeit, daß der Grundbesitz zur Vermögensverwaltung verwendet werden soll, wird jedoch desto geringer, je näher der Zeitpunkt des Verkaufs an dem des Erwerbs liegt. Erfolgen wie im Streitfall An- und Verkauf am selben Tag, ist die Möglichkeit zur Erzielung von Einkünften aus Vermögensverwaltung schlechthin ausgeschlossen. Ist --wie im Streitfall (s.o. unter c)-- die Voraussetzung der Nachhaltigkeit erfüllt, handelt es sich nicht um einen Spekulationsgewinn i.S. des § 23 EStG, sondern um einen Gewinn aus gewerblichem Grundstückshandel.
2. Zutreffend hat das FG auch entschieden, daß die Veräußerung des Grundstücks zu laufenden Gewinnen und nicht zu einem begünstigten Veräußerungsgewinn geführt hat. Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 9. September 1993 IV R 30/92 (BFHE 172, 344, BStBl II 1994, 105).
Fundstellen
BFH/NV 1996, 200 |
BFH/NV 1996, 200-202 (LT) |
BStBl II 1996, 367 |
BFHE 180, 42 |
BFHE 1997, 42 |
BB 1996, 1364 |
BB 1996, 1364-1365 (LT) |
DB 1996, 1387-1388 (LT) |
DStR 1996, 999-1000 (KT) |
DStZ 1996, 468-469 (KT) |
HFR 1996, 577-578 (L) |
StE 1996, 419 (K) |
StRK, R.104 (LT) |
FR 1996, 523-525 (KT) |
Information StW 1996, 543 (KT) |
LEXinform-Nr. 0136421 |
NJW 1996, 2599 |
NJW 1996, 2599-2600 (LT) |
GStB 1996, Beilage zu Nr 7 (L) |
KFR, 7/96, S 241 (H 9/1996) (LT) |
WiB 1996, 1003 (L) |
StBp 1996, 219 (K) |