Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen
Leitsatz (NV)
Besteht zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags weder ein rechtlicher, noch ein faktischer Zwang für den Erwerber zum späteren Abschluß der Gebäudeerrichtungsverträge, so ist ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen ausgeschlossen.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Sache befindet sich im II.Rechtsgang.
Die Kläger - ein Ehepaar - erwarben durch notariell beurkundeten Vertrag vom 25. März 1983 als Miteigentümer je zur Hälfte ein (noch zu bildendes Trenn-)Grundstück. Der Kaufpreis betrug . . . DM. Auf dem Grundstück befand sich ein Gebäude. Im Kaufvertrag verpflichteten sich die Kläger zur Tragung der (anteiligen) Abrißkosten. Dem Kaufvertrag war als Anlage eine Bebauungsskizze des Architektenbüros A von der Firma B (mit Datum vom 11.März 1983) beigefügt. Am 28. März 1983 schlossen die Kläger einen schriftlichen Vertrag mit der B-KG über die schlüsselfertige Lieferung eines Fertighauses eines bestimmten Typs zum Preis von . . . DM. Am selben Tag schlossen sie mit der C-GmbH einen Vertrag über die Erstellung eines Standardkellers, zugeschnitten auf den von ihnen erworbenen Fertighaustyp. Der Preis betrug . . . DM. Weiter schlossen die Kläger am selben Tag mit dem Architektenbüro A einen Architektenvertrag. Die Kläger verpflichteten sich zur Zahlung eines Honorars von . . . DM.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen die Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je . . . DM fest. Es sah die Gesamtheit der vier Verträge als einheitliches Vertragswerk an, gerichtet auf den Erwerb eines mit einem Fertighaus bebauten Grundstücks. Es behandelte die Aufwendungen der Kläger sowohl aus dem Grundstückskaufvertrag als auch aus den drei weiteren Verträgen als Gegenleistung. Die Bescheide waren hinsichtlich der Höhe der Abrißkosten und der Kosten der Genehmigungserklärung vorläufig.
Hiergegen richtete sich die Klage, mit der die Kläger anstrebten, daß nur der Kaufpreis für das Grundstück besteuert werde. Es liege kein einheitliches Vertragswerk vor. Der Kaufpreis des Grundstücks sei nicht vom Abschluß der anderen Verträge abhängig gemacht worden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Gegenstand des Erwerbsvorgangs seien die Miteigentumsanteile an dem unbebauten (noch nicht neubebauten) Grundstück gewesen. Auf die Revision des Beklagten hob der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 6. Dezember 1989 II R 81/87 die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das FG habe nicht alle Umstände festgestellt, die im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung - ausgehend von der vom FG abweichenden Rechtsauffassung des BFH - zu berücksichtigen seien.
Im II.Rechtsgang hat das FG der Klage wiederum stattgegeben. Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemäß § 1 Abs. 1 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 seien im Streitfall nur die Miteigentumsanteile an dem (Trenn-)Grundstück gewesen; die Gegenleistung gemäß § 9 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 betrage demgemäß lediglich . . . DM. Im II.Rechtsgang sei nunmehr unstreitig, daß vertragliche Beziehungen zwischen den Grundstücksveräußerern einerseits und der Firma B oder Herrn A einschließlich seiner Gesellschaften andererseits nicht bestünden. Ferner sei unstreitig, daß die als Vertragspartner der Kläger auftretenden Firmen - mit Ausnahme der B - zu der Firmengruppe des Herrn A gehörten und daß vertragliche Beziehungen bestünden zwischen den Firmen C einerseits und der Firmengruppe A andererseits. Das FG habe seiner Urteilsfindung die rechtliche Beurteilung des BFH im zurückverweisenden Urteil zugrunde zu legen gehabt. Diese Bindung führe nicht zu einer Änderung der Beurteilung des FG im I.Rechtsgang, nach der zivilrechtlich eine kaufvertragliche Übereignungsverpflichtung hinsichtlich des Grundstücks in bebautem Zustand mangels eines bürgerlich-rechtlich einheitlichen Vertrages (§ 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) nicht in Betracht komme. Aber auch ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen nach objektiver Betrachtungweise, der nach Auffassung des BFH zu einer einheitlichen Leistung, gerichtet auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks führe, sei im Streitfall nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung im II.Rechtsgang nicht gegeben. Der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Kaufvertrag vom 25. März 1983 sei nicht in ein ,,Vertragsgeflecht" einbezogen gewesen, jedenfalls nicht, wie es das zurückverweisende Urteil verlange, ,,aufgrund vertraglicher Beziehungen". Das ergebe sich mangels entsprechender Vereinbarung und entspräche auch einer schriftlichen Äußerung des Veräußerers vom 4. Juli 1984 gegenüber dem Beklagten. Daß die drei übrigen Verträge ihrerseits ein Vertragsgeflecht bildeten, sei unerheblich. Im Streitfall verneine das FG das Vorliegen eines faktischen Zwangs zum späteren Abschluß der Gebäudeerrichtungsverträge. Ein rechtlicher Zwang aufgrund vorheriger Absprachen scheide ohnehin unstreitig aus. Die Revision hat das FG zugelassen.
