Entscheidungsstichwort (Thema)
Zerlegung von Gewerbesteuer
Leitsatz (NV)
1. Voraussetzung für die Annahme einer Betriebstätte ist, daß der Unternehmer eine gewisse, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Anlage oder Einrichtung hat und sie für eine gewisse Dauer zu unternehmerischen Zwecken benutzt. Die Verfügungsmacht kann sich aus der Rechtsstellung (z. B. Eigentum, Gebrauchsrecht) oder aus anderen Umständen ergeben. Die bloße Nutzungsmöglichkeit reicht allerdings nicht aus.
2. Eine mehrgemeindliche Betriebstätte ist gegeben, wenn ein einheitliches Ganzes besteht und wenn sich diese geschlossene wirtschaftliche Einheit räumlich über mehrere Gemeinden erstreckt.
3. Der Zerlegungsmaßstab des § 33 GewStG setzt voraus, daß in der die Zerlegung beanspruchenden Gemeinde eine Betriebstätte vorhanden ist.
Normenkette
GewStG §§ 28, 30, 33; AO 1977 § 12; StAnpG § 16
Tatbestand
Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) begehren Zerlegungsanteile am einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag der Firma X OHG in A (Unternehmerin) für die Streitjahre 1971 bis 1973.
Die Unternehmerin betreibt neben einem Fuhrbetrieb und einem Handel mit Brennstoffen die Müllabfuhr in einem Teilbereich der Stadt A sowie bei den Klägerinnen. Dies geschieht aufgrund der Satzungen der Klägerinnen und aufgrund von Verträgen zwischen ihnen und der Unternehmerin. Nach den Nrn. 2 und 3 der Verträge hat die Unternehmerin die gemeindliche Müllabfuhr mit eigenen Betriebsmitteln durchzuführen.
Die Müllgefäße stehen im Eigentum der Unternehmerin. Das Entgelt für die Abfuhr zahlen die Benutzer unmittelbar an die Unternehmerin (Nr. 7 der Verträge). Die mit der Durchführung der Abfuhr und der Einziehung des Entgelts verbun- denen Verwaltungsarbeiten sind gleichfalls Sache der Unternehmerin.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat die Gewerbesteuermeßbeträge aufgrund der Angaben der Unternehmerin zunächst wie folgt zerlegt:
1971 1972 1973
Einheitlicher Gewerbe-
steuermeßbetrag 13 087,00 DM 8 353,00 DM 11 270,00 DM
Zerlegungsanteile
a) Gemeinde B 1 963,05 DM 1 003,54 DM 1 366,06 DM
b) Gemeinde C 1 963,05 DM 796,92 DM 1 126,99 DM
c) Gemeinde D 2 617,40 DM 560,80 DM 785,48 DM
d) Stadt A 6 543,50 DM 5 991,74 DM 7 991,47 DM
Auf den Einspruch der Stadt A hat das FA die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge ausschließlich der Stadt A zugerechnet. Hiergegen richteten sich die gemeinsame Klage der Gemeinden B und C und eine selbständige Klage der Gemeinde D, die vom Finanzgericht (FG) zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden.
Das FG wies die Klage ab. Es führt aus, die Klägerinnen könnten Zerlegungsanteile an den einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträgen der Unternehmerin nicht beanspruchen. Diese habe in den Gemeinden der Klägerinnen keine Betriebstätte unterhalten. Weder eine mehrgemeindliche Betriebstätte noch selbständige Betriebstätten seien gegeben. Die eigentlich relevante betriebliche Tätigkeit spiele sich vom einzelnen Müllfahrzeug aus ab, ohne daß dieses dadurch den Charakter einer Betriebstätte erhielte. Bei der hier geregelten Müllabfuhr handele es sich lediglich um eine regionale Bezirkseinteilung; diese reiche allein nicht aus, um den einzelnen Bezirk als Betriebstätte erscheinen zu lassen. Unter diesen Umständen komme weder eine Zerlegung aufgrund von § 28 noch aufgrund von § 30 oder § 33 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in Betracht.
Mit der Revision rügen die Klägerinnen unrichtige Anwendung des § 28 GewStG und des § 16 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG). Eine Betriebstätte sei schon gegeben, wenn die geschäftliche Einrichtung an einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche ständig oder in einem bestimmten Tagesturnus aufgestellt werde. Entgegen der Auffassung des FG sei es unerheblich, daß es im Belieben des einzelnen Haushalts stehe, an welcher Stelle der Straße das einzelne Müllgefäß zur Abfuhr bereitgestellt werde. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung müsse davon ausgegangen werden, daß die einzelnen Haushalte die Müllgefäße ständig an derselben Stelle aufstellten, zumal auch auf vielen Grundstücken feste Vorrichtungen für die Gefäße vorhanden seien. Dies reiche für die Annahme einer Betriebstätte aus, denn diese könne nach allgemeiner Ansicht auch dort begründet werden, wo zwar kein Rechtsanspruch auf einen festen Standplatz bestehe, aber der Platz ständig benutzt werde. Die Unternehmerin habe auch eine ausreichende Verfügungsgewalt über die Geschäftseinrichtung. Eine Zerlegung sei insbesondere auch deswegen geboten, weil die Unternehmerin nicht nur kurzfristig, sondern seit vielen Jahren und regelmäßig im Gebiet der Klägerinnen tätig sei. Fast ein Drittel der Arbeitszeit der Arbeitnehmer der Unternehmerin würde außerhalb des Gebiets der Stadt A geleistet. Auch der Sinn und Zweck der Zerlegung erfordere, den Klägerinnen entsprechende Zerlegungsanteile zuzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der FG-Entscheidung und der Einspruchsentscheidung die Zerlegungsbescheide in ihrer ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält daran fest, daß die Klägerinnen keinen Anspruch auf Zuweisung von Zerlegungsanteilen haben.
Die Beigeladene hat in der Revisionsinstanz keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Nach § 28 GewStG ist der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden Betriebstätten unterhalten worden sind oder sich eine Betriebstätte über mehrere Gemeinden erstreckt hat oder eine Betriebstätte innerhalb eines Erhebungszeitraums von einer Gemeinde in eine andere Gemeinde verlegt worden ist. Keine dieser Voraussetzungen ist im Streitfall gegeben.
2. Für die Anwendung des § 28 GewStG gilt der Begriff der Betriebstätte i.S. des § 16 StAnpG - jetzt § 12 der Abgabenordnung (AO 1977) - (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. März 1982 I R 189/79, BFHE 136, 120, BStBl II 1982, 624). Danach ist Betriebsstätte jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebs eines stehenden Gewerbes dient.
Das Merkmal der festen örtlichen Anlage oder Einrichtung setzt einen bestimmten, auf Dauer angelegten Bezug der Einrichtung zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche voraus (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1974 I R 128/73, BFHE 114, 47, BStBl II 1975, 203). Die örtliche Verknüpfung kann sich aus mechanischer Verbindung mit der Erde oder aus bloßer Belegenheit an derselben Stelle ergeben. Dementsprechend begründen fahrbare Verkaufsstätten mit vorübergehend festem Standort eine Betriebstätte.
Der Begriff der festen örtlichen Anlage oder Einrichtung erfordert keine besonderen Räume oder gewerblichen Vorrichtungen. Voraussetzung ist jedoch, daß der Unternehmer eine gewisse, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Einrichtung hat und sie für eine gewisse Dauer zu unternehmerischen Zwecken benutzt. Die Verfügungsmacht kann sich aus der Rechtsstellung (z. B. Eigentum, Gebrauchsrecht) oder aus anderen Umständen ergeben. Die Verfügungsmacht kann auch auf einer unentgeltlichen Überlassung beruhen (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 19. Dezember 1934 VI A 230/34, Mrozek-Kartei, Einkommensteuergesetz 1934, § 49 Ziff. 2, Rechtsspruch 1; BFH-Urteil vom 30. Januar 1974 I R 87/72, BFHE 111, 397, BStBl II 1974, 327).
Die bloße Nutzungsmöglichkeit reicht nicht aus. Dem Nutzenden muß mit der Überlassung eine Rechtsposition eingeräumt werden, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres entzogen werden kann oder die ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres verändert werden kann. An einer solchen Rechtsposition fehlt es, wenn weder ein dingliches Nutzungsrecht besteht noch ein Mietverhältnis oder diesem gleichgeartetes Recht über die Nutzung eines bestimmten Platzes vereinbart worden ist, das dem Gebrauchsinhaber das Recht vermittelt, der Zuweisung eines anderen Platzes zu widersprechen (vgl. Urteil in BFHE 136, 120, BStBl II 1982, 624, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen einer Betriebstätte sind im Streitfall nicht gegeben. Hiervon ist das FG mit Recht ausgegangen. Abgesehen davon, daß Mülltonnen zum Teil für die Entleerung durch das Abfuhrunternehmen einen anderen Stellplatz haben dürften als in der übrigen Zeit, hatte die Unternehmerin hinsichtlich der Stellplätze keine Rechtsposition, die ihr gestattete, der Zuweisung eines anderen Standplatzes zu widersprechen.
Die Klägerinnen weisen zwar zutreffend darauf hin, daß die Hauseigentümer ihre Mülltonne im Regelfall am selben Platz aufstellen werden. Dies wird jedoch nicht ausnahmslos geschehen. Ein Ausweichen kann z. B. deshalb erforderlich werden, weil ein Nachbar seine Mülltonne auf den üblichen Platz des Hauseigentümers gestellt hat oder der bevorzugte Platz durch ein parkendes Auto oder einen Schneehaufen besetzt ist.
Unter diesen Umständen ist die Unternehmerin darauf angewiesen, die Mülltonne dort abzuholen, wohin sie der Hauseigentümer gestellt hat. Sie kann der Zuweisung des neuen Abholplatzes nicht widersprechen, sofern die Satzungsbestimmungen über die Müllabfuhr eingehalten sind. Dies gilt nicht nur für einen Standplatz auf der Straße oder dem Fußgängerweg, sondern entsprechend auch für einen Standplatz auf dem Grundstück des Hauseigentümers. In keinem dieser Fälle besitzt die Unternehmerin die für die Begründung einer Betriebstätte erforderliche Verfügungsmacht.
Die Rechtsauffassung der Klägerinnen läuft darauf hinaus, daß die Unternehmerin entweder im Gemeindegebiet Hunderte oder gar Tausende von Betriebstätten hat oder eine Betriebstätte, die sich über ganze Straßenzüge oder gar das gesamte Gemeindegebiet erstrecken würde. Keine dieser Rechtsfolgen würde dem Begriff der Betriebstätte gerecht. Darauf wurde bereits im RFH-Beschluß vom 15. April 1942 VI B 4/42 (RStBl 1942, 469 - umherfahrender Milchverteiler) und im BFH-Urteil vom 18. Oktober 1962 IV 319/60 (BFHE 76, 102, BStBl III 1963, 38 - Taxifahrer ohne ständigen Standplatz) mit Recht hingewiesen.
Aus diesen Gründen kann der Streitfall entgegen der Auffassung der Klägerinnen auch nicht mit dem festen Standplatz eines Wochenmarkthändlers verglichen werden, den dieser ständig ohne ausdrückliche Zuweisung benutzt.
3. Das FG hat mit Recht entschieden, daß eine Zerlegung auch aufgrund des § 30 GewStG nicht in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift ist der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag zu zerlegen, wenn sich eine Betriebstätte auf mehrere Gemeinden erstreckt.
Eine mehrgemeindliche Betriebstätte ist gegeben, wenn ein einheitliches Ganzes besteht und wenn sich diese geschlossene wirtschaftliche Einheit räumlich über mehrere Gemeinden erstreckt. Voraussetzung für die Annahme einer mehrgemeindlichen Betriebstätte ist, daß jeder der auf mehrere Gemeinden entfallende Teile dieser Einheit die Voraussetzungen des § 16 StAnpG erfüllt. Nur wenn jeder Teil die Merkmale einer Betriebstätte i.S. des § 16 StAnpG erfüllt, ist eine mehrgemeindliche Betriebstätte gegeben (vgl. BFH-Urteile vom 12. Oktober 1977 I R 226/75, BFHE 123, 500, BStBl II 1978, 111; vom 28. Oktober 1987 I R 275/83, BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
4. Zu Recht hat das FG auch eine Zerlegung aufgrund von § 33 GewStG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist, wenn eine Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 GewStG zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt, nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt.
Der Zerlegungsmaßstab des § 33 GewStG setzt voraus, daß in der die Zerlegung beanspruchenden Gemeinde eine Betriebsstätte vorhanden ist (BFH-Beschluß vom 17. August 1954 I B 58/53, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 30, Rechtsspruch 7; Blümich/Boyens/Steinbring/Klein/Hübl, Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., § 33 Anm. 3; Müthling/Fock, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 33 Anm. 1). Von diesem Grundsatz geht auch das BFH-Urteil vom 26. August 1987 I R 376/83 (BFHE 151, 452, BStBl II 1988, 201) aus.
An der Voraussetzung einer eigenen Betriebstätte im Gemeindegebiet der Klägerinnen fehlt es im Streitfall, wie unter 2. näher ausgeführt.
Fundstellen