Mit der Revision macht der Beklagte die Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr.1, § 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG 1983 und der §§ 126 Abs. 5, 76 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
1. Die vom Beklagten erhobene Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 76 FGO greift nicht durch. Die Rüge dieses Verfahrensmangels entspricht nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO. Nach dieser Vorschrift sind in der Revisionsbegründung die Tatachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben. Dieser fordert eine genaue Angabe der Tatsachen, aus denen sich der gerügte Verfahrensmangel schlüssig ergibt, und die Darlegung, daß das angefochtene Urteil auf dem Mangel beruhen kann (vgl. hierzu z.B. Urteile des BFH vom 14. Januar 1981 I R 133/79, BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443, und Beschluß vom 5. Oktober 1967 V B 29/67, BFHE 90, 452, BStBl II 1968, 179). Zur Begründung des von dem Beklagten gerügten Verfahrensmangels wäre es daher insbesondere erforderlich gewesen, daß die vom FG noch zu erhebenden Beweisthemen, die Beweismittel und das zu erwartende Beweisergebnis sowie das mögliche Beruhen des FG-Urteils auf dem Unterlassen dieser weiteren Sachaufklärung dargelegt worden wären. Ein allgemeiner Hinweis, ,,dies hätte ermittelt" werden müssen, reicht dazu nicht aus. Im übrigen wird die sich aus § 76 FGO ergebende Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts begrenzt durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten, insbesondere die Verpflichtung des FA zur Ermittlung des Sachverhalts (vgl. insoweit Senatsbeschluß vom 6. März 1991 II B 65/90, BFH/NV 1992, 199).
2. Das FG konnte unter Beachtung der Bindung an die rechtliche Beurteilung der zurückverweisenden Entscheidung des erkennenden Senats im I.Rechtsgang ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangen, daß im Streitfall nur das Entgelt für das Grundstück ohne Gebäude Gegenleistung i.S. von § 9 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 und der Klage deswegen stattzugeben ist.
Nach § 126 Abs. 5 FGO hat im Falle einer Zurückverweisung das Gerichts an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des BFH zugrunde zu legen. Eine entsprechende Bindung an die rechtliche Beurteilung aus dem I.Rechtsgang ergibt sich auch für den BFH selbst, die nur dann nicht besteht, wenn nach der Zurückverweisung eine rückwirkende Gesetzesänderung oder eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eintritt oder im II.Rechtsgang ein anderer Sachverhalt zutage tritt (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juli 1989 V B 117/87, BFH/NV 1990, 577, m.w.N.).
Im Streitfall ist es entscheidend, ob das bebaute oder das unbebaute Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. In seiner zurückverweisenden Entscheidung hat der erkennende Senat hierzu ausgeführt, daß der Gegenstand des Erwerbsvorgangs nach den von ihm entwickelten und in der zurückverweisenden Entscheidung näher dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen ist. Für eine derartige Abwägung aller Umstände verwies der Senat beispielgebend auf seine Entscheidungen vom 18. Oktober 1989 II R 85/87 und II R 143/87 (BFHE 158, 483, 477, BStBl II 1990, 181, 183). Auf den Streitfall bezogen führte der Senat zu dieser Frage aus, daß ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf noch nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Abschluß der zur Errichtung des Gebäudes notwendigen Verträge zeitlich erst kurz nach dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags erfolgte. Ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang könne gleichwohl dann bestehen, wenn die Kläger (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags in ihrer Entscheidung über das ,,ob" und ,,wie" einer Bebauung nicht mehr frei waren. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit könne sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben. Da im Streitfall mehrere Personen auf der Veräußererseite auftreten, sei es entscheidend, daß (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen sei, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet sei, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Hierzu führte der Senat näher aus, daß sich die Verflechtung der Verträge beispielsweise aus der Stellung des Projektanbieters ergeben könne, wenn dieser aufgrund vertraglicher Beziehungen zu den auf der Veräußererseite auftretenden Personen zu einer Vorplanung in der Lage sei, die ihm ein konkret ausgestaltetes Angebot ermögliche, und er ein wirtschaftliches Interesse am Abschluß aller Verträge besitze.
Davon ausgehend ist das FG im II.Rechtsgang im Ergebnis zu der Auffassung gelangt, daß weder ein rechtlicher, noch ein faktischer Zwang der Kläger zum späteren Abschluß der Gebäudeerrichtungsverträge bestand. Diese Schlußfolgerung läßt keinen Rechtsirrtum erkennen. Umstände, die zu dieser Schlußfolgerung in Widerspruch stehen, hat das FG nicht festgestellt. Auch das FA hat das Vorliegen insoweit relevanter Umstände nicht behauptet. Damit waren die Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in ihrer Entscheidung über das ,,ob" und ,,wie" einer Bebauung noch frei. Bereits dadurch ist im Streitfall das Vorliegen zumindest eines objektiven sachlichen Zusammenhangs zwischen den mehreren Verträgen ausgeschlossen.
Darüber hinaus geht das FG im II.Rechtsgang davon aus, daß keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Grundstücksveräußerern und den Gebäudeerrichtern bestand. Dies entspricht auch der Auffassung des Beklagten. Zwar handelt es sich insoweit um eine rechtliche Würdigung, der vom FG insoweit festgestellte - und mit keiner zulässigen Verfahrensrüge angegriffene - Sachverhalt, an den der erkennende Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, steht zumindest nicht im Widerspruch zu dieser rechtlichen Würdigung. Damit ist auch aus diesem weiteren Grund im Streitfall das Vorliegen eines objektiven sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen ausgeschlossen. Geht man vom Vorliegen fehlender vertraglicher Beziehungen zwischen den Grundstücksveräußerern und den Gebäudeerrichtern aus, so kann auch kein (einheitlicher) zivilrechtlicher Vertrag, gerichtet auf Übereignung eines Grundstücks mit noch zu errichtendem Gebäude vorliegen.
Fundstellen
Haufe-Index 418579 |
BFH/NV 1993, 267 